Vor wenigen Monaten verließ nicht nur Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) auf ominöse Weise Mainz. Auch der Citymanager Jörg Hormann ist nach kurzer Zeit im Amt in den Taunus abgewandert. Nun wurde mit Dominique Liggins – schneller als erwartet – ein neuer Citymanager gefunden und auch die städtische Wirtschaftsförderung aufgestockt. Geht es aufwärts mit der „Einkaufsmetropole“ Mainz?
Ungünstige Handelszahlen
Die Veröffentlichung kam zur Unzeit. Gemeint ist der jüngste „Passantenfrequenzreport“ der BNB Paribas Real Estate. Die auf das Vermitteln von Gewerbeimmobilien spezialisierte Tochtergesellschaft der gleichnamigen französischen Großbank setzte Mainz auf Platz 55 ihres Rankings. Mitte Juli hatten die Tester des Unternehmens in der Top- Einkaufslage „Am Brand“ 4.000 Passanten pro Stunde gezählt (In der Schusterstraße waren es 3.314, in der Stadthausstraße 2.422). Im 100er- Feld der ausgewerteten Einkaufslagen in 27 Städten liegt die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt damit in der unteren Hälfte. Deutlich besser sogar Trier mit 5.604 Passanten/h. Auch wenn sich über die Untersuchungsmethode streiten lässt, für den Einzelhandel war es eine schlechte Nachricht. Der Report weiter: Mainz habe mit unterschiedlichen Vierteln und Fachgeschäften in den innerstädtischen Einkaufslagen zwar ein breites Spektrum für die Bedürfnisse unterschiedlicher Konsumenten. Aber: „Die Stadt könne immer noch nicht mit einem Aufwärtstrend bei der Zentralität punkten!“ Das klingt wieder einmal nach einer Kritik am umstrittenen Zentrenkonzept. Hier geht es darum, welcher Handel in der Innenstadt und welcher auf der grünen Wiese angesiedelt werden soll bzw. muss. Bisher gilt das Credo: Keine innerstädtische Konkurrenz im Außenbereich! Dabei gab es doch gerade so viel Positives zu berichten: Der Verein Mainz Citymanagement gab Anfang September bekannt, einen neuen Citymanager gefunden zu haben. Zudem informierte das Wirtschaftsdezernat Ende August über Simone Ritter als neue Leiterin der städtischen Wirtschaftsförderung. Alles für die Katz?
Bewegung im Zentrenkonzept?
Grundlegende Änderungen im Zentrenkonzept lehnt Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) ab. Hier war er sich mit seinem bisherigen Wirtschaftsdezernenten, Christopher Sitte (FDP), einig. Sittes Nachfolgerin, Manuela Matz, scheint zur Lockerung eher bereit: „Man sollte das Zentrenkonzept auf den Prüfstand stellen, ob es noch das geeignete Mittel ist, angesichts veränderter Rahmenbedingungen.“ Und auch OB-Kandidat Nino Haase fordert ein Umdenken. Jede Menge Brisanz im Thema – mehr Bewegung aber sicherlich erst nach der Oberbürgermeister-Wahl am 27. Oktober.
Der „König“ ist tot, es lebe der „König“
Brisant schien vor einem Jahr auch die Personalie Jörg Hormann. Der erste hauptamtliche Mainzer Citymanager – von allen Seiten wegen seiner konzeptionellen Arbeit gelobt – warf nach nur 18 Monaten das Handtuch; wohl eher aus privaten Gründen. Natürlich blieben Spekulationen nicht aus, dass er an der organisatorischen Konstellation gescheitert sei. Ganz auszuschließen ist dies wohl nicht. Hormann war bei der städtischen Mainzplus Citymarketing beschäftigt, arbeitete inhaltlich aber für die Vereine Mainz Citymanagement und die Werbegemeinschaft Mainz. Nach seinem Abgang war es überraschend, dass das Citymanagement künftig nicht mehr bei der Stadt, sondern zukünftig in den Händen dieser beiden Vereine liegen soll. Es stellten sich Fragen: Lässt sich die Stadt das Heft aus der Hand nehmen? Kann eine Vereinslösung auch finanziell etwas bewirken? Die Mainzer Wirtschaftsdezernentin Matz widerspricht: „Wir lassen uns nichts aus der Hand nehmen. Der Citymanager war immer beim Verein Mainz Citymanagement angesiedelt. Aus verwaltungstechnischen Gründen gab es bei Jörg Hormann eine Anbindung an Mainzplus, gleichwohl in enger Zusammenarbeit mit dem Verein.“ Sie freue sich jedenfalls auf enge Zusammenarbeit. Und auch die Vereine blicken optimistisch in die Zukunft, sind sie doch zudem durch diese Konstellation auch zu einer verstärkten Kooperation gezwungen, was ihre Schlagkräftigkeit vermutlich nur erhöhen kann.
Neue Ideen für den Handel?
