Äußerlich leuchtet das barock verspielte historische Deutschhaus am Rhein in einem satten dunklen Rot-Ton. „Wenn man durch die Pforte eintritt, ist man in einer anderen Welt“, findet Landtagspräsident Hendrik Hering. Nachdem das Deutschhaus im Zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstört wurde, war es 1951 nach nur 153 Tagen wiedererrichtet worden. Erbaut wurde das Gebäude für den Mainzer Erzbischof und Kurfürsten Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg. Als Hochmeister des Deutschen Ordens ließ er eine seinem Stand angemessene Repräsentationsstätte errichten. Zwischen 1729 und 1740 entstand so der Barockbau, der bis heute Deutschhaus genannt wird.
Kostensteigerungen
Fehlender Brandschutz, technische Unzulänglichkeiten, keine Barrierefreiheit und zu wenig Platz für die rund 30.000 Besucher pro Jahr hatten die Sanierung notwendig gemacht. Der schlechte Zustand der Fassade, der Fund antiker Münzen, der nahe Rhein, Baukostensteigerungen von fast 18 Prozent und nicht zuletzt die Corona-Pandemie haben die Sanierung in die Länge gezogen, wie Hering und der Ludwigshafener Architekt Linus Hofrichter berichten. So kletterten die ursprünglich angenommenen Kosten von rund 55 Mio. Euro für Bau, Nebenkosten und die Einrichtung auf 73 Mio. Euro.
Kriechgang entdeckt
Ein bis dahin unbekannter Kriechgang zwischen den beiden Kavaliersgebäuden vor dem Deutschhaus hatte dann die letzte Verzögerung verursacht: Das Gewölbe musste abgesichert werden, bevor das Fundament für das Tor gegossen werden konnte. In dem Gebäude von 1740 tagte einst die frei gewählte Mainzer Republik: Der kurzlebige Freistaat (von März bis Juli 1793) gilt als erste Demokratie auf deutschem Boden.
Modernste Technik
Bis zu 100 Handwerker und Bauleute aus 30 bis 40 Gewerken arbeiteten auf der Baustelle. Modernste Medientechnik wurde im Inneren installiert, mehr als 13 Kilometer Kabel verlegt. Der neue Plenarsaal und die angrenzenden Räume sind jetzt hell und modern – bis auf das Dach und die Außenwände ist hier alles neu. Architekt Hofrichter spricht sogar von einem der schönsten Landtagsgebäude in Deutschland. Der neue Plenarsaal hat eine neue hochauflösende Medienwand bekommen – vier mal zwei Meter. Er ist 150 qm größer als sein Vorgänger. Fast 100 Besucher können nun die Debatten verfolgen. Es ist auch der einzige Raum, in dem Teppichboden verlegt wurde. Ansonsten bedecken Natursteinplatten die Böden. Die Balustrade der Presse- und Zuschauertribüne ist aus Glas und gewährt einen guten Blick auf das Parlamentsgeschehen. Neu sind auch die Barrierefreiheit und die Sicherheitsschleuse am Haupteingang.
Eiche, Sandstein, Muschelkalk
Architekt Hofrichter hat im Inneren vor allem auf vier Materialien gesetzt: helle Eiche, Sandstein, recycelte Aluminiumrahmen in Beige-Metallic und für die Böden grauer Muschelkalk. Dazu kommt viel Glas – auch auf der Balustrade des Plenarsaals. Eine Würdigung der Historie des Gebäudes, gepaart mit modernem Arbeiten, ohne protzig zu sein, so Hofrichter. „Das ist eine Architektur, die einen 30, 40 Jahre begleiten kann.“ Die Sanierung passe zu den bodenständigen und selbstbewussten Rheinland- Pfälzern, meint Hering.
Erste Sitzung Ende September
Die restaurierte Hambacher Fahne wurde am 1. September in die Vitrine im Plenarsaal gebracht, ebenso wie eine byzantinische Münze, die bei den Bauarbeiten des Restaurants gefunden wurde. Am 8. September ist der Festakt geplant, am selben Tag soll auch das Kunstwerk vor dem Gebäude von Michael Sailstorfer stehen: die Deutschland-Fahne dreigeteilt – Stoffbahnen in Schwarz, Rot und Gold werden dafür in große Messingrahmen aufgehängt. Das Parlament soll in seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause (22. und 23. September) erstmals in dem Gebäude tagen. Bis dahin seien viele Abgeordnete vollständig geimpft, und die neue Lüftungsanlage hilfreich. Vorstellbar sei aber auch, ohne Besucher zu tagen und deren Plätze für die Abgeordneten zu nutzen.
Restaurant für Besucher
Im neuen Restaurant am Landtag mit Rhein-Blick – das alte kleinere Restaurant wurde abgerissen – haben jetzt bis zu 250 Menschen Platz, dazu kommen zwei kleine Bankett-Säle. Auf der Außenterrasse können noch einmal fast 100 Menschen bewirtet werden. Die Glastüren zum Hof lassen sich öffnen und bieten einen Blick auf das Kunstwerk von Sailstorfer auf dem Platz der Mainzer Republik.
Kritik vom Bund der Steuerzahler
Der Bund der Steuerzahler in Rheinland-Pfalz hat bereits die früheren Kostensteigerungen bei dem Projekt scharf kritisiert: „Schon in unserem Schwarzbuch hatten wir prophezeit, dass die Grenze von 70 Mio. Euro geknackt werden würde“, kommentiert Geschäftsführer René Quante die Zahlen. Das Land bleibe damit seiner Salami-Taktik bei der schrittweisen Kostenerhöhung treu. „Einen Kostendeckel hatte der Landtag wiederholt mehrheitlich abgelehnt – offenbar wusste man schon, wieso“, so Quante.