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Wasserstoff made in Mainz macht Fortschritte, aber (noch) nicht die Riesen-Hoffnungen

Bild von macrovector auf Freepik

Er ist farb- und geruchlos und könnte eines Tages einer der Energielieferanten der Zukunft sein: Wasserstoff. Hinter dem harmlos anmutenden Element H2 verbirgt sich viel Power. Bis zu zwei bis vier Mal mehr Energie als Erdgas enthält jedes Kilogramm. In der Industrie wird es zur Ölraffination und zur Herstellung von Stahl, Methanol und Düngemittel eingesetzt. Darüber hinaus kann es in das bestehende Erdgasnetzwerk zum Heizen einspeist werden. Die Bundesregierung setzt nicht nur im Kampf gegen den Klimawandel verstärkt ihre Hoffnung auf das Element.

„Power-to-Gas“: Zauberformel im
Energiepark Mainz-Hechtsheim (Foto: Mainzer Stadtwerke)

Wasserstoff made in Mainz
In Mainz lautet das Stichwort „Power- to-Gas“: Der in Hechtsheim ansässige „Energiepark Mainz“ erzeugt aus Windkraft „grünen“ Wasserstoff. 2015 entwickelten Siemens, die Linde Group und die Mainzer Stadtwerke das Projekt. Die Idee: Umweltfreundlich erzeugte Energie kann durch die Zerlegung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff (Elektrolyse) gespeichert werden. Immer wieder gibt es Zeiten, in denen Windräder aufgrund eines Überangebots an Strom im Netz abgeschaltet werden müssen. Im „Energiepark“ kann dieser überschüssige Windstrom zur Produktion von Wasserstoff genutzt und das Endprodukt gespeichert und jederzeit abgerufen werden.

Umweltdezernentin Steinkrüger
und Beigeordneter Hans mit
Bundes-Förderbescheid (Foto: Landeshauptstadt Mainz)

„HyExpert-Region“
Mainz Mit Rückenwind geht auch die Stadt das Thema an. In diesem Jahr nahm man an dem vom Bundesverkehrsministerium ausgeschriebenen Wettbewerb „MaHYnzExperts“ teil und überzeugte: Mainz darf sich seitdem „HyExpert-Region“ nennen, was mit einer Fördersumme in Höhe von 400.000 Euro verbunden ist, eingeworben von Volker Hans (FDP), Dezernent für Fördermittelmanagement. Das Geld soll dazu eingesetzt werden, um neue Wasserstoffkonzepte zu entwickeln: „Mitte des kommenden Jahres werden wir wissen, welche Wasserstoffbedarfe wir haben, welche Speicherkapazitäten geschaffen oder abgedeckt werden müssen. Und später können wir uns um die höchste Stufe als ‚HyPerformer 2023‘ wieder um Bundesmittel bewerben.“ Auch die ehemalige Mainzer CDU-Abgeordnete im Bundestag Ursula Groden-Kranich weiß: „So machen wir Deutschland zum Wasserstoff-Land und Mainz zur Wasserstoff-Stadt. Denn wenn wir zum Beispiel unsere Stadtbusse mit grünem Wasserstoff betreiben wollen, dann müssen wir ihn auch vor Ort tanken können.“ Dies geschieht etwa in der Wasserstofftankstelle in Wiesbaden, die beide Stadtwerke zusammen betreiben.

Energie aus dem Klärwerk
Eine weitere Säule für den Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur bildet eine von Wirtschaftsbetrieb und Stadtwerke Mainz gegründete Gesellschaft. Unter anderem führt diese

Der erste Brennstoffzellen-Bus der Mainzer Mobilität
ist zwischen den Städten unterwegs (Foto: Mainzer Stadtwerke)

