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Contact Improvisation: Freiheit durch Bewegung


von Sophia Weis
Fotos: Isabel Jasnau

Schrittfolgen, Takt, Koordination. Das hat schon so manchen Tanzschüler durcheinander gebracht. Was würde eigentlich entstehen, wenn man die ganzen Regeln weglässt und die Tänzer nur noch ihren Impulsen folgen? Das fragte sich in den 70er Jahren schon der Amerikaner Steve Paxton, der die starren, dogmatischen Strukturen an Tanzschulen auflösen wollte. Für ihn bedeutete Tanzen Freiheit und so begann Paxton, Jam Sessions mit anderen Tanzschülern zu veranstalten, bei denen sie Alltagsbewegungen aufgriffen und das Improvisieren im Vordergrund stand. Daraus entsprang im Laufe der Zeit ein neuer Tanzstil, dessen Basis Körperkontakt und Bewegung war. Heute gilt diese „Contact Improvisation“ als ein fester Bestandteil der Ausbildung zum zeitgenössischen Tänzer und kommt sogar bei Theateraufführungen zum Einsatz.

Geeignet für jedermann

Auch abseits der „professionellen“ Bühne finden sich immer mehr Anhänger der spielerischen Bewegungsform. Inzwischen gibt es eine stark vernetzte, internationale Gemeinschaft. In Sporthallen und Parks auf der ganzen Welt wird „Contact Impro“ getanzt. Es benötigt keine tänzerischen Kenntnisse oder körperliche Voraussetzungen, um sich zu versuchen. Manch einer entdeckt erst hier sein tänzerisches Talent. „Das Tolle ist, dass jeder mitmachen kann, egal ob groß oder klein, dick oder dünn, trainiert oder untrainiert“, sagt Arnold Neumann, ausgebildeter Yoga-Lehrer. Neumann beschäftigt sich mit Meditation und Selbsterfahrung und hat die befreiende Wirkung von Contact Impro vor mehr als zehn Jahren für sich entdeckt. Einmal im Monat veranstaltet er in Mainz einen Workshop, in dem er die Grundlagen vermittelt. Statt rigiden Tanzschritten lernt man, sich auf seine innere Stimme zu konzentrieren, den eigenen und den Körper der anderen wahrzunehmen und so einen individuellen, kreativen Prozess in Gang zu setzen. Nach dem Workshop haben die Teilnehmer die Möglichkeit, das Spiel mit Schwerkraft, Dynamik und Balance während eines dreistündigen Contact Jams ungezwungen auszuprobieren. Dabei erforscht die Gruppe ihre „Kontaktpunkte“ zum Beispiel durch vorsichtiges aneinander lehnen und sanfte Gewichtsverlagerungen. Danach folgt ein spontaner Bewegungsfluss. Ob akrobatisch, ausgelassen oder ruhig, führen oder geführt werden: drehen, springen, rollen und heben – auf dem Boden oder in der Luft – vieles ist möglich.

Keine Scheu vor menschlicher Nähe

Angst vor Nähe darf man bei Contact Improvisation nicht haben, denn sie ist ein wichtiges Element des Konzepts. Das gesellschaftliche Tabu der Berührung unter Fremden wird aufgehoben: „Anstatt durch ein Gespräch lernt man sich durch tänzerische Interaktion kennen und das kann sehr interessant sein“, schwärmt Neumann, dessen Veranstaltungen sogar noch mehr Gewicht auf das berührende Element statt auf den Tanz legen. Auch klassische Geschlechterrollen lösen sich auf, denn Männer tanzen mit Frauen ebenso wie mit Männern und andersrum, jung mit alt, eben jeder mit jedem. Das macht Contact Impro zu einem sozialen Ereignis, bei dem Barrieren zwischen Menschen aufgelöst werden. „Die Teilnehmer begegnen sich auf gleicher Ebene. Ihre Herkunft und ihr Status spielen für den Tanz keine Rolle“, bilanziert Neumann. Das habe auch positive Auswirkungen auf die Persönlichkeit: „Je länger man Contact tanzt, desto mehr lernt man sich zu öffnen und auf Menschen zuzugehen.“ Wer Lust bekommen hat, Contact Improvisation auszuprobieren, kann das am 20. Oktober in einem besonderen Rahmen tun. Dann veranstaltet Arnold Neumann im Mainzer Neustadt-Zentrum eine rauch- und alkoholfreie Party mit Contact Jam und Live-Musik von „The Love Keys“. Genauere Infos gibt es unter www.evolutionevents.de