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Was macht die Kunst? – Moderne Kunst in Mainz


In Deutschland ist zeitgenössische Kunst populärer denn je. Ausstellungen mit aktuellen Bezügen erfreuen sich großer Beliebtheit und finden Eingang nicht nur in große Kunstsammlungen. In Mainz ist von dieser Entwicklung bisher wenig angekommen. Daher gab es im Laufe unserer Gespräche Resignation, aber auch Anlass zur Hoffnung.

Im Roman „Kirillow“ des Suhrkamp-Autors Andreas Maier wird eine Schifffahrt von Frankfurt nach Mainz geschildert. Nach einer sehr ausführlichen Reisebeschreibung wird der Zielort allerdings schnell abgefertigt: „Eine Schilderung des Aufenthaltes in Mainz entfällt aus leicht nachvollziehbaren Gründen. Im Nachhinein konnte sich niemand an irgendetwas dort erinnern, Mainz war die Stadt ihrer totalen Entgeisterung, sie fuhren alsbald mit dem Zug wieder nach Hause.“ Nichts Erzählenswertes? Ist unsere Landeshauptstadt ein weißer Fleck auf der Landkarte der zeitgenössischen Kunst? Mit der studentischen Projektgruppe „Situation Mainz“ hat Gregor Wedekind, Professor am Institut für Kunstgeschichte der Uni Mainz, Akteure und Orte der zeitgenössischen Kunst in Mainz besucht. Bei einer Podiumsdiskussion im Januar, zu der die Projektgruppe Akteure der Mainzer Kunstszene sowie Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) eingeladen hatte, sprach Wedekind von einer „Marginalisierung der zeitgenössischen Kunst im Stadtraum und in den Köpfen“ und von „ausgeprägten Tendenzen insularer Selbstgenügsamkeit“. Kunsthallenleiterin Natalie de Ligt beklagte, mehrere Sonderseiten in der Zeitung seien regelmäßig für die Fastnacht reserviert – die Kunst dagegen könne von so etwas nur träumen. Auf einer anderen Podiumsdiskussion, mit dem Thema „Zwischen Provinz und Prominenz“ auf der Kunstmesse KUNSTdirekt am 17. März in der Rheingoldhalle, wurde erneut Frust spürbar: Fehlende finanzielle Förderung, provinzielles Denken, falsche Schwerpunktsetzung der Politik und ein „Exodus“ guter, in Mainz ausgebildeter Künstler waren nur einige der Themen. Fazit: Es muss etwas passieren – und zwar jetzt. Ist die Situation tatsächlich so schlimm?

Geschäfte und Galeristen

Nach dem Wegzug der Galerie Dagmar Rehberg und der Schließung der Galerie Bergner+Job gibt es in Mainz nur noch eine Galerie mit internationaler Ausrichtung: In Mainz-Bretzenheim leitet Dorothea van der Koelen seit 33 Jahren ihre gleichnamige Galerie mit angeschlossenem Kleinverlag. Bekannt ist die den wenigsten Mainzern. Dorothea van der Koelen hat sich auf das internationale Geschäft spezialisiert und ist mit einem weiteren Galerieraum in Venedig vertreten. Bis zu dreißig Ausstellungsprojekte weltweit führt sie mit ihrem Team jährlich durch. Derzeit stellt sie Werke des Franzosen Daniel Buren aus, der im Bereich der analytischen Malerei und Skulpturen als Superstar gilt. Eine weitere Künstlerin, die sie vertritt, ist Lore Bert, ihre Mutter, vielen Mainzern durchaus ein Name. Zwar gibt es neben van der Koelen in Mainz noch andere namhafte Galerien, etwa die Galerie Mainzer Kunst von Rolf Weber, die Altstadtgalerie von Gabriele Lehnert oder die noch recht neue Galerie arte]n von Alessandra Nobilia, die bei van der Koelen „in die Lehre“ ging. Doch deren Konzept richtet sich überwiegend am regionalen Markt aus. Worin also liegt das Problem der Gegenwartskunst in Mainz?