die Aufsicht über die geplante Elektrolyseanlage im Mombacher Klärwerk. Der dort erzeugte Wasserstoff soll in das Erdgasnetz der Stadtwerke fließen, der gewonnene Sauerstoff wird für die vierte Reinigungsstufe genutzt, um das Abwasser besser zu reinigen. Ein Großteil der erzeugten Energie könnte für die Wasserstoff-Busse im ÖPNV oder Müllfahrzeuge genutzt werden. Auch eine Wasserstofftankstelle ist angedacht. Anfang des Jahres erwarb die Mainzer Mobilität einen wasserstoffbetriebenen Bus für 900.000 Euro. Dieser soll mehr Aufschluss über die Alltagstauglichkeit im ÖPNV liefern. Betankt wird das Fahrzeug bei der Wiesbadener Verkehrsgesellschaft ESWE. Der Wasserstoff hierfür stammt aus dem Energiepark in Hechtsheim. Grundsätzlich laute die Strategie, dass man mittelfristig fest auf klimafreundliche und ressourcenschonende Fahrzeuge setzen wolle, heißt es aus den Reihen der Mainzer Mobilität. Klar sei aber auch, dass sich die Technologie im Zusammenhang mit Wasserstoff rasant entwickele und deshalb die Testläufe zunächst abgewartet werden müssten. Um Diesel-Fahrzeuge kommt das Mainzer Verkehrsunternehmen aber vorerst nicht herum, wenn auch in der höchsten Abgasnorm. Im Herbst erwartet die Mainzer Mobilität die Lieferung 23 neuer Batterie-Busse. Auch im Fuhrpark des städtischen Entsorgungsbetriebs kommt übrigens Wasserstoff zum Einsatz. Zwei mit Brennstoffzellen-Technologie ausgestatte Müllautos transportieren fortan Abfallstoffe, ohne selbst welche zu erzeugen. Etwa 30 Tonnen CO2 werde pro Fahrzeug im Jahr eingespart, so die Stadt. Eine Fördersumme von 1,5 Mio. Euro hat der Bund für beide Fahrzeuge zur Verfügung gestellt.

Bald könnte es eine Pipeline geben, um Wasserstoff
durch die Stadt zu transportieren

Aufbau einer Infrastruktur
Überlegungen laufen darüber hinaus für ein fünf Kilometer langes Wasserstoff-Netz von der Ingelheimer Aue bis zum Mainzer Hauptbahnhof. Die Leitungen könnten die Versorgung von Industriekunden sowie der Mainzer Mobilität sicherstellen. Zusätzlich könnten bestehende Versorger ihren Wasserstoff in das neue Netz einspeisen. „Die Netz-Infrastruktur kann entscheidend dazu beitragen, die Bereiche Industrie und Schwerlastverkehr in Mainz und der Rhein- Main-Region zu dekarbonisieren, also weniger Kohlenstoff umzusetzen. Ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer kohlenstofffreien und wettbewerbsfähigen Wirtschaft“, erklärt Tobias Brosze, Technischer Vorstand der Mainzer Stadtwerke. Das Projekt hat aber bisher noch nicht den Zuschlag für eine finanzielle Förderung durch den Bund erhalten und kann daher aktuell nicht umgesetzt werden. Die Stadtwerke halten aber daran fest und wollen sich bei einem der nächsten Förderprogramme erneut bewerben. Außerdem läuft derzeit ein Pilotprojekt

mit dem Mainzer Glashersteller Schott. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu sein. Der Konzern wird ab Herbst 2022 die Beimischung von Wasserstoff in großtechnischen Schmelzversuchen an einer Wanne am Standort Mainz testen – die Stadtwerke werden die Wasserstoff-Erdgas-Mischanlage betreiben. Der Test ist Pionierarbeit für die Glasindustrie. Die Stadtwerke werden außerdem in den kommenden Monaten mit dem Hygiene- und Gesundheitsunternehmen Essity ein Pilotprojekt in Mainz-Kostheim starten, um eine Papiermaschine mit grünem Wasserstoff CO2-frei zu betreiben.

Land als Modellregion
In Rheinland-Pfalz arbeitet derweil Ministerpräsidentin Malu Dreyer daran, das ganze Bundesland zur „Modellregion für grünen Wasserstoff“ zu entwickeln. In Antwerpen und Zeebruge informierte sie sich neben den Möglichkeiten zum Ausbau der Flüssiggas-Strukturen auch über die Wasserstofferzeugung aus erneuerbaren Energien: „Mit unserer Lage in Deutschland, der Nähe zu Belgien und dem Rhein als Transportweg wollen wir die Voraussetzungen schaffen, um in Rheinland-Pfalz ein wichtiger Verteilerknoten zu werden und die energieintensive Industrie auch bei uns mit Wasserstoff zu versorgen“, so die Ministerpräsidentin. Wie es also aussieht, wird die rheinland- pfälzische Wirtschaft kurz- und mittelfristig auf andere Weise Energie produzieren und verwenden als in der Vergangenheit.

Text Alexander Weiß