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Wohnen: Lydia und Mario Dechent in ihrer Saulheimer Hofreite

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Text Ulla Grall   Fotos Frauke Bönsch

„Vor dreißig Jahren haben wir gekauft. Wir hatten einfach einen Blick für alte Häuser“. erzählt Lydia Thörle-Dechent und ihr Mann Mario nickt. Was heute als Schmuckstück dasteht, war damals jedoch ziemlich heruntergekommen. „Nur dass es sich um ein Fachwerkhaus handelt, das konnte man sehen“, holt das Paar sein Fotoalbum vor …

Renovierung als Abenteuer

„Der Umbau wurde zu einem Abenteuer, wie wir es uns nicht vorgestellt hatten.“ Beide blättern durch die Bilder: Kaputte Fußboden-Dielen, an den Deckenbalken noch heute die Spuren des Hausbocks. Mario lacht: „Wir haben damals viel selbst gemacht. Sogar den Lehm für die Gefache haben wir ausgegraben. Mein Vater und Großvater haben uns dabei geholfen, beide sehr gute Handwerker.“ Vier Jahre dauerte die erste Phase der Renovierung. In dieser Zeit kamen auch zwei ihrer drei Söhne zur Welt. Alte Fotos zeigen Tobias, den Ältesten, im Kinderwagen auf der Baustelle; später mit seinem kleinen Bruder Simon im Hof, das Haus immer noch mit Gerüst. „Dann sind wir eingezogen. Das Dach kam erst danach dran“.

Überraschender Lohn

Ein geschnitzter Balken fand sich am Hintergebäude. Er gehörte zu einer Synagoge und ist auf 1619 datiert. Farbig gefasst wie ehedem, wurde er an der Hausecke originalgetreu restauriert. „Ziemlich zu Beginn der Arbeiten wurde das Haus unter Denkmalschutz gestellt“, berichtet der Hausherr, „anfangs gab es noch Zuschüsse. Aber später dann…“ Für Entdeckungen war das historische Gemäuer jedoch weiterhin gut: Im Keller fand das Paar unter dem Gewölbe ein zweites mit Wasserbecken. „Vermutlich eine Mikwe, ein jüdisches Ritualbad“, sagt Dechent. Eine dicke Glasplatte im Boden gewährt einen Blick in die Tiefe. Dazu kam noch ein Brunnen im vorderen Kellerteil, sieben Meter tief, gefüllt mit klarstem Wasser! Der ist nun auch mit einer Glasplatte bedeckt. Stolz präsentiert Mario diese und andere Funde, die er zu Tage förderte: „Hier ein Topf aus dem 16. und da ein Becher aus dem 13. Jahrhundert.“ Viele Fundstücke stellten sie dem lokalen Heimatmuseum zur Verfügung.

Klein und fein beim Hobbywinzer

Die Keller dienen nun als Weinprobierraum. Denn neben seinem Hauptberuf in der Forschung und Entwicklung in der Getränke-Industrie, ist Mario als Hobbywinzer tätig: „Um eine Familie zu ernähren, ist der Weinbau aber zu klein.“ Die beiden erwachsenen Söhne gehen anderen Berufen nach. Jonas, der Jüngste, ist 18 Jahre und macht gerade Abitur. Wenn er Zeit hat, hilft er gerne im Betrieb. „Den Weinbau haben wir vom Opa übernommen, seinerzeit ebenfalls Nebenerwerbs-Winzer.“ Lydia stammt aus einem landwirtschaftlichen Gemischtbetrieb: „Ich habe von Kind an erlebt, wie es in der Landwirtschaft zugeht.“ Neben dem großelterlichen Haus, in dem das Paar während der Renovierungszeit lebte, wurde eine Halle errichtet: „Das Hauptlager.“ Hier stehen Barriquefässer im Keller, in denen ihre Rotweine die typische „Holznote“ entwickeln, sowie kleine Edelstahltanks für die Weißweine. Aus einem der Fässer zieht Mario einen Portugieser – ungewöhnlich dunkel und sehr aromatisch. Aus dem Fass daneben kommt sein „High-End-Spätburgunder“ – „ein Wein, den man kauen kann!“ Ihre Spezialitäten sind jedoch Burgunder, Silvaner und Sauvignon blanc: „In diese Rebsorten haben wir uns verliebt.“

Wohn- und Lebensraum in Haus und Hof

Das alte Fachwerkhaus ist ein gemütlicher Ort. Der einladende Flur empfängt den Besucher und der Blick schweift zuerst die schöne Holztreppe hinauf. In der großzügigen Küche steht ein Kachelofen, der das ganze Haus erwärmt und im Winter die Heizung ergänzt. Bank und Tisch in der Essecke sind auf Maß gefertigt. Eine riesige Truhe ersetzt die Speisekammer – „für Vorräte und so“, erklärt die Hausfrau. Die überflüssigen Nebengebäude wurden abgerissen und die neu entstandenen Freiflächen mit Kopfstein gepflastert. So entstand ein begrünter Wohn- und Lebensraum, in dem zu festlichen Anlässen Tische und Bänke aufgestellt werden. Die alte Scheune blieb erhalten und schließt das Hofgeviert stimmig ab. Das grüne Hoftor, weinumrankt, ist aus Ulmenholz. „Ein alter Wagner und Zimmermann hat es damals restauriert.“ Nun ist es erneut reparaturbedürftig. An so einem alten Anwesen ist immer was zu tun. „Viele bleiben stehen und sagen `Oh, wie schön´“, sagt Lydia, „aber ein solches Haus zu bewohnen hat auch Nachteile“, und sie weist auf die Fenster: „Wenn nicht grade strahlender Sonnenschein herrscht, kommt man ohne Lampe nicht aus. Wir haben zwar ein tolles Raumklima, aber insgesamt ist es pflegeaufwändiger als ein Neubau.“ Doch würden es die beiden gewiss nicht gegen ein Neues tauschen wollen, denn Zweierlei haben sie gemeinsam: Die Liebe zum alten Gemäuer und zu trockenen Weinen!

www.weingut-dechent.de