Historische Spurensuche

Bis ins 18. Jahrhundert hinein war Mainz ein bedeutendes Macht- und Kulturzentrum. Hier residierten die Erzbischöfe, die gleichzeitig Kurfürsten waren. Nach mehrfacher Belagerung durch Frankreich und Preußen verschwanden jedoch Adel und Pracht. Rheinhessen wurde 1816 dem Großherzogtum Hessen zugeschlagen und Mainz so zur Provinzhauptstadt degradiert. Zudem wurde die Stadt von einem engen Festungsgürtel eingeschnürt, der weitere Bebauung unmöglich machte. Die Industrialisierung konnte kaum Fuß fassen, und so blieb die Herausbildung eines freien, vermögenden Bürgertums, wie etwa in Frankfurt, aus. Die Weltkriege brachten erneut Zerstörung und Besatzung.

Trotzdem war nach 1945 Aufbruchsstimmung zu spüren: 1947 war Mainz Schauplatz der bahnbrechenden Ausstellung „Neue Deutsche Kunst“ in der damaligen Kunsthalle am Dom. 1948 formierte sich der Landesverband des Berufsverbandes der Bildenden Künstler (BBK). Die wohl bekannteste Künstlerin aus Mainz, die Bildhauerin und Zeichnerin Emy Roeder, war in den Fünfzigerjahren an der damaligen Landeskunstschule tätig, und mit der „Neuen Gruppe Rheinland-Pfalz“ bildete sich eine erste echte Mainzer Künstlergruppe. Folgenschwer war allerdings der Rückschlag für die ersehnte Kunsthochschule: 1959 wurde sie per Ministerialerlass verhindert, woraufhin der designierte Direktor Max Rupp frustriert nach Münster wechselte. 1972 folgte die organisatorische Angliederung an die Johannes Gutenberg-Universität. Der Fachbereich trug seit 2001 den Namen Akademie für Bildende Künste. 2010 gelang es unter Rektor Winfried Virnich, die Akademie aus der Fachbereichsstruktur der Uni herauszulösen und ihr mehr Autonomie zu verleihen. Sie führt seitdem die Bezeichnung Kunsthochschule Mainz an der Johannes Gutenberg-Universität.

Kunsthochschule Mainz – Nur dabei, statt mittendrin?

Rektor Virnich sieht die Arbeit der Schule noch immer durch das „Korsett“ der Uni Mainz erschwert. Öffentliche Stellungnahmen gibt er derzeit nicht ab. Von vielen Seiten wird beklagt, dass Virnich kaum Anstrengung zeige, das Potenzial der Kunsthochschule für eine Verbesserung der Situation einzusetzen. Überhaupt erscheint das Haus am Taubertsberg vielen als unattraktiver Ort. Einer der wenigen Sammler, die es in Mainz (noch) gibt, bemängelt die unschöne Atmosphäre in dunklen Gängen. Zum jährlichen Rundgang der Studierenden – der in anderen Städten wie Frankfurt oder Düsseldorf ein gesellschaftliches Ereignis ist – kämen keine Einladungen, und auch die Pressearbeit sei unzureichend. Vergeblich suche man „im dreckigen Beton nach Wegweisern“. Kunsthallenleiterin Natalie de Ligt meint, die Kunsthochschule müsse sich „viel mehr öffnen“. Diesen Eindruck teilt auch Dr. Gabriele Rasch, Vorsitzende des Essenheimer Kunstvereins und Sprecherin des Kunstbeirats der Stadt Mainz: „Nachdem ich hergezogen bin, habe ich fünf Jahre lang nicht gemerkt, dass es eine Kunsthochschule gibt, von einer Galerie für die Studierenden ganz zu schweigen. Also wandern sie ab nach Frankfurt, Berlin, und so weiter. Da könnte mehr ‚Wirken in die Stadt’ passieren.“

