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34 Jahre KUZ Mainz gehen zu Ende. 2017 geht es erneuert weiter

KUZ
von David Gutsche  Foto: Jana Kay

Den Noch-Geschäftsführern vom KUZ, Norbert Munk (60) und Joe Trautmann (65 Jahre), ist der Kampf der letzten Jahre anzumerken: Ärger mit Ämtern, Brandschutz, Lärmschutz, hunderte Gutachten, Anwälte, ein jahrelanges Gezerre mit der Stadt, das Areal am Winterhafen zu übernehmen, all das scheiterte letztendlich. Und nun heißt es für sie nach 34 Jahren Mainzer Kulturzentrum Abschied nehmen und das schmerzt. Dabei war das KUZ doch einmal eine Erfolgsgeschichte …

Es war einmal

Als Fixpunkt der Mainzer Clubszene war das KUZ eine wichtige Adresse für junge und junggebliebene Menschen. Seit 1981 bot es eine Bühne für kulturelle Vielfalt: Live-Musik, Partys, Theater, Kultur für Kinder, Lesungen u.v.m. Das heutige Industriedenkmal wurde 1888 als Garnisonswaschanstalt für die Reichswehr gebaut. Ab 1932 diente es als Industrielehrwerkstatt und war damit eine der ersten überbetrieblichen Ausbildungsstätten Deutschlands.

1981 wurde dann das KUZ als basisdemokratische Alternative gegründet. Damals gab es nur wenig Clubkultur in Mainz und auch die Studenten feierten noch mehr als heute auf dem Campus. 1984 fand das legendäre erste Theaterfestival „tattajaja“ statt, ein Vorreiter für viele Festivals, die folgen sollten. Anfänglich von einem Verein geführt, stellten ab 1986 drei Geschäftsführer das KUZ auf professionelle Füße: die Erzieher Joe Trautmann und Norbert Munk sowie Psychologe Rüdiger Stephan, alle damals in ihren 30ern. Sie mieteten das Gebäude jeweils jahreweise von der Stadt und gründeten später die KUZ Kultur und Veranstaltungen GmbH, mit der sie innovative Kulturprojekte initiierten – gegen alle Finanzierungswidrigkeiten.

Innovative Veranstaltungen

1985 bis 90 folgt eine Reihe von progressiven Theaterfestivals, die die Keimzellen für viele weitere Projekte der Stadt bildeten. 1988 und 89 brachte das KUZ die ersten Tanztheaterfestivals und –compagnien nach Mainz, 1990 das erste Objekt- und Figurentheater, das noch heute unter dem Namen „No Strings Attached“ existiert. Von 1987 bis 96 übertrug das ZDF wöchentlich die Jugendsendung „Doppelpunkt“ live aus dem KUZ und machte Mainz damit bundesweit bekannt.

Parallel dazu produzierte der SWR 1992 und 93 die Live-Sendung „Glaskasten“ und das Jugendmagazin „Na Und“. Südamerikanisches Flair brachte seit 1991 der KUZ-Sommer mit Brasilien-Schwerpunkt. Top Acts der karibischen Szene gaben sich im Biergarten die Klinke in die Hand, zusammen mit Künstlern und Intellektuellen aus der ganzen Region. Andere Konzerte brachten Gäste wie Air, Gilberto Gil, Willy de Ville, Yousou N’Dour, Die Fantastischen Vier, Die Ärzte, Helge Schneider, Justus Frantz, Dieter Thomas Kuhn, Peter Maffay, Badesalz, Rüdiger Hoffmann, Wolfsheim, New Model Army u.v.m.

Die KUZ Geschäftsführer verstanden ihre Partys auch immer als soziokulturelles Programm. So mauserten sie sich mit weiteren „Erfindungen“ und Entdeckungen, wie der Reihe Kids im KUZ, dem Dark Awakening, Theaterfestivals wie dem integrativen Grenzenlos Kultur (welches heute im Staatstheater läuft), aber auch neueren Events wie dem stets ausgebuchten Poetry Slam, der nun auch auf der Suche nach einem neuen Zuhause ist.

