von Helena Eichmann
Fotos Jonas Otte
Viele kennen die Mainzer Zitadelle vom Open Ohr Festival, von Theateraufführungen oder Konzerten. Unter der Woche arbeiten hier Beschäftigte der Stadt Mainz wie etwa das Kulturdezernat oder das Bauamt. Welche Geschichte steckt aber hinter den Mauern dieses mächtigen Festungswerks? Eine Spurensuche.
Militär und Kirche. Das kann nicht gut gehen. Und genau so ergab es sich auf dem Gelände, das wir heute „Zitadelle“ nennen. Entsprechend mehrerer Quellen gründet der Mainzer Erzbischof Bardo 1050 auf dem Jakobsberg – dem Gelände der heutigen Zitadelle – ein Benediktinerkloster. Das Areal ist auch bekannt für seinen Weinanbau. Auf der großen Wiese, auf der heute Aufführungen stattfinden, steht damals Rebe an Rebe und auch heute noch befindet sich vor dem Haupteingang der so genannte „Prominentenweinberg“, angelegt 2007 vom Mainzer Weinsenat zur Vermarktung des regionalen Weins durch prominente Pflanzer wie etwa Kardinal Lehmann oder Ex-ZDF Intendant Markus Schächter.
Zerstörung nach 100 Jahren
Das Benediktinerkloster währt jedoch nicht allzu lange. Erzbischof Arnold von Seelenhofen – von Mainzer Bürgern gejagt (wir berichteten) – flieht in das Kloster, wird am Johannistag 1160 ermordet und das Klostergebäude niedergebrannt. Dabei wird auch der Weinberg zerstört. Der Wiederaufbau folgt 16 Jahre später. Geostrategisch rückt die Zitadelle über die Zeit jedoch in eine ungünstige Position. Potenzielle Feinde gibt es viele. So wird klar, dass die Anlage eventuellen Angriffen nicht standhalten kann und so als Portal eine Schwachstelle für die gesamte Stadt darstellt. Eine Lösung muss her. Unter der Leitung von Domkapitular Adolph von Waldenburg reisen Festungsbauer aus Italien nach Mainz und legen eine Anlage mit Erdwällen an – die „Schweikhardsburg“ – benannt nach dem Bauherrn und Kurfürsten Johann Schweikhard von Kronberg. Die Erdwälle sind billig in der Anschaffung, schnell zu reparieren und halten Angriffen mit Kanonenkugeln stand. Zahlreiche Weinberge und Ackerland gehen dem Kloster jedoch durch die Befestigung verloren.
Während des 30-jährigen Krieges (1618-1648) wird die Zitadelle weiter ausgebaut, auch durch die schwedische Besatzung unter König Gustav Adolf. Schon hier beginnt die Koexistenz von Kloster und Militär auf dem Jakobsberg, die bis 1794 anhält. Während des Krieges wird Abt und Konvent zeitweise sogar komplett aus der Anlage ausgewiesen.
Befestigung und Niedergang
Um Mainz nach dem Krieg sicherer zu machen, lässt Kurfürst Johann Philipp von Schönborn 1655 die Stadt mit Bastionen nach französischer Bauart umwallen. So entstehen viereckige Zitadellen, wie wir sie heute kennen. Sie ermöglichen einen umfassenden Überblick und vermeiden tote Winkel. Der Begriff „Zitadelle“ kommt aus dem Italienischen „cittadella“, was „kleine Stadt“ bedeutet. Eine Zitadelle ist also eine Festung oder ein fester Platz, der besonders geschützt ist. Im Falle eines Angriffs soll sich die Garnison auf die Zitadelle zurückziehen können. Von Schönborn lässt 1660 auch das der Stadt zugewandte Haupttor auf der Zitadelle anlegen. Auffallend daran ist heute noch die einknickende Hofeinfahrt, die einen Angriff von außen erschweren soll. In der Mitte ließ von Schönborn ein so genanntes „Mordloch“ angelegen, aus dem heißes Pech geschüttet werden konnte. Da das dem Kurfürsten jedoch zu teuer ist, ordnet er an, über ungebetene Besucher einfach die Latrine zu entleeren.
So sicher sich Mainz jedoch auch wähnt, gegen die Franzosen konnten wir nichts ausrichten und so fällt das Kloster 1793 der Belagerung zum Opfer und wird einschließlich Kirche zerstört. Als einzige Klosterbauten bleibt der so genannte Abts- und Fremdenbau erhalten, der später als Lazarett und Kaserne genutzt wird. Die Geschichte des Klosters auf dem Jakobsberg endet 1794, als der Konvent aus Angst vor einer weiteren Zerstörung des Klosters auf einen Wiederaufbau der Gebäude verzichtet und den Umzug in das leer stehende Altmünsterkloster betreibt. Die Klostergemeinschaft des ehemaligen Jakobsbergklosters wird endgültig 1802 im Rahmen der Säkularisierung aufgehoben.
1816 wird Mainz Festung des Deutschen Bundes. Preußen und Österreicher beziehen die Zitadelle und nutzen sie als Kaserne. Die militärische Geschichte der Zitadelle endet schließlich mit dem Friedensvertrag von Versailles 1919. Nur während des Zweiten Weltkrieges finden noch viele Mainzer in den unterirdischen Gängen der Bastion Drusus Schutz vor Luftangriffen. Und nach dem Zweiten Weltkrieg bis einschließlich 1955 ist die Zitadelle Hauptquartier der französischen Besatzer. Die Tunnel und Gänge können heute noch besichtigt werden auf Führungen der Initiative Zitadelle Mainz. Interessierte erwartet im September zudem ein kulturelles und kulinarisches Programm auf dem Zitadellenfest.
Zitadellenfest am 9. September
10 bis 18 Uhr