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Ausgespäht – Videoüberwachung in Mainz

kameras
von Florian Barz

Ihr Nasepopler und „Mal-eben-Tinder- Gucker“: Ihr werdet beobachtet! Die Innenstadt ist in Wahrheit eine Bühne, eingefangen von unzähligen Kameras. Das veranschaulicht derzeit eine Übersicht des Datenschutz-Projekts „Surveillance under Surveillance“ (siehe Grafik). Das Projekt sammelt alle bekannten Überwachungskameras auf einer interaktiven Landkarte. In Mainz sind bereits 140 Kameras verzeichnet, Tendenz steigend.

So gibt es allein im und um den Bahnhof 16 fest installierte Systeme. In Bussen und Bahnen laufen ebenfalls Aufnahmen mit. Auch die Synagoge steht rund um die Uhr unter Beobachtung und 17 Kameras überwachen das Areal rund um das Amtsgericht und die Ministerien, drei davon den Landtag. Wer in der Ernst-Ludwig-Straße wohnt, steht also unter Dauerbeobachtung. Die meisten Kameras gehören aber entgegen verbreiteter Meinung gar nicht Vater Staat, sondern Supermärkten, Banken und Kaufhäusern, ja sogar Dönerläden:  „95 Prozent der Videoüberwachung kommt von privater oder gewerblicher Seite“, schätzt Jurist Stefan Brink, Mitarbeiter des Landesbeauftragten für den Datenschutz. Inhaber filmen nicht nur in ihren Räumlichkeiten, sondern auch großflächig den Bereich vor ihrem Eingang, auch um Kriminalität vorzubeugen.

Illegales Filmen

Längst nicht alle Kamera-Betreiber halten sich jedoch an die Datenschutzbestimmungen: „Kameras müssen einen bestimmten Zweck erfüllen“, erklärt Brink.  „Kunden, Mitarbeiter oder Passanten aufzunehmen oder gar zu verfolgen dient nicht der Diebstahlprävention, ist also nicht erlaubt.“ Die Arglosigkeit einiger Betreiber macht ihn manchmal fassungslos. Die Mainzer Filiale einer bekannten Modekette etwa, die Live-Bilder aus der Damenabteilung zeigt; ein grober Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte.

„Es geht niemanden etwas an, wer da mit wem was einkaufen geht“, sagt Brink und nennt weitere Beispiele: Apotheken, die Kunden bei ihrem Einkauf filmen und dabei sensible Daten aufnehmen oder Clubs, die das Partyvolk auf der Tanzfläche filmen. „Wenn es zu Übergriffen oder Schlägereien kommt, muss der Inhaber eben mehr Personal einsetzen“, sagt Brink. Es gibt jedoch Ausnahme-Reglungen. Doch wer sich bei illegaler Videoüberwachung erwischen lässt, muss unter Umständen blechen. 300.000 Euro Bußgeld pro Kamera sind keine Seltenheit.

Mehr Beschwerden

Doch nicht nur Geschäfte rüsten nach, immer mehr Privatleute installieren Kameras an ihren Häusern oder Wohnungen, um Vandalismus vorzubeugen. Grundsätzlich keine schlechte Idee, aber die Kameras müssen so ausgerichtet sein, dass sie keine Nachbarn oder Passanten aufnehmen. Denn dadurch fühlen sich immer mehr Bürger belästigt. 800 Beschwerden gab es 2015 wegen störender Videoüberwachung in Rheinland-Pfalz, ein Drittel davon betraf die Überwachung im privaten Raum. Brink und seine Kollegen gehen jeder Beschwerde nach.

Meist sind die Betreiber einsichtig und ändern den Blickwinkel ihrer Kameras. Auch bei der Aufzeichnungsdauer gibt es Richtlinien. Die ergibt sich aus dem Zweck der Überwachung: „Wenn mein Auto mehrfach in der Nacht zerkratzt wurde, kann ich eine Kamera aufstellen, um den Tätern auf die Spur zu kommen. Nach dem Aufstehen haben die Aufzeichnungen aber ihren Zweck erfüllt und müssen gelöscht werden. Spätestens nach 48 Stunden.“

12 für 200.000

Also alles gesetzlich geregelt in Deutschland und problemfrei? Eher nicht. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz überwacht 200.000 Betriebe in Rheinland-Pfalz – mit gerade 12 Mitarbeitern. Schon jetzt kommen Brink und seine Kollegen den Beschwerden kaum hinterher. Für unangemeldete Kontrollen bleibt kaum Zeit. Gleichzeitig werden die Möglichkeiten der Überwachung immer erschreckender: Die Kameras werden kleiner und präziser, während die Speicherkapazität ins Unendliche wächst.

Wer was filmt und was mit den Daten passiert, bleibt oft im Dunkeln. Manche Einkaufszentren setzen bereits Gesichtserkennungs-Software ein, um Kunden bei ihren Einkäufen zu beobachten: wofür interessiert er sich, wie viel verdient er, wie viel Zeit wird im Kaufhaus verbracht? In ein paar Jahren betreten wir dann vielleicht einen Modeladen, die Verkäufer grüßen einem beim Namen, fragen nach den Kindern und haben schon die passende Hose parat. Was im Netz teilweise schon funktioniert, dann auch in Realität? Big Brother is watching.

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Eine neue interaktive Karte im Netz dokumentiert sämtliche Video-Überwachungen in ganz Deutschland, hier in Mainz. https://kamba4.crux.uberspace.de/