Dr.-Ing. Björn Hekmati über Stadtplanung, Bürgerbeteiligung und Herzensthemen:
Seit wann leiten Sie das Zentrum Baukultur?
Das ist gut ein Jahr her, seit Juni 2021. Und es kam durch einen Zufall zustande: Eine Freundin hatte mich auf die Stellenausschreibung aufmerksam gemacht. Vorher war ich an der Architekturfakultät der TU Darmstadt in Forschung und Lehre und brachte dadurch die Voraussetzungen für die Architekturvermittlung mit. Zu Studienbeginn wollte ich mal ein berühmter Architekt werden, aber heute scheint mir meine derzeitige Position genau das Richtige zu sein.
Was genau passiert im Zentrum Baukultur?
Wir sind eine Institution der Stiftung Baukultur Rheinland- Pfalz, deren Träger die Architektenkammer, das Ministerium der Finanzen sowie die Investitions- und Strukturbank Rheinland- Pfalz sind. Das Zentrum Baukultur besteht schon seit 2007. Und es ist vor zehn Jahren in den Brückenturm am Rathaus eingezogen. Wir vermitteln Themen der Baukultur in die Öffentlichkeit und die Politik. Das geht von der Türklinke über den Hochbau bis zum Stadtquartier oder zur Landschaftsarchitektur – ein breites Spektrum also.
Wie passiert die Vermittlung konkret?
Wir veranstalten zum Beispiel Ausstellungen, Gesprächsabende und Diskussionen, sind also auch so etwas wie Eventmanager. Wir sprechen mit vielen Leuten und netzwerken auf den Ebenen, auf denen Entscheidungen getroffen werden – Lobbyismus für die gute Sache sozusagen. Am 15. Juli eröffnen wir zum Beispiel die Werkschau der Mainzer Fachschaft Architektur. Im August ist Sommerpause und am 13. September eröffnen wir die Ausstellung „Gesamtkunstwerke – Architektur von Arne Jacobsen und Otto Weitling in Deutschland“, die noch als Wanderausstellung unterwegs ist. Mainz mit Jacobsens Rathaus ist die letzte Station.
Was sind persönlich Ihre Herzensthemen?
Ich will unser Publikum verjüngen und mehr in die breite Öffentlichkeit gehen, also nicht nur die Fachöffentlichkeit. Um das zu erreichen, möchte ich gezielt junge Menschen einbeziehen, insbesondere bei den wichtigen Fragen unserer Zeit: Vertragen wir mehr Wachstum? Können wir Gentrifizierung und steigende Mieten abfedern? Können wir den Müll und die Emissionen reduzieren, die auch das Bauen produziert? Was sind Alternativen zum konventionellen Neubau? Eine Reihe von Fragen, denen wir uns stellen müssen.
In Mainz wird viel gebaut und gewachsen, aktuell der Biotechnologie- Ausbau auf den Feldern außerhalb der Stadt. Wie bewerten Sie das Thema?
Mit Biontech vor Ort ist die Perspektive der Stadt als sogenannte „Apotheke der Welt“ sicher ein wichtiges Anliegen. Aber: Ich bin wachstumsskeptisch. Ich wünsche mir, dass so ein enormer Ausbau und Versiegelung von Fläche grundsätzlich diskutiert und erörtert wird. Wohin will die Stadt eigentlich wachsen? Wie ist das langfristig gedacht? Könnte man auch andere Ziele entwickeln, etwa Mainz als Stadt der Suffizienz, in der man gut und günstig leben kann? Ich glaube, man müsste die Politik vor Ort stärker mit den Menschen abstimmen. Die aktuellen und zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen drohen die Stadtentwicklung zu beschleunigen, aber die Ziele sollte man breit diskutieren.
MENSCH
Sind Sie gebürtiger Mainzer?