Dabei gehen öffentliches Auftreten und Ausstellungen fast ausschließlich auf studentische Initiative zurück. Bezeichnenderweise sind die meisten Kunstprofessoren in Kulturmetropolen aktiv, in denen sie auch wohnen – nur nicht in Mainz, wo sie „nur“ lehren. Resignativ zeigt sich in dieser Hinsicht auch der rheinland-pfälzische Staatssekretär für Kultur, Walter Schumacher (SPD): „Es gibt Städte wie Düsseldorf, München, Berlin oder Hamburg. Die haben Kunsthochschulen seit Adam und Eva. Das können wir nicht mehr aufholen. Wir haben hier auch keine Weltberühmtheit als Professor.“ Von Basisarbeit, zum Beispiel der Ausbildung guter Kunstlehrer, sprechen dagegen nur wenige. Eine von ihnen ist Lilian Engelmann, Kuratorin des Frankfurter Kunstvereins. Sie hebt hervor, dass „gerade die kleineren Kunsthochschulen oft die besseren sein können“ – wenn der Einsatz in Sachen Lehre stimme, die Studierenden sich selbst positiv positionierten und früh die Möglichkeit zum Ausstellen bekämen.

Eigene Orte schaffen – Die Kunstvereine und die „freie Szene“

Doch was ist mit Kunstvereinen und der freien Szene? Zwar bildete sich in den Sechzigerjahren ein Künstler-Establishment – doch von den Mitgliedern wirkten nur wenige überregional. Der 1962/63 eingerichtete Förderpreis für Bildende Kunst krankt an Lieblosigkeit der Ausstellungen im ungeeigneten Rathaus. Immerhin: 1975 wurde der Kunstverein Eisenturm Mainz e.V. als erster Mainzer Kunstverein gegründet, der einen eigenen Preis vergibt. Zurzeit läuft die Bewerbung dafür noch bis Ende Juni unter dem Thema „Utopia“. Der Preis wird durch die Mainzer Volksbank mit 10.000 Euro Preisgeldern gesponsert. „Es gab immer mal Strohfeuer“, drückt es Professor Gerhard Meerwein vom Kunstbeirat der Stadt aus und kritisiert den Mainzer Regionalismus, der auch bei den Künstlern fortlebe. Die Stadt sei „nicht aufgeschlossen genug für eine lebendige Kunstszene.“

Und doch gibt es sie: kleine, teils studentisch geprägte Orte und Initiativen, die Raum für die Kunst schaffen möchten. Auch als Lucas Fastabend im Herbst 2009 die Ringstube in einem Hinterhof am Kaiser-Wilhelm-Ring in der Mainzer Neustadt gründete, geschah dies aus einem strukturellen Mangel heraus. Es fehlte an Räumen, wo junge Künstler jenseits vom Akademierundgang oder von Galerien ihre Kunst zeigen und damit in einen Diskurs über zeitgenössische Kunst einsteigen konnten. Solche so genannten Off-Räume gibt es in Städten wie Köln oder Düsseldorf dutzendweise, und sie nehmen eine wichtige Position im Kunstgeschehen ein. In Mainz dagegen sind sie Mangelware. Erfolgreich hat die Ringstube dennoch in zahlreichen Ausstellungen junge, eigenständige Künstler präsentiert. Oft wurden sie aus anderen Städten dazu geholt. Die Ringstube wird ehrenamtlich betrieben. Zum sechsköpfigen Team gehört auch Kunststudentin Brit Meyer. Wie charakterisiert sie die Situation Mainz? „Eine Stadt, die Künstler ausbilden will, sollte auch Perspektiven für diese bieten. Die Lehre braucht ein gewisses Umfeld, denn als Kunststudent will man sich in das Geschehen außerhalb der Hochschule einbinden.“ Kollege Lucas Fastabend wohnt inzwischen in Frankfurt. „In Mainz fehlt einem als Künstler das Gefühl, dass die Stadt einen halten will. Und es fehlt die Möglichkeit, sich an anderen Positionen zu reiben“, kritisiert er das Verhältnis zwischen der Stadt und ihren jungen Künstlern. Ihn stört die in Mainz weit verbreitete Haltung, Kunst sei Geschmacksfrage und man könne darüber nicht streiten. „Für viele ist das scheinbar einschüchternd, wenn es eine klare Position gibt, aber das sollte es nicht sein.“ Es sei auch Aufgabe der Presse, differenziert über Kunst zu berichten, fügt er hinzu, aber: „In Mainz gibt es gefühlt kein Feuilleton.“

Kunsthalle – Leuchtturm für Mainz?

