Was haben Dijon, Louisville in Kentucky, Haifa und die ruandische Hauptstadt Kigali gemeinsam? Sie und sieben andere Orte und Städte unterhalten besondere Beziehungen zu Mainz. Alles andere als monogam also, könnte man sagen …
Dijon, Frankreich – L’amour
Es passierte nach dem Zweiten Weltkrieg. Nicht wenige deutsche Städte knüpften zarte Bande mit ihren Eroberern Großbritannien und Frankreich, als Zeichen der Versöhnung. So lernten sich 1958 auch Mainz und Dijon kennen und lieben. Das Paar teilt das große Faible für guten Wein, und auch landschaftlich ist man sich sehr ähnlich. Elke Höllein von der Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Mainz weiß: „Städtepartnerschaften haben eine breite Basis und umfassen alle Bereiche des kommunalen Lebens.“ Schnell war man sich einig, es sollte etwas Tiefes werden. Aus der Liaison ging eine Kooperation der Universitäten mit gemeinsamen deutsch-französischen Studiengängen hervor. Für den Deutsch-Franzosen Cédric Hübner ist das bilinguale Doppelstudium wie gemacht. Der 20-Jährige ist in der Nähe von München aufgewachsen und bewusst zum Studium nach Mainz gekommen. Zurzeit verbringt er das Semester an der Dijoner Uni. Viel verschulter sei das Studium dort, der Doppelstudiengang noch populärer als in Mainz. In Dijon hat er weitere Verbindungen entdeckt: das „Haus Rheinland-Pfalz“ etwa und das Café „Le Mayence“, wo Erasmus-Studenten aus Mainz einkehren. Eine Beziehung gefüllt mit Leben: „Es erfordert trotzdem Arbeit, Kontakte zu den französischen Kommilitonen zu knüpfen. Man bewegt sich schon des Öfteren mehr unter seinen deutschen Kollegen. Das ist natürlich schade, bessert sich aber langsam“, weiß er aus Dijon zu berichten.
Sir Watford oder die Gemeinsamkeiten
Mainz bemühte sich bei seinen Anbahnungsversuchen stets, Gemeinsamkeiten mit dem neuen Partner zu finden. So auch bei Watford aus Südengland. Der Erfinder der ersten englischen Druckerpresse kommt aus der Stadt – ein Glücksfall für die Gutenbergsche Heimat. Erfurt und Mainz verbindet dagegen eine tausendjährige Geschichte unter teils gemeinsamer Herrschaft. Und nach Haifa in Israel emigrierten viele Mainzer Juden vor der NS-Verfolgung. Auch wenn manche Gründe etwas fadenscheinig wirken mögen: „Mainz ist nie eine Partnerschaft eingegangen, wo vorher nicht schon langjährige andere Beziehungen existierten – etwa über die Hochschulen oder im kulturellen Bereich“, weiß Höllein. Die einzige Ausnahme blieb somit Watford. In eine Reihe erster Affären stürzte sich Mainz nach dem Zweiten Weltkrieg, in Zeiten der Annäherung an die westeuropäischen Staaten. In den 70er- und 80er-Jahren streckte Mainz seine Fühler über den Eisernen Vorhang aus in Richtung Zagreb und Erfurt (damals noch DDR), heute die einzige innerdeutsche Partnerstadt.
Goldene Hochzeit mit Zagreb
Die Beziehung zu Zagreb durchlebte im Laufe der Jahre stürmische Zeiten. Das junge Glück schien zunächst unter keinem guten Stern zu stehen, wurde die Partnerschaft doch unter widrigsten Umständen im Kalten Krieg eingegangen – die erste deutsche Liaison mit einem kommunistisch regierten Land. Mainz also ein Vorreiter humanitärer Hilfe während des Jugoslawienkriegs? Inzwischen kann man glücklicherweise sagen, die Lovestory hat zu einem Happy End in einem halbwegs friedlichen Europa gefunden. Im letzten Jahr feierten die beiden sogar ihre Goldene Hochzeit, begleitet von zahlreichen kulturellen und wissenschaftlichen Veranstaltungen. Für die nächsten Jahre hat man sich vorgenommen, die wirtschaftliche Zusammenarbeit weiter auszubauen. Auf diese Verbindung geht auch das kroatische Honorarkonsulat in Mainz zurück.
Israel, Baku und Kigali
Einen symbolischen Wert hat die Partnerschaft mit Israel, die bereits in den 70ern angebahnt wurde. Mainz engagiert sich in Haifa lebenspraktisch und niederschwellig. Als vorletztes Jahr beispielsweise durch einen Brand das Seniorenheim Jockel Fuchs und die Mainz Library, eine Art Stadtteilbibliothek, stark zerstört wurden, hat sich Mainz mit einer umfangreichen Bücherspende beteiligt. Haifa hat aber noch vier andere Partner in Deutschland. Trotzdem leben beide seit 30 Jahren eine liebevolle Beziehung. Baku hingegen kann eher als entfernte Bekannte bezeichnet werden. Mit der Hauptstadt Aserbaidschans besteht keine offizielle Verbindung, eher eine Freundschaft. Den gleichen Status pflegt man mit Kigali, der Hauptstadt Ruandas: „Hier ist das Stichwort die Entwicklungszusammenarbeit“, erklärt Koordinatorin Höllein. Für Kigali hat die Stadt daher ein extra Budget, das in bestimmte Projekte fließt – etwa in den Expertenaustausch, bei dem junge Mitarbeiter der dortigen Verwaltung nach Mainz kommen, oder in die Unterstützung eines Kinderheims für Straßenkinder.
Liebe im Alter
Trotz allem Engagement, man ist in die Jahre gekommen und könnte fast meinen, die Sache mit den Städtepartnerschaften sei mangels Geld und Lust ein wenig eingeschlafen. Vielen Freundschaften fehlt der Nachwuchs. Mainz und Watford haben sich kaum noch etwas zu sagen. Sind Städtepartnerschaften ein Auslaufmodell? Laufen neue, andere Beziehungsmodelle den alten den Rang ab? – „Ich sehe das nicht so. Aber die Hochzeit der Städtepartnerschaften ist sicher vorbei“, sagt Höllein, die bei der Stadt Mainz seit über 20 Jahren die Städtepartnerschaften koordiniert. Beziehungen müssten gelebt werden und sich auf unterschiedlichste Aspekte des Lebens erstrecken. Und daran fehlt es immer mehr. Ein jeder kämpft für sich. Daher: Noch mehr Partner wird es in Zukunft eher nicht geben. So ist auch „das Budget mit 40.000 Euro für alle Städtepartnerschaften begrenzt. Und das wollen wir nicht noch weiter aufsplitten“, sagt Höllein. Auch wenn die Zukunft ungewiss ist: Freundschaftskreise organisieren weiterhin Reisen zu den Partnerstädten und bieten die Möglichkeit, eine Stadt oder ein Land einmal ganz anders kennenzulernen als auf einer Urlaubsreise. Wer sich die Arbeit der Vereine einmal anschauen möchte, hat dazu am 28. April im Gutenberg-Museum die Möglichkeit. Vielleicht kann man hier wieder ein paar neue zarte Beziehungen knüpfen …
Text Katja Marquardt Illustrationen Lisa Lorenz