Ich bin 1976 in Berlin geboren und mit dreieinhalb Jahren nach Mainz gezogen, weil mein Vater hier einen Job angeboten bekommen hatte. Ich habe die Grundschule in Laubenheim und dann das Willigis-Gymnasium besucht. Im Zivildienst – beim Landesamt für Denkmalpflege – durfte ich gefühlt das halbe römische Mainz ausgraben. Danach studierte ich ab 1996 Architektur an der TU Darmstadt, wo ich im Anschluss im Bereich der Stadtentwicklung geforscht und gelehrt habe. Promoviert wurde ich mit dem Thema „Echtzeitpartizipation“. In dieser Phase habe ich auch geheiratet und 2011 und 2013 sind unsere Kinder zur Welt gekommen. Der Nachname Hekmati kommt von meiner Frau, sie ist gebürtig aus dem Iran, Teheran, und arbeitet als Redakteurin beim ZDF.
Der Name ist auch bekannt durch die Longboard-Manufaktur „Olson & Hekmati“ in der Neubrunnenstraße?
Genau! Nach dem Studium kam ich mit meinem Geschäftspartner Oliver „Olson“ Dehmel auf die Idee, eine Longboardmarke zu gründen. Ich bin früher selbst viel Skateboard gefahren, aber durch einen Unfall davon abgekommen. Die Leidenschaft blieb, und so bin ich aufs Longboard gewechselt. Mein erstes Brett hatte ich modifiziert, also umgebaut und somit selbst begonnen, Boards herzustellen. Olson machte das zufälligerweise genauso und so hat sich die Zusammenarbeit ergeben. Es kamen dann immer mehr Freunde und Bekannte zu uns und wollten Boards haben. Also haben wir ein Geschäft daraus gemacht, zuerst als Hersteller mit eigener Werkstatt, später mit dem Shop „asphaltinstrumente“. In der Werkstatt arbeite ich heute noch, meistens aber an der Buchhaltung. Dabei möchte ich lieber wieder neue Boards entwerfen und bauen.
Stimmt es, dass Sie auch eine Landwirtschaft betreiben?
Das kommt über meine Frau. Sie hatte sich vor einiger Zeit in das Thema Pilzzucht eingearbeitet. So hat es sich ergeben, dass wir nun ein kleines Stück Land in der Nordpfalz bewirtschaften mit einem Traktor und allem Drum und Dran. Dort sind wir fast jedes Wochenende mit den Kindern. Und es ist gar nicht so einfach. Pilze muss man sorgfältig produzieren, und man muss je nach Sorte bis zu zehn Jahre warten, bis sich Ernteerfolge einstellen, beziehungsweise, ob sich im Boden überhaupt etwas tut.
Wie haben Ihre Kinder Ihr Leben verändert?
Die haben das auf den Kopf gestellt. Sie geben den Dingen einen Sinn. Früher habe ich mich in diversen Projekten engagiert und wollte überall erfolgreich sein. Das hat auch funktioniert. Aber jetzt denke ich mehr an meine Kinder: Können die später auch noch die Plantage bewirtschaften oder vielleicht die Longboard-Marke weiterentwickeln? Zudem bin ich etwas vorsichtiger geworden und gehe verantwortlicher mit mir selbst um.
Wo kann man Sie sonst noch in Mainz antreffen?
In der Gastronomie zuweilen, ich bin gerne mal im Postlager, im Onkel Willys, oder im Sixties. Und im Sommer bin ich öfters mit dem Kajak auf dem Rhein. Es ist toll, Wasser direkt vor der Haustür zu haben. Ich kann von Ufer zu Ufer fahren, die Rheinauen erkunden und Mainz vom Wasser aus erleben. Das gibt mir ein erweitertes Stadtgefühl, ist aber auch nicht ganz ungefährlich: Man muss die Strömung lesen können und auf Schiffe und Boote achten. Aber das Paddeln gibt auch Zeit zum Innehalten und Reflektieren.
Interview David Gutsche Foto Jana Kay