Ist das Thema „Grün und Versiegelung“ bei Ihnen präsent?
Ja, die Wahrnehmung für mehr Grün und weniger Versiegelung hat zugenommen. Aber wir bekommen mehr Zuschriften zum Thema Verkehr. Weil das auch jeden fast überall betrifft. Dennoch hat für uns Klimaschutz großen Vorrang. Da fragen wir uns: Wie kriegen wir das in die Köpfe der Menschen? Hier auch das Thema Wärmewende. Übrigens ist auch das Thema Arbeitskräftemangel bei uns groß, von der Verkehrsüberwachung bis hin zu Ingenieuren, das wird sich noch verschärfen, wenn die „Boomer“ bald in Rente gehen.
Warum gibt es so wenig Grün in der Stadt?
Wir haben immer mehr Einwohner, man benötigt Infrastruktur, Schulen, Kitas, Wohnungen etc. Da wird Grün weiter verdrängt und Versiegelung geht damit einher. Es gibt aber auch Beispiele, wo das gewollt und beschlossen wurde, etwa am Rheinufer, das wir für Feste nutzen. Und es liegt an begrenzten Möglichkeiten und fehlenden Mehrheiten. Wir stoßen oft an Grenzen des Willens, aber auch des Könnens. Da gibt es Sachen wie Feuerwehr-Aufstellflächen und andere Gründe, warum wir nicht in den Untergrund können. Früher war es auch eine Sache des Geldes, aber oft ist es eben eine Sache des Wollens, und es muss eine große Öffentlichkeit geben, die so etwas mehr einfordert.
Zurzeit geht es auch um Grün in Form von Bäumen bei der geplanten Sanierung der Mombacher Straße?
Ja, es gibt aber einen Unterschied zwischen Gestaltung und Planung. Die Anwohner haben Gestaltungsideen, aber es kann in weiten Teilen so nicht geplant werden, weil es Mindeststandards etc. gibt. Es geht um Bäume, aber auch um das Thema Parken. Wir können dort nicht einfach ein Parkhaus errichten, weil die Stadt keine Fläche hat. Auch Tempo 30 kann ich auf einer übergeordneten Kreisstraße nicht einfach so anordnen. Das sind Sachen, die zum Teil nicht realistisch sind. Wir bleiben in Gesprächen mit der Initiative und den Bürgern und ich freue mich, dass der Baumerhalt ein drängender Wunsch war, den ich voll und ganz unterstütze.
Auch das Thema Aufteilung von Verkehrsraum zwischen Rad und Auto ist ein Dauerbrenner …
Wir haben klimapolitische Ziele als Stadt: ÖPNV, Rad- und Fußverkehr 80 Prozent, Motorisierter Individualverkehr 20 Prozent. Dieses Verhältnis wird in Mainz nicht widergespiegelt. Dennoch: Wie kriegt man das Thema und die entsprechenden Menschen zusammen, damit die Stadt lebenswert ist? In der Stadtplanung der Zukunft findet man nicht mehr viel MIV, deswegen benötigt es eine Umverteilung der Flächen, auch beim ruhenden Verkehr: mehr Parkhäuser, Park & Ride… Hier erhoffe ich mir auch viel von dem neuen Parkleitsystem oder dem Mobilitätsmasterplan SUMP, den wir aktuell erstellen.
Wie geht es mit dem Straßenbahn-Ausbau voran?
Wir haben drei Teilprojekte für den Ausbau: die Binger Straße, die Innenstadterschließung mit Alt- und Neustadt und die Anbindung Heiligkreuz. Für uns ist die Straßenbahn das Zugpferd Nummer 1 für die Verkehrswende. Doch es dauert. Das Planfeststellungsverfahren für das Stück in der Binger Straße ist immer noch nicht genehmigt. Da reden viele Menschen mit. Und es geht auch um die Finanzierung, denn ohne Förderung können wir uns das nicht leisten. Das wird sich daher noch ziehen. Ich denke wir werden nächstes Jahr erst einmal Vorschläge für den Innenstadtring haben, und ich wäre froh, wenn wir vor 2030 in die Planfeststellungsverfahren gehen.
MENSCH
Warum wurden Sie Politikerin?
Partizipation war schon immer ein Thema bei mir. Ich war Klassensprecherin, Schulsprecherin, später beim AStA … dort, wo man sich engagieren und einbringen konnte, das hat mich schon immer motiviert. Das mit der Partei und der Politik hat sich dann mehr so ergeben.
Bei den Grünen zu sein ist heutzutage nicht einfach. Wie gehen Sie mit Kritik um?
Den Grünen wird gefühlt die Schuld für alles gegeben. Manches Bashing motiviert mich aber auch. Manche Kritik verletzt mich dennoch persönlich, etwa wenn mir unterstellt wird, dass mir Bäume und Versiegelung egal sind, oder noch mehr, wenn Mitarbeitende verunglimpft werden. Ich habe da schon ein dickes Fell mittlerweile. Ansonsten hilft mir das Gespräch mit Freunden bzw. das persönliche Umfeld. Man darf nicht alles persönlich nehmen. Zudem leben wir heute in sehr unsicheren Zeiten. Da gibt es immer mehr Kontroversen.
Sie kommen eigentlich aus Frankfurt. Ist das eher ein Vor- oder ein Nachteil?
Ich wohne mittlerweile in Mainz-Gonsenheim, habe aber noch eine Wohnung in Frankfurt. Die Herkunft hat tatsächlich für viele eine große Rolle gespielt. Einige Bürger wollen eben lieber Leute, die mehr mit der Stadt verbunden sind. Für mich aber ist der Vergleich manchmal eher hilfreich, über den Tellerrand zu schauen, wie man woanders Probleme löst.
Sind Sie auch in Frankfurt geboren?
Ich bin in Frankfurt geboren, allerdings in Hofheim am Taunus aufgewachsen. Mein Dreieck war immer Frankfurt, Darmstadt und auch Mainz. Ich bin in Hofheim zur Schule gegangen und habe danach Mittlere und Neuere und Osteuropäische Geschichte in Frankfurt studiert. Ich wollte eigentlich auch Forscherin an der Uni werden, doch schließlich bin ich über Umwege in einem Wahlkreisbüro von einem grünen Landtagsabgeordneten gelandet, und so hat das Ganze seinen Lauf genommen. Später arbeitete ich dann im Umweltdezernat Frankfurt, bis der Ruf nach Mainz kam.
Gibt es noch Hobbies und Interessen, Familie?
Kinder habe ich keine, aber einen Lebenspartner. Ansonsten unternehme ich gerne Ausflüge, Wanderungen, besuche Ausstellungen, oder treffe mich einfach mit Freunden … und gutes Essen, auch selber kochen, ist immer gut … und Radfahren. Das Thema Geschichte interessiert mich auch heute noch. Ich bin ja viel gereist in Osteuropa, in die baltischen Staaten, die Sowjetunion, auch Russland und in die Ukraine. Wobei heute, nach Kriegsbeginn, fühle ich mich in Russland nicht mehr eingeladen.
Interview David Gutsche Foto Jana Kay