Auch Natalie de Ligt, Leiterin der Kunsthalle Mainz, zieht bald weg aus Mainz. Ihr Vertrag läuft zum Sommer aus – nach fünf Jahren. Das Bewerbungsverfahren für den Nachfolger wird in Kürze abgeschlossen. Die Kunsthalle ist das Aushängeschild der Stadt in Sachen zeitgenössischer Kunst. de Ligts Programm, das international bekannte Künstler wie Matthias Weischer oder Guy Ben-Ner zeigte, stieß auf viel Begeisterung. „Natalie de Ligt hat eine sehr beachtliche Bilanz vorzuweisen. Die Kunsthalle ist der große Lichtblick in Mainz“, sagt Gregor Wedekind. Strukturelle Probleme machten es der künstlerischen Leitung dennoch schwer, eine eigene Handschrift und ein erkennbares Konzept zu entwickeln: Zu häufig musste de Ligt für Ausstellungen von außen, zum Beispiel der Stipendiaten des Landes Rheinland-Pfalz, „das Feld räumen“. Dass es durchaus gelingen kann, eine mittelgroße deutsche Stadt für ein anspruchsvolles Ausstellungshaus zu begeistern, zeigt das Beispiel des Museums für Gegenwartskunst in Siegen. „Mit der Eröffnung des Museums im Jahr 2001 haben sich die Bürger im trostlosen Siegen einen Lichtblick geschenkt“, schrieb der ZEIT-Museumsführer in einer euphorischen Besprechung. 2011 erhielt das Haus die Auszeichnung „Museum des Jahres“, was bei den Siegenern „eine Welle der Begeisterung und des Stolzes entfachte“, wie die künstlerische Leiterin Dr. Eva Schmidt berichtet, die ebenfalls das „frische“ Programm von de Ligt schätzt. Allerdings warnt auch sie vor zu starker Einbeziehung regionaler Künstler: „Regionale und lokale Künstler müssen ihre eigenen Orte haben, im besten Fall selbst gründen.“ Ein solcher eigener Ort war die Galerie der Stadt Mainz im Brückenturm, die 2003 jedoch geschlossen wurde. Städtische Ausstellungen finden heute nur noch im Foyer und in den Seitenlobbys des Rathauses statt. Von vielen Seiten wird die Schließung als Verlust beklagt. Es müsse einen Ort geben für die Ausstellungen, die weder in eine moderne Kunsthalle noch in ein dunkles Rathausfoyer passten. De Ligt wünscht sich für die Zukunft „mehr wahrhaftiges Engagement von politischer Seite.“

Politik: handlungs- oder auch gesprächsbereit?

In der Stadtverwaltung gibt man sich ahnungslos. Marianne Grosse (SPD), Leiterin des zusammengelegten Bau- und Kulturdezernats glaubt, „dass die zeitgenössische Kunst aufgrund der vielen Initiativen gut aufgestellt ist.“ Man merkt ihr an, dass Kunst nicht ihr Steckenpferd ist. Das „Atelierhaus Waggonfabrik“ in Mombach fördert sie ausdrücklich gern, neue Strukturen jedoch wurden bisher kaum geschaffen. Anregungen gegenüber zeigt sie sich aufgeschlossen, betont aber die schwierige finanzielle Situation der Stadt: „Die Überschrift über allem im Stadtrat ist derzeit der Entschuldungsfonds. Das ist das Thema, das alle wahnsinnig nervt und drückt. Wenn ich dann mit der zeitgenössischen Kunst komme, brauche ich Leute, die mir zur Seite stehen.“ Wäre ein geeigneter Bündnispartner nicht der Kunstbeirat, der die Stadt in wichtigen Angelegenheiten auf dem Gebiet der Bildenden Kunst beraten soll? Grosse sieht bei der Zusammenarbeit „keine Defizite“, der Kunstbeirat sei „voll mit drin“.

