Interview: David Gutsche, Foto: Ramon Haindl
Wie sieht eigentlich so ein Klosteralltag aus?
Wir haben drei Gebetszeiten angefangen mit dem Morgengebet um 7.30 Uhr. Dann wird gefrühstückt und danach hat jeder Bruder seine Aufgaben. Unsere Studenten müssen zur Uni, ich zum Beispiel in die Pfarrei zur Seelsorge, Vorbereitung auf Predigten etc. und die anderen Brüder sind auch zumeist bei der Seelsorge im Gefängnis, Krankenhaus usw.
Mittags trifft man sich wieder zum Mittagsgebet um 12 Uhr, danach gibt es Mittagessen. Nachmittags haben wir weitere Aufgaben in der Pfarrei, zum Beispiel Beichtgespräche. Um 18 Uhr findet dann die Abendmesse statt und danach die Vesper, also das Abschlussgebet am Abend. Danach haben wir noch Termine, Sitzungen, Vorträge, Veranstaltungen oder auch mal Freizeit. Zwischen den Terminen gibt es immer wieder Gelegenheit, sich auch als Gemeinschaft zu treffen, zu unterhalten und so das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Wir sind aktuell 16 Brüder, davon neun Studenten und sieben Patres zwischen 20 und 80 Jahren.
Was kennzeichnet das Leben als Mönch?
Zeit für sich und Gott zu haben ist unsere entscheidende Kraftquelle. Dafür sind die Gebetszeiten wichtig. Und andererseits möchte man auch Zeit und ein offenes Ohr für die Menschen haben, gerade im Bereich der Seelsorge. Das Ganze ist eingebettet in unsere Gemeinschaft. Wir sind auch ein sehr demokratischer Orden. Wichtige Entscheidungen werden stets gemeinsam gefällt.
Die kath. Kirche ist nicht ganz so demokratisch organisiert. Würde es ihr gut tun, mehr von den Dominikanern zu haben?
Das täte ihr sicherlich gut. Mehr Gemeinschaftssinn und das Unter-den-Menschen-leben. Das Prinzip des demokratischen Miteinanders ist nicht nur etwas auf dem Papier, sondern auch eine Frage der Haltung. Man muss es wirklich leben und einen Sinn dafür haben, sich auch einmal zurücknehmen, abgeben können und Grenzen respektieren.
Gibt es neben dem Katholizismus Offenheit für andere Religionen?
Wir sind sehr offen gegenüber Nicht-Katholiken als Besucher und Gäste der Veranstaltungen. Und ein Mitbruder promoviert zum Beispiel in Islamwissenschaften. Ich finde, dass wir vieles gemeinsam haben. Wir sollten nicht ausgrenzen, sondern jeden respektieren und in seinem Denken und seiner Religiosität schätzen. Ich erlebe auch immer wieder Jugendliche, die sagen: „Ich bin nicht katholisch, aber ich habe mal eine Frage dazu…“, und das ist schön, da spüre ich, dass sie offener sind in den Fragen nach Gott, Religion und Spiritualität im Allgemeinen. Seit einiger Zeit gibt es bei uns auch einen Kreis junger Erwachsener und Studenten, die neue Ideen einbringen. Man muss den jungen Menschen ihre Freiheit lassen und sie vor allem auch ernst nehmen.
Den Dominikanern geht es auch um Gerechtigkeit in der Welt. Wie setzen Sie das im Alltag um?
Wir fragen uns zum Beispiel: „Wie gehen wir mit dem, was wir haben, selbst um? Oder wo kaufen wir ein?“ Thema Fair Trade, regional und Bio also. Auch da schauen wir im Alltag, dass man möglichst den besten Weg geht. Wir setzen uns aber auch mit globalen Themen auseinander, zum Beispiel bei der Pussy Riot-Bewegung lasen wir deren Texte in der Kirche, oder beschäftigen uns auch mit der Rolle der Frau in unserer Gesellschaft.
Mensch
Woran krankt der Mensch, was fehlt der Gesellschaft?
Was uns besonders fehlt, ist Solidarität. Wir sind etwas zu sehr eine Ellbogen-Gesellschaft geworden. Da würde ich mir wünschen, dass man das Miteinander mehr fördert, als sich selbst nur um sein eigenes Wohlergehen, die Karriere und Finanzen zu sorgen. Gerade als Ordensmann sehe ich, dass man auch mit Wenigem auskommen kann, dass Besitz nicht alles ist. Ich habe den Eindruck, dass wir da auch politisch mit den christlichen Parteien nicht auf dem besten Weg sind.
Was bedeutet Glück für Sie?
Glück bedeutet für mich das, was mir geschenkt wird. Familie, Freundschaften und andere Menschen, auf die ich mich verlassen kann, das ist für mich Glück. Selbstverständlich sind für mich auch der Glaube und das Ordensleben ein Teil davon. Früher hat man gesagt: „Die Glückseligkeit ist im Himmel“. Das klingt zwar hochtrabend, aber ist sicherlich auch ein Teil davon. Glück bedeutet auch, sich über kleine Dinge zu freuen. Und Glück hat auch etwas mit Dankbarkeit zu tun.
Was sind Ihre sonstigen Interessen?
Musik, Ballett, die Natur. Ich war auch lange Pfadfinder. Und ein gewisses Interesse fürs Thema Bauen habe ich. Etwas Gestalterisches, Kreatives. Das war mein erster Berufswunsch.
Wie halten Sie es mit dem Zölibat?
Wir leben den Zölibat, denn zu unserer Lebensform gehören die so genannten Gelübde der Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam. Das ist eine freiwillige Entscheidung für diese Lebensform. Selbst wenn die Kirche entscheiden würde, das Zölibat abzuschaffen, würde sich bei uns nichts ändern, weil wir uns freiwillig für diese Bedingungen entschieden haben. Statt Ehelosigkeit kann man es auch Keuschheit nennen. Es gibt da die Zeit, in der man sich an den Orden bindet, das sind um die fünf oder sechs Jahre, das ist auch die Zeit des Kennenlernens. Und da stellt man sich die Frage: „Kann ich so leben? Will ich so leben?“ Und das ist sehr verantwortlich, weil es die freiwillige Entscheidung jedes Menschen sein sollte, zu schauen, wie er leben kann und wie er seine Verbindung zu Gott leben will. Das muss jeder selbst für sich entscheiden. Und auch hier kann das Leben in der Gemeinschaft eine gute Stütze sein. So sollte man vielleicht vor dem Ordensleben schon einmal eine Freundin gehabt und diese Erfahrungen gemacht haben, damit man weiß, dass das etwas Gutes ist und damit man sich dann hinterher nicht vor der Welt oder den Frauen fürchten muss.
Wann haben Sie das letzte Mal gesündigt?
Ich sündige jeden Tag. Doch oft sind einem manche Dinge gar nicht bewusst. Wenn man mal nicht achtsam genug ist, zum Beispiel nicht richtig zuhört, sich für einige Dinge zu wenig Zeit nimmt oder sich egoistisch verhält – oder wenn man mal über eine rote Ampel läuft oder auch mal ein Glas zu viel trinkt. Aber ist das alles Sünde?