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Das sensor 2×5 Interview mit: Bischof Peter Kohlgraf

Peter Kohlgraf ist Mainzer Bischof. Wie es aktuell im Bistum läuft, was die Lieblingsorte des Bischofs in Mainz sind und ob er Fastnacht feiert, darüber spricht der 57-jährige in diesem Interview:

Beruf

Wie geht es derzeit der Kirche, vor allem in unserem Bistum?
Die Kirche befindet sich in einer Phase der Umbrüche, die teils als Krise wahrgenommen wird, jedoch auch als Chance zur Veränderung dient. Wir machen uns ehrlich, indem wir uns mit der Realität auseinandersetzen: Welche Themen sind relevant, welche Strukturen haben sich überlebt? Ein Beispiel dafür ist der „Pastorale Weg“, ein Veränderungsprozess, der seit 2018 läuft. Dieser umfasst die Analyse bestehender Strukturen und die Anpassung an gesellschaftliche Entwicklungen. Wir gründen neue Pfarreien, optimieren Leitungsmodelle und versuchen, die Kirche stärker auf Teams auszurichten, in denen auch Laien Rollen übernehmen. Es ist eine anstrengende, aber auch zukunftsweisende Zeit, die von Trauer über Verluste, aber auch von Aufbruch und Neugestaltung geprägt ist.

Welche Ziele verfolgen Sie damit?
In der ersten Phase haben wir analysiert, wie unsere Gemeinden funktionieren und wo Veränderungsbedarf besteht. Daran waren und sind auch die Gläubigen vor Ort beteiligt. Jetzt befinden wir uns in einer operativen Phase: Gebäude und Finanzen, aber auch die Neudefinition unseres Verständnisses von Seelsorge. Statt eines Einzelpfarrers haben wir Teams, die Verantwortung übernehmen. Diese setzen sich nicht nur aus Priestern, sondern auch aus Theologen und Verwaltungsexperten zusammen. Ziel ist es, eine flexiblere und an die Bedürfnisse der Menschen angepasste Kirche zu gestalten.

Wie versucht die Kirche, junge Menschen und andere Zielgruppen anzusprechen?
Die Bedürfnisse sind unterschiedlich. Eine kleine Gemeinde auf dem Land benötigt andere Angebote als eine Großstadtgemeinde. Daher setzen wir auf lokal angepasste Lösungen, etwa diakonische Projekte oder Jugendinitiativen. Ein Beispiel ist unsere Jugendsynode Anfang Februar, bei der junge Menschen ihre Vorstellungen von Kirche und Gesellschaft einbringen können. Projektbasierte Ehrenämter sind eine weitere Möglichkeit, Menschen zu begeistern, ohne sie langfristig zu binden. Wichtig ist, den Menschen vor Ort Raum zu geben, ihre eigenen Ideen umzusetzen. Kirchenmusik, Wallfahrten oder Jugendverbände spielen dabei eine Rolle, jedoch hängt der Erfolg stark von engagierten Personen vor Ort ab.

Wie bleibt die Kirche in einer sich verändernden Gesellschaft relevant?
Die Kirche muss sich fragen, wie sie in einer zunehmend individualistisch geprägten Welt, Zusammenhalt und Werte vermitteln kann. Unsere Stärke liegt in Gemeinschaft und Solidarität. Es geht darum, Räume zu schaffen, in denen Menschen ihre Spiritualität leben und sich für größere Ziele engagieren können. In einer Zeit, in der Großinstitutionen an Bedeutung verlieren, bleibt die Frage, wie wir Menschen für die gemeinsamen Werte und Ideen der Kirche begeistern können.

Wie gehts mit der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle voran?
Die Aufarbeitung ist ein komplexer Prozess. Wir arbeiten mit unabhängigen Kommissionen und Betroffenenbeiräten, die die Perspektiven der Opfer einbringen. Ein wichtiger Schritt war die Veröffentlichung der bekannten Studie. Zusätzlich haben wir Verfahren für den Umgang mit Beschuldigten und Betroffenen entwickelt. Unabhängige Ansprechpartner stehen für Betroffene bereit, und wir haben Maßnahmen zur Prävention und Schulung eingeführt. Dennoch bleibt viel zu tun, und ich rechne damit, dass die Arbeit auch in 15 bis 20 Jahren noch nicht abgeschlossen sein wird.