Gabriele Rasch, Sprecherin des Kunstbeirats, ist anderer Meinung: „Die Stadtverwaltung macht seit Jahren viel zu wenig Gebrauch von diesem Gremium. Viele Dinge, die wir anmahnen, landen einfach in der Schublade.“ Es sei auch eine Frage, welchen Stellenwert man Kunst in Politik und Gesellschaft einräumt. In Mainz sei dieser „leider sehr gering“. Das fange an bei der mangelhaften Pflege der Skulpturen am Rheinufer, betreffe die beliebige Aufstellung von Objekten im öffentlichen Raum und ende beim lieblosen Umgang mit dem Kunstförderpreis der Stadt Mainz. Der Skulpturen am Rheinufer hat Grosse sich inzwischen angenommen und eine Reinigung veranlasst. Auch Staatssekretär Schumacher gibt sich offen: „Wir machen, was wir können. In den letzten Jahren haben wir stark in die Restaurierung von Gebäuden und Denkmälern investiert. 105 Millionen Euro haben wir insgesamt als Kulturetat und gut 25 Prozent gehen allein für Theater und Orchester weg. Außerdem müssen wir auch drauf achten, dass die anderen Regionen in Rheinland-Pfalz versorgt werden.“

Über Sinn und Unsinn der Künstlermesse

Viel Geld investiert das Land in die alle zwei Jahre stattfindende Künstlermesse KUNSTdirekt in der Rheingoldhalle. Gemeinsam mit der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur fließen 123.000 Euro in die Veranstaltung. Noch einmal der gleiche Betrag kommt über Eintrittsgelder, Standgebühren und Sponsoren dazu. Auf der Künstlermesse, organisiert vom Berufsverband Bildender Künstler, können sich regionale Künstler gegen hohe Standmiete – zwischen 350 und 600 Euro – präsentieren und vermarkten. Auch wenn es sinnvoll erscheint, Künstlern eine Plattform zur Eigenvermarktung anzubieten, halten einige die KUNSTdirekt in der bestehenden Form für kontraproduktiv. Galeristin van der Koelen erregt sich: „Die Messe fördert weder den Galeristen noch den Künstler. Niemals wird sich ein Galerist für einen Künstler einsetzen, der sich selber vermarktet. Das Geld, das man dort investiert, könnte man besser der Kunsthalle zugute kommen lassen.“ Tatsächlich stellen „große“ Künstler auf der Messe nicht aus. Daraus resultiert ein Bild, das nicht repräsentativ ist. Dennoch gibt Kunstbeirätin Rasch zu bedenken: „Ich sehe, dass es wichtig in Rheinland-Pfalz ist, etwas anzubieten, damit sich Künstler selbst vermarkten können. Wir haben ja nur wenige Galerien, die Künstler präsentieren. Eine solche Messe hat insofern ihre Berechtigung.“ Kunsthallenchefin de Ligt dagegen bedauert: „Das Niveau ist zu niedrig. Wenn man das Geld nimmt und stattdessen alle zwei Jahre ein großes Kunstprojekt macht, das gezielt entwickelt wird, macht das auf Dauer gesehen mehr Sinn.“ Und auch Prof. Wedekind meint: „Messen funktionieren nur, wenn eine ganz klare Auswahl stattfindet. Bei so einer Messe verschwinden die Maßstäbe. Da sind vielleicht ernstzunehmende Sachen darunter, aber man kann sie kaum finden.“ Staatssekretär Schumacher kontert lediglich: „Bei der KUNSTdirekt gibt es eine Jury. Ich fände es aber ungerecht, die Teilnehmerzahl zu begrenzen.“

Mainz muss nicht immer bleiben, wie es ist

Die lebhafte Diskussion, die zurzeit erneut entfacht ist, scheint zunächst vor allem befreiend zu wirken – für diejenigen, denen die zeitgenössische Kunst am Herzen liegt. Das von der Politik beharrlich vorgetragene Argument, es gäbe kein Geld, wird von vielen eher als Totschlagargument empfunden, das Utopien und echte Entwürfe unterbindet. Die Situation Mainz ist nicht einer einzelnen Person, Institution oder gar den Bürgern anzulasten. Deshalb kann in Zukunft auch nur eine Gleichzeitigkeit von Aufmerksamkeit, Interesse, Engagement und Bewegung an verschiedenen Stellen zu einer echten Veränderung führen. Denn: Nicht die Künstler brauchen Mainz, sondern Mainz braucht die Künstler.

von David Gutsche, Laura Eschweiler, Anne Louise Hoffmann, Judith Leinen, Benjamin Schaefer, Mirko Schwartz, Lisa Vogel, Clara Wörsdörfer
Fotos: Ramon Haindl

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