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Das Mainzer Disco-Taxi


Text: Nora De Lon
Fotos: Benjamin Kilb

Jeder kennt es aus Hollywood-Filmen: Wild gestikulierend winkt der Protagonist das gelbe Fahrzeug an den Bordstein heran, nennt einen Straßennamen und lässt sich dabei auf die Rückbank fallen. Bisweilen dient das Vehikel auch zum Beschatten von Verdächtigen, gekoppelt mit dem Satz „Folgen Sie dem Wagen!“ und einer daraus resultierenden wilden Verfolgungsjagd. Auf Mainzer Straßen ist die Realität jedoch eine andere: Die hierzulande blass-beige gefärbten Autos fahren selten einen heißen Reifen und statt durch verwinkelte New Yorker Häuserschluchten und schlaglochreiche Straßen geht die Fahrt über den beschaulichen Schillerplatz oder die vorbildlich asphaltierte Große Bleiche. Spektakuläres sucht man also vergebens – oder etwa nicht? Wer so denkt, hat noch nichts von Afshin Sadeg-Pour und seinem Disco-Taxi gehört: Der von außen unscheinbar wirkende Mercedes Viano entpuppt sich im Inneren als schillernde Discowelt.

Alles Marke Eigenbau

Der 42-jährige Iraner, der von allen nur „Sadeg“ genannt wird, hat sein Taxi in mühevoller Eigenarbeit mit allem ausgestattet, was Partyherzen höher schlagen lässt: LCD-Monitoren, LED-Leuchten, Boxen mit wummernden Bässen, zwei Lasergeräten und sogar einer Nebelmaschine. „Man beachte den Vanilleduft“, kommentiert Sadeg den olfaktorischen Zusatzeffekt stolz. Sein Großraumtaxi der besonderen Art erfreut seit nunmehr fünf Jahren die Fahrgäste in und um Mainz. Vorher war Sadeg, der 1986 gemeinsam mit seinem Bruder aus dem Iran geflohen war, in ganz Deutschland unterwegs: In Hamburg und München schlug er sich zunächst als Hilfskraft in der Gastronomie durch. „Vom Barmann bis zum Hilfskoch hab ich fast alles gemacht“, blickt Sadeg zurück, den es nie lange an einem Ort gehalten hat. Schließlich habe ihn dann die Liebe zu seiner jetzigen Frau in Mainz sesshaft werden lassen. Durch einen Freund sei er schließlich zum Taxigewerbe gekommen: „Du kannst doch gut mit Leuten, Sadeg, das wär doch was für dich“, habe dieser damals gemeint – und siehe da: Seit nunmehr fünfzehn Jahren transportiert der hochgewachsene Mann mit der ausladenden Gestik Mainzer Fahrgäste von A nach B. Dabei schätzt er vor allem die hiesige Frohnatur: „Ich mag die Offenheit und Toleranz, mit der einem in Mainz begegnet wird. Es ist einfach eine Multikulti-Stadt – und natürlich eine Fastnachtshochburg.“ So sei ihm auch die Idee für sein Disco-Taxi gekommen, denn die Mainzer feiern gerne. Dabei ist Sadeg deutschlandweit einer der wenigen mit einem derartigen Beförderungskonzept. Dies führt er vor allem auf die anstrengenden Bedingungen zurück: „Man braucht gute Nerven und muss ein Entertainer sein.“ Pöbelnde Fahrgäste habe er aber bis jetzt noch nie erlebt. Im Gegenteil: Die Leute steigen ein und sind manchmal schlecht gelaunt, aber wenn sie wieder aussteigen, tun sie das mit einem Lächeln.

Jede Menge Stammkundschaft

Das Disco-Taxi als Kurzurlaub aus dem tristen Alltagstrott. Selbst Rentner wippen mit dem Gehstock, wenn sie beim Taxi mit der Nummer 28 auf der Rückbank sitzen, denn Sadegs Musikrepertoire ist schier unendlich: „Für die älteren Leute spiele ich natürlich auch Schlagermusik“, grinst der ungewöhnliche Taxifahrer. Sein Beruf ist für Sadeg mehr als nur reiner Broterwerb. „Wenn‘s mir schlecht geht, brauche ich nur ins Taxi zu steigen und die Musik aufzudrehen. Das ist wie Medizin“, sagt er und seine Augen blitzen vor Begeisterung. Mittlerweile wird Sadeg auch außerhalb seines Taxis erkannt und von ehemaligen Fahrgästen gegrüßt. „Es hat sich eine richtige Stammkundschaft gebildet, mein Taxi hat mittlerweile sogar einen eigenen Facebook-Fanclub“, freut sich der Wahl-Mainzer. Doch um wirklich mitreden zu können, muss man eine Fahrt mit dem ungewöhnlichen Gefährt selbst erlebt haben. Vielleicht sollte man also in Zukunft beim Heranwinken eines Taxis auf die kleine Discokugel achten, die am Rückspiegel baumelt: Sie liefert einen Vorgeschmack auf das, was den Fahrgast im Inneren erwartet.

facebook.com/DiscoTaxiMainz

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