Martin Lepold – Vorsitzender der Werbegemeinschaft Mainz – räumt ein, dass es vor zwanzig Jahren zwar noch leichter war, Gelder für Handelsaktionen locker zu machen. Doch Ex-Citymanager Hormann habe gezeigt, dass mit neuen Ideen Verkaufsimpulse entstehen können. Für Lepold ist der Citymanager in erster Linie Kümmerer und Moderator für derartige Aktionen – er kreiere sie und führe sie organisatorisch durch. Diese und andere Aufgaben obliegen nun dem neuen Citymanager Dominique Liggins. Vor kurzem wurde er von beiden Vereinen ausgewählt und trat noch im September sein Amt an. Geboren in Nierstein, lebt Liggins aktuell in Mainz-Gonsenheim. In Sachen Veranstaltungen und Tourismus kenne er sich aus: Bislang war der 38-Jährige selbstständig; zum einen mit einem Netzwerk für Hochzeitsdienstleister, außerdem als einer der Geschäftsführer einer Agentur für Tourismus im Luxussegment. Auch künftig will er sich dort, neben seiner Tätigkeit in der Innenstadt, weiter engagieren – allerdings in deutlich abgespecktem Umfang. Seit Mai ist er ferner Sportvorstand im ASC Theresianum Mainz. Liggins wird es auch mit Simone Ritter (31 Jahre) zu tun haben, der neuen Leiterin der Abteilung Wirtschafts- und Strukturförderung der Stadt. Die Wahlmainzerin Ritter besitze Know-how im IT-Sektor und „an der Schnittstelle zwischen freier Wirtschaft, Verwaltung und Politik“. Sie soll – laut Matz – auch „als Schnittstelle zum Citymanager fungieren“. Liggins muss keine gänzlich neuen Netzwerke für das Citymanagement aufbauen. Er wird die Strukturen erst einmal kennenlernen und soll sie dann möglichst mit innovativen Konzepten bespielen: „Eine perfekte Stadt gibt es nicht. Etwas ändern kann man immer“, sagt er. Mainz habe sich sehr ins Positive entwickelt. Besucher seien immer sofort von der Stadt begeistert, beschrieben sie als lebens- und liebenswert. Er wolle nun bei den Geschäftsleuten und anderen Beteiligten erfragen, was ihnen auf der Seele brenne und einen Ideenkatalog entwickeln. Zunächst gehe es auch darum, das betont Anja Obermann, Vorsitzende von Mainz Citymanagement, die laufenden Projekte fortzuführen. Dazu zähle unter anderem, die verkaufsoffenen Sonntage weiterzuentwickeln oder das Thema Parken im Auge zu behalten: „Der neue Citymanager soll ein klarer Interessensvertreter der Innenstadtakteure sein.“
Keine eierlegende Wollmichsau
Von Stadt zu Stadt sind die Anforderungen an Citymanager verschieden. Als wichtig wird die Fähigkeit erachtet, interdisziplinär zu arbeiten und zu denken. Ein Citymanager sei Vermittler und Impulsgeber in einer Person. „Doch er ist keine eierlegende Wollmilchsau, der im Handstreich angestaute Probleme der Vergangenheit löst“, sagt Mario Mensing, früher selbst Citymanager in Lübeck. Er kann den Wunsch der Wirtschaft nachvollziehen, an der Stadtplanung und -entwicklung beteiligt zu sein. Sichtbar ist dies in Mainz auch, weil die Industrie- und Handelskammer Rheinhessen eigene Vorschläge u.a. zum „Zentrenkonzept“ unterbreitete. Hatte die IHK auch beim neuen Citymanager die Finger mit im Spiel? Martin Lepold verneint dies. Die neue Konstruktion sei eine gemeinsame Idee von Citymanagement und Werbegemeinschaft. Die Werbegemeinschaft stellt Büro und Infrastruktur, das Citymanagement ist der offizielle Arbeitgeber.
Woher das Geld für den Job?
Jährlich stünden insgesamt 60.000 Euro zur Verfügung. Zum Vergleich: Hormann hatte noch nicht einmal 20.000 Euro als Jahresgehalt. Aus Sicht der Werbegemeinschaft sei das Citymanager-Budget damit „langfristig gesichert“. Vorausgesetzt, die Mitgliederzahlen in beiden Vereinen sinken nicht dramatisch. Die Werbegemeinschaft hat rund 90 Mitglieder, Mainz Citymanagement 170. Jeder der Vereine entscheide in seiner Mitgliederversammlung über die Budgethöhe. „Dabei stimmen wir die finanziellen Mittel aufeinander ab“, so Lepold. „Am Ende des Tages sollen unsere Veranstaltungen weitgehend bei null aufgehen.“ Anja Obermann und Lepold sind überzeugt, mit dieser Lösung und mit Liggins die beste Konstellation für Mainz gefunden zu haben: „Wir sind sehr optimistisch, dass er der richtige Mann für die Innenstadt ist!“, sagte Obermann bei der Vorstellung des Neuen.
Mainzer Lösung ungewöhnlich
Bisweilen scheint dennoch der Eindruck, dass Definitionen durcheinandergebracht werden. Citymarketing/- management konzentriert sich räumlich auf die Innenstadt, sprich: das Einkaufszentrum einer Stadt. Stadtmarketing wiederum gilt als Dachstrategie für die Stadt. So sagt es Jürgen Block (Geschäftsführer der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland). Er sieht im aktuellen Modell „eine eher ungewöhnliche Lösung“. Seiner Meinung nach sei die Zusammenarbeit mit Einzelhändlern „sehr aufwendig“: „Sie fordern viel und am Ende genügt ihre Bereitschaft, eigene Beiträge zu leisten, oftmals nicht den gestellten Ansprüchen.“ Anspruch ist vielleicht das wichtigste Wort in diesem Zusammenhang. Denn nicht nur die Ansprüche der beteiligten Akteure sind unterschiedlich, auch die der Bürger, des Handels, der Konsumenten. Sie haben sich im 21. Jahrhundert gravierend gewandelt. Diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen wird auch eine der Aufgaben des künftigen Citymanagers sein. Viele Herausforderungen also für den Neuen.
Hermann-Josef Berg
Fotos: Stephan Dinges