Der Anfang vom Ende

Doch auch die Probleme waren nicht zu knapp. Die städtische Unterstützung und Begeisterung ließ über die Jahre nach und verkehrte sich ins Gegenteil. Und auch die Mainzer Clublandschaft und Konkurrenz entwickelte sich seit Ende der 90er nach vorne. Die KUZ-Macher verlegten sich auf Ü30-Partys am Wochenende, die den (Kultur)Ruf ins Wanken brachten, es wurde ihnen reine Geldmacherei vorgeworfen. Die Umsetzung von jungen innovativen Ideen und Konzepten wurde zunehmend erschwert.

Zu allem Übel für das KUZ entschloss sich die Stadt um die Jahrtausendwende, den Winterhafen als Wohngebiet freizugeben, damit war das Ende (fast) besiegelt. „2006 wurde der Druck von der Stadt extrem groß“, erinnert sich Norbert Munk. Neue schicke Wohnungen wurden 2010 gebaut, die keinem „Lärm“ ausgesetzt sein wollten. Vom Abriss der großen Halle war die Rede. Ergebnislos versuchten die KUZler weiterhin das Gebäude von der Stadt zu erwerben, doch immer höhere Auflagen erschwerten die Verhandlungen. 2014 warf Rüdiger Stephan das Handtuch. Die Stadt wollte und konnte den Pachtvertrag nicht mehr verlängern, die KUZ GmbH war am Ende und man einigte sich auf eine Sanierung der kleinen Halle, die in Kürze beginnt und sich bis 2017 hinziehen wird.

Neu-Eröffnung 2017

Das KUZ geht jetzt in städtische Hand über. Die Sanierungskosten sind mit 4 Mio. Euro netto geplant. Die große Halle wird abgerissen und ab 2017 stehen ein Saal im Erdgeschoss und zwei Räume im Obergeschoss zur Verfügung. Inhaltlich soll an die Erfolge des KUZ angeknüpft, aber auch ein neues Repertoire auf die Beine gestellt werden. Das KUZ soll eine inhaltliche Vielfalt bieten und auch finanzschwachen Initiativen und Künstlern Möglichkeiten geben.

Eine schwarze Null zu erreichen ist das Ziel. Schaffen soll dies ein neuer, von der Stadt bestellter „KUZ Kultur-Koordinator“, der oder die in Kürze bekannt gegeben wird. Er wird unter dem Dach der städtischen Veranstaltungsfirma „mainzplus“ angestellt, die auch Rheingoldhalle, Schloss, Frankfurter Hof etc. bespielt. So wird sich das städtische Event- Portfolio erweitern und der rein gewinnorientiere Druck beim KUZ nicht zu stark ausfallen.

Abschieds-Events

Zum Abschied legt das „alte“ KUZ-Team im Dezember nochmal alles hin, was es zu bieten hat: Am 22. Dezember steigt die große „KUZ 1981-2015 – MACH‘s GUT Party“ mit Thomas „flo“ Spanier, Jürgen Mays Hammond- Sound mit Juiceexbrass und Jammin`Cools Heiko Schulz. Elke Diepenbeck (Kulturgut) und Wolfi Klein (Ex-Quartier, Ex-Caveau) moderieren. Alte rollende Steine haben sich angekündigt: Lothar Pohl (Crackers) und Don Weaver, Hans Becker (Becker ohne Stecker), Uwe Juras (Fracture), Paddy Schmidt (Paddy goes to Holyhead). Aber auch jüngere Semester wie Hanne Kah werden die alten Gemäuer zum Vibrieren bringen. DJ Stefan Gaal rockt bis zum bitteren Ende.

Am 29. Dezember lädt die Künstleragentur Musikmaschine zum letzten großen Live-Event „Klangkultur – das letzte Konzert“. Vor dem Ende einer Ära wird dabei nochmal feinste Live-Musik von „Sexy Time“ (Soul) und „TripAdLib“ (Live-Elektro) gespielt und durch die Aftershow-Party mit DJ Chappi abgerundet. Leckeres Essen bringt der Foodtruck „Zum Grünen Wagen“. Und ganz am Ende, am 31.12., gibt es den großen Kehraus mit der ausgelassensten Silvestersause der Stadt mit DJ harry.h & Tombo. Happy New Year, leider nicht für alle!