Sie ist der Kopf des Mainzer Tanzraums und das seit mittlerweile über 40 Jahren. Christiane Reitz leitet seit 1981 die Tanzschule für Jazz-, Modern-, Hip-Hop-, zeitgenössischen Tanz und Tanzerziehung – und das aus voller Überzeugung und wie am ersten Tag: „Mein Beruf ist für mich nicht nur ein Job, es ist eine Berufung.“ Doch nun stehen Änderungen an…
2021 stand das 40-jährige Firmenjubiläum an, das groß gefeiert wurde in den Räumlichkeiten in der Wallaustraße (Neustadt). Dabei hatte Christiane Reitz mit Anfang 20 eigentlich andere Pläne und studierte Englisch und Kunsterziehung auf Lehramt. Als Tochter einer Unternehmerfamilie wollte sie vor allem eines nicht: selbstständig werden. „Ich habe es bei meinen Eltern erlebt, welch Einsatz und Risiko so eine Selbstständigkeit mit sich bringt, und dachte immer, dass dies nicht mein Weg sein würde.“
Die weite Welt
In ihrer Freizeit tanzte Christiane leidenschaftlich gern und nahm Unterricht. Auch sie selbst fand schon früh Spaß daran, Unterricht zu geben und hält erste Klassen in Mainz und Wiesbaden. Mit 25 Jahren beendet sie das Studium, findet jedoch noch keine passende Stelle. So entscheidet sie sich wieder für den Tanz und geht 1980 für einige Zeit nach New York, wo sie Unterricht an Schulen wie „Alvin Ailey“ oder dem Broadway Dance-Center nimmt: „Diese Zeit war unbeschreiblich. Ich war auch später noch viel in NY für Fortbildungen, und in meinem Training findet sich vieles wieder, was mich damals geprägt hat.“
Aufbruchstimmung
Zurück in Deutschland eröffnet Christiane zusammen mit Dörte Wessel-Therhorn am 1. September 1981 schließlich den „Tanzraum“: „Damit landeten wir den Stich ins Wespennest. Für das Tanzen gab es damals eine große Aufbruchstimmung. Die Menschen konzentrierten sich mehr auf ihren Körper und legten Wert auf Gesundheit und Fitness.“ Anfangs war die Freizeit rar gesät, aber: „Die Schule wachsen zu sehen, machte unglaublich viel Freude – ein stringentes Training gepaart mit Freiraum, den Körper zu fühlen und sich selbst Zeit zu geben, die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln: Das war und ist die Botschaft an unsere Schüler. Wenn sie dann in ihrem Bewusstsein den Tanz erleben und spüren, dass sie das für sich und für sonst niemanden machen, dann haben wir erreicht, was wir wollen.“ Schon immer legte Christiane viel Wert auf den Austausch mit Menschen aus anderen Ländern und Kulturen. Regelmäßig gaben Gäste aus aller Welt Unterricht im Tanzraum, und somit kamen Strömungen von überall her mit rein. Dazu kommt das Private, Herzliche, Offene, die besondere Atmosphäre – die Chefin hat für alles und jeden ein Ohr. An der Kaffeebar wird sich ausgetauscht, und die Kinder bekommen am Tag vor den Ferien ein Eis. Viele von ihnen bleiben lange dabei.
Der Übergang
41 Jahre führt Christiane den Tanzraum nun gemeinsam mit ihrem zwölfköpfigen Team. Doch jetzt ist für die 67-Jährige Zeit für einen Wechsel: „Ich bin stolz auf mein Lehrerteam. Aber es ist an der Zeit, etwas Neues zu machen.“ Christiane übergibt nun den Staffelstab weiter an Cornelius Mickel, seines Zeichens Tänzer am Staatstheater und mit seiner Frau Sandra Guénin seit geraumer Zeit auch Tanzlehrer im Tanzraum. Ein kompletter Abschied wird es für Christiane jedoch nicht: Cornelius wird nach und nach eingearbeitet und ist zunächst als Assistent fest angestellt, so dass er auch weiter noch am Staatstheater tanzen wird. „Schritt für Schritt“ möchte Christiane sich zurückziehen: „Wie ein Zahnrad“, sagt sie und ist selbst gespannt, wie ihr das gelingen wird. Auch einige Kinderklassen wird sie noch behalten, doch: „Die Ära Christiane ist vorbei und die Ära Cornelius beginnt nun.“ Was sie mit der freien Zeit anstellt, überlegt sie noch: „Ich werde meine Tochter in München besuchen und auch mal den Zug nach Paris nehmen oder ein Wochenende nach Holland fahren … Wenn’s mir langweilig wird, werde ich schon was finden. Ich freue mich jedenfalls auf diese Zeit mit weniger Druck.“
Pläne und Visionen
Cornelius Mickel selbst begann mit sieben Jahren seine „Karriere“ als Latein- und Standardtänzer beim Schwarz-Weiß-Club Pforzheim. Nach seiner Tanzausbildung an der Ballettschule des Theater Basel führte ihn sein Weg über Engagements am Theater Pforzheim und Münster schließlich nach Mainz zur Tanzmainz-Kompagnie von Honne Dohrmann. Dort gehört der 36-Jährige mit seinen inzwischen acht Jahren Zugehörigkeit schon zu den alten Hasen. In der letzten Spielzeit konnte man ihn in „Soul Chain“, „Extra Time“ und „Promise“ erleben: „In meinem Alter macht man sich als Tänzer Gedanken über die Zukunft. Ich unterrichte schon länger im Tanzraum und meine Frau gibt dort Pilates- Kurse und übernimmt auch einige Kinderklassen. Unser Sohn ist jetzt ein halbes Jahr alt und uns gefällt die offene und hingebungsvolle Atmosphäre. Daher können wir uns gut vorstellen, daran anzuknüpfen“, so Cornelius, der vor Ideen nur so sprudelt. So könnte er sich vorstellen, den Tanzraum – ähnlich wie das Theater – noch mehr dem zeitgenössischen Tanz zu öffnen, die Verbindung zum Theater zu intensivieren sowie Gast-Dozenten, Kollegen, Tänzer und Trainer aus ganz Deutschland einzuladen: „Ich bin froh, dass meine Frau und ich als Team uns gewisse Dinge teilen können und dass Christiane noch mit im Boot ist mit ihrer Erfahrung.“ Langsam und mit Respekt vor ihrer Lebensleistung will er sich einarbeiten und so dem Tanzraum die nächsten – zumindest 30 – Jahre sichern. Die Kurse sind jedenfalls schon jetzt mehr als gut gefüllt.
Text David Gutsche Fotos Zachary Chant (De-Da Productions)