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Das große 2×5 Interview mit Jochen Erlhof (Geschäftsführer Mainzer Verkehrsgesellschaft)

Herr Erlhof, warum Mainzelbahn?

Es wurde über zwanzig Jahre kontrovers diskutiert, ob Mainz die Straßenbahn ausbaut oder ganz abschafft. Das Netz war zu klein, um wirtschaftlich betrieben zu werden. Im Jahr 2003 beschloss der Stadtrat dann nach all den Jahren einstimmig, dass man die „Elektrisch“ in Mainz behalten möchte. Es folgten zahlreiche Sanierungsmaßnahmen und der zweigleisige Ausbau der Gaustraße sowie in Finthen. Aber es blieb die Notwendigkeit, einen Ausbau vorzunehmen, um die Straßenbahn auf Dauer wirtschaftlich zu machen. Und da bot sich die Strecke hoch zur Uni an, das Stadion kam noch dazu und schließlich der Wunsch, bis hoch zum Lerchenberg zu gehen. Der Bund hat das gefördert, da die Kosten über 50 Millionen Euro liegen. Sonst wäre das Land Rheinland-Pfalz alleine für die Förderung zuständig gewesen.

Was sind die Vorteile der Straßenbahn?

Die Straßenbahn ist leistungsfähiger als der Bus, die Fahrzeuge sind größer, sie hat keine Emissionen, denken Sie an die Dieseldebatte und die Klage der DUH gegen die Stadt … Und sie ist weniger stör-und stauanfällig als Busse, also zuverlässiger, da sie weitgehend auf eigener Trasse fährt. Wir hatten zuletzt 1.200 Busse täglich vom Bahnhof hoch zur Uni, 600 hin und 600 wieder zurück. Da stößt das System einfach an seine Grenzen. Auch schafft die Bahn neue Direktverbindungen, so dass viele Fahrgäste nicht mehr umsteigen müssen, und entlastet so den Bahnhofsvorplatz.

Erste Zahlen sind besser als erwartet.

Ja, im Januar hatten wir über 17.000 Fahrgäste am Werktag auf der neuen Strecke. Wenn sich das fortsetzt, sind das über 5 Millionen pro Jahr. Das haben wir erst Ende 2018 erwartet. Die Fahrgastzahlen steigen bei der MVG schon seit 15 Jahren, das Verkehrsverhalten ändert sich zu Gunsten des ÖPNV, und jetzt wächst auch die Stadt mit. Ab März wird aber die Bahnhofstraße umgebaut. Das dauert sieben Monate, in denen es leider erhebliche Beeinträchtigungen der Anbindung der Innenstadt mit der Straßenbahn geben wird.

Trotzdem sind Verkehrsunternehmen im ÖPNV immer im Defizit. Wie kommt das?

Der ÖPNV ist Teil der notwendigen Infrastruktur in den Städten. Er hat neben dem Transport eine umweltpolitische Aufgabe und auch eine gesellschaftliche Funktion: Mobilität für alle. Da kann man nicht auf Gewinn wirtschaften mit einem Rund-um-die-Uhr-Verkehr, günstigen Preisen und einem hohen Personalbedarf – die MVG hat 800 Mitarbeiter. Das schafft keine Stadt. Da sind wir mit 80 Prozent Kostendeckung sehr gut im Vergleich. Wir müssen wirtschaftlich arbeiten, aber manchmal irritiert es schon, dass das immer wieder ein Grundsatzthema ist. Beim Theater wird ja auch niemand fragen: Wieso seid ihr defizitär? Die Stadt braucht es und so etwas geht nicht kostendeckend.

Es gibt einigen Ärger derzeit wegen Lärmbelästigung und Erschütterungen entlang der neuen Bahnstrecke. Anwohner wollen klagen. Was gedenken Sie zu unternehmen?

Wir nehmen das ernst und haben auch noch Probleme, die behoben werden müssen. Das betrifft zum Beispiel Mängel an Schweißnähten oder den Einbau von Rasengleisen, die Schall reduzieren. Es kann auch Baufehler geben, die abgestellt werden müssen. Aber wir haben Erfahrung mit der Straßenbahn. Denken Sie an die Gaustraße oder auch Gonsenheim. Das sind ähnliche Situationen.

Wir werden die Vorgaben aus der Planfeststellung einhalten und im rechtlich zulässigen Rahmen sein. Es bleibt aber eine Straßenbahn. Die Fahrzeuge wiegen voll beladen über fünfzig Tonnen, das hört und spürt man anders als die Busse vorher. Da die Wahrnehmung von Schall und Erschütterung sehr subjektiv ist, wird das eventuell dem einen oder anderen nicht ausreichen. Das bleibt dann ein Problem.

Wollten Sie schon immer etwas mit Verkehr machen?

Das kam in meinem Bauingenieurstudium in Darmstadt. Mein Vater war auch Bauingenieur, aber im konstruktiven Bereich. Ich habe im Studium die Schwerpunkte Verkehr, Umweltund Raumplanung gewählt, das war mein Ding. Gearbeitet habe ich dann im Verkehrsbereich, erst im Ingenieurbüro, dann im Amt für Verkehrswesen der Stadt Mainz und seit 2002 als Geschäftsführer der MVG.

Womit können Sie entspannen?

Beim Joggen, Fahrradfahren oder in der Sauna. Wir treffen uns seit vielen Jahren einmal in der Woche mit guten Freunden in deren Sauna, mittlerweile haben wir auch eine eigene im Keller. Früher habe ich noch im Chor gesungen, aber dazu fehlt mir schon länger die Zeit. Und ich segle gerne, am Edersee in Nordhessen, war aber auch schon in Frankreich und Kroatien.

Was gefällt Ihnen an Mainz und was nicht?

Mainz ist eine schöne und überschaubare Stadt. Man hat ein breites Angebot an Kultur und Einkaufsmöglichkeiten. Das Rhein-Main-Gebiet bringt zusätzliche Möglichkeiten, auch wenn man viele nicht nutzt, aber man könnte ja … Die Altstadt ist schön, die Lage am Rhein … Nicht so schön ist das Klima, es ist hier drückender und es gibt zu wenig Wald.

Wann haben Sie das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht?

(überlegt): Ich bin im November zum ersten Mal mit der Mainzelbahn gefahren. Das war ein tolles Gefühl. Vorher gab es nur die Foto-Simulationen und dann war sie da. Ach ja, und letztens habe ich zum ersten Mal probiert, einen selbstgemachten Nachtisch optisch zu verschönern. Das ist mir ganz gut gelungen.

Was bedeutet Glück für Sie?

Oh Gott. Eine gute Situation für einen selbst, für die Familie. Akzeptanz. Zufriedenheit. Ein vernünftiges Verhältnis zwischen Arbeit und Leben, was in letzter Zeit etwas zu kurz gekommen ist … und natürlich, die Bahn zeitgerecht aufs Gleis gesetzt zu haben.

 

Interview: David Gutsche  Foto: Jana Kay