Mensch

Wie sieht Ihr Alltag aus, und haben Sie Hobbys?
Mein Tag beginnt um 5 Uhr früh, oft mit Sport, und ab 8 Uhr sitze ich im Büro. Neben Besprechungen und Seelsorgeaufgaben gehören auch Gemeindevisitationen, aber auch Interviews zu meinen regelmäßigen Tätigkeiten. An den Wochenenden bin ich oft bei Jubiläen oder Firmungen unterwegs. Ansonsten spielt die Musik eine große Rolle in meinem Leben. Ich spiele Klavier, Orgel und Saxophon. Gelegentlich habe ich sogar Konzerte gemeinsam mit dem Domorganisten gegeben. Privat höre ich zumeist Klassik, aber auch Jazz zum Beispiel, eher so die alten Sachen … Neben der Musik reise ich gerne, meistens in die Berge, etwa nach Tirol oder ins Allgäu, wo ich wandere und die Natur genieße. Städte mit kulturellem Reichtum, wie Salzburg, reizen mich ebenfalls. Oder die Insel Ischia.

Erzählen Sie uns von Ihrer Herkunft und Ihrem Werdegang.
Ich wurde in Köln geboren und bin dort aufgewachsen, auch wenn meine Eltern und Großeltern aus der Eifel und Pommern stammten. Meine Prägung erhielt ich durch meine Heimatstadt Köln, wo ich Abitur machte und erste kirchliche Erfahrungen sammelte. Meine Mutter war Krankenschwester und mein Vater Maurer. Er ist gestorben, als ich 11 Jahre alt war, und meine Mutter, als ich 19 Jahre alt war. Meine Mutter war auch praktizierend katholisch. Nach meinem Theologiestudium in Bonn wurde ich 1993 zum Priester geweiht. Später promovierte ich in Bonn und habilitierte mich in Münster, bevor ich 2012 Professor in Mainz wurde. 2017 trat ich mein Amt als Bischof von Mainz an. Obwohl Köln mich geprägt hat, sehe ich Mainz als meine Heimat, und ich plane, auch nach meiner Amtszeit hier zu bleiben.

Feiern Sie Fastnacht?
Natürlich! Als ich hier ankam, hatte als Erstes der Karneval- Club Kastel zugegriffen, die waren die schnellsten. Später wurde ich zum „Patron der Straßenfastnacht“ ernannt, das bin ich immer noch, insofern bete ich für ein gutes Gelingen der Fastnacht. Und ich bekomme auch recht viele Einladungen zu Sitzungen, da rotieren wir, ich kann nicht auf alle Sitzungen gehen, nehme aber jedes Jahr an etwa vier Sitzungen teil. An Rosenmontag fahre ich auf dem Wagen mit, das finde ich ganz schön, das war irgendwie auch immer so ein Kindheitstraum, schon in Köln.

Was sind Ihre Lieblingsorte in Mainz?
Der Wochenmarkt auf jeden Fall. Dann gehe ich auch am Rhein spazieren. Und natürlich bin ich auch gern in Weinstuben und Cafés, besonders in Domnähe, aber da mache ich jetzt keine Werbung.

Und was steht sonst noch auf Ihrer Bucket List?
Es gibt noch ein paar Ziele, da würde ich noch mal hin, zum Beispiel mal mit Freunden nach Nord-Norwegen. Oder hin und wieder erhalte ich auch Einladungen nach Afrika von Bischöfen, die sagen: Komm doch mal vorbei. Auch die menschliche Dimension und die Freundlichkeit und Gastfreundschaft, das ist schon toll. Trotz meiner Reiselust bin ich inzwischen eigentlich auch mal froh, wenn ich einfach nur hier bin im Haus, und habe da zuletzt gedacht: Das ist auch mal schön, einfach ohne Verpflichtungen.

Interview: David Gutsche
Foto: Jana Kay

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