Die bekannte Mainzer Platznot hat mal wieder zugeschlagen. Dieses Mal im Visier: Proberäume für Bands und Musiker. Da das zuhause Schlagzeug-Spielen bekanntlich nicht die schönste Form der Nachbarschaftsverständigung ist, brauchen die meisten Bands und Musiker einen Proberaum. Günstig und gedämmt sollte er sein. Das Problem: Solche Räume sind zumeist Mangelware, nicht nur für Musiker, sondern auch für Theaterleute, Künstler & Co. – das Thema ist bekannt. Umso einfacher lässt sich die Situation auch von kommerziellen Betreibern ausnutzen. Etwa vier bis fünf größere Vermieter und Institutionen finden sich für die Klientel in Mainz. Darunter mit Abstand vorne die teils geförderte Kulturfabrik Airfield weitab in Finthen, aber auch mehr oder minder kommerzielle Betreiber.
Rock‘n Rooms Rhein Main
Der jüngste Anbieter nennt sich „Rock‘n Rooms“. Neben den Räumen an der Kaiserbrücke Nähe Zollhafen vermietet Niko Tsionis gemeinsam mit seinem Bruder Tim Fröhlich auch in Heidesheim, Wiesbaden und Ingelheim: „Wir sind nicht nur ein Proberaumanbieter, sondern auch Start-Up. Modernität wird bei uns großgeschrieben. Wir möchten den Musikern Raum für Musik geben“, sagt Tsionis. 90 bis 120 Musiker, also knapp 20 Bands, sind derzeit unter Vertrag. Neben den Räumen hat man auch eigene Tonstudios. Die Miete beträgt 90 bis 400 Euro für Räume zwischen zehn und sechzig qm. Der finanzielle Druck für die Bands ist somit spürbar gestiegen. Was für normale Mieten gilt, gilt eben auch hier. (Manch ein Musiker flüster uns allerdings, hier bis zu 800 Euro und mehr zu zahlen, Anm. d. Red.)
Alte Fahrkartendruckerei
Ein weiterer Anbieter ist das CoWorking Areal „Alte Fahrkartendruckerei“ in der Mombacher Straße. Musikprobe(t)raum Mainz nennen sich hier die Räumlichkeiten der Musiker. Diese beinhalten zehn Räume mit viel Tageslicht. Inhaber Michael Gebhard hält sich jedoch ein wenig zurück, denn noch sei man in Verhandlungen mit dem Vorbesitzer, der Deutschen Bahn. Zudem entsprächen die Räume auch nicht mehr den erforderlichen Brandschutzanforderungen und werden aktuell saniert. Interessenten melden sich dennoch bei Gebhardt. Ab Juli oder August sieht er wieder Möglichkeiten. Die Räume der Fahrkartendruckerei werden vor allem als Unterrichtsräume genutzt. Gebhardt betont: „Raumwechsler sind bei uns selten. Die meisten Bands teilen sich die Räume und damit die Mietkosten“ von etwa 360 Euro.
Proberaumzentrum Mombach
Etwas weiter raus nach Mombach, unweit der Halle 45, liegt das Proberaumzentrum Mainz-Mombach. Laut Selbstdarstellung bietet es 25 Räume auf einer Fläche von knapp 1000 qm. Die Größe der Räume variiert zwischen 16 und 84 qm. Über Preise wollte man uns keine Auskunft geben. Wer jedoch einen Raum benötigt, muss knapp ein halbes Jahr warten. Der Andrang sei hoch und daher eher Wechsel untereinander die Regel. Die Räume sind auf vier Etagen verteilt und werden teilweise auch als Tonstudio genutzt.
Ein steiniger Weg
Eine der wichtigen Bands der Szene sind Bender & Schillinger. Die Wahlmainzer Linda Bender und Chris Schillinger musizieren seit sieben Jahren zusammen – seit 2,5 Jahren hauptberuflich. Drei Alben brachten die zwei schon heraus, zuletzt „Dear Balance“. Die ersten musikalischen Schritte unternahm Chris auf seiner Klampfe im heimischen Wohnzimmer und Linda mit einem Schlagzeug in ihrer Küche. Es dauerte auch hier, bis geeignete Proberäume gefunden wurden, meist in privaten Kellern, wo es niemanden störte. Seit 2012 haben sie nun einen festen Raum in der Reduit gefunden, ein „Jackpot“, so Chris. Ihre Haltung zu der Proberaumsituation ist klar: „Kleine Proberäume werden für viel Geld angeboten. Die Anbieter nutzen das stark aus. Die Situation hier ist problematisch. Die Stadt engagiert sich in diesem Punkt auch zu wenig“, glaubt Linda. Tatsächlich sind Flächen, Räume und alles was damit zu tun hat – und erst recht für Kultur – natürlich fast schon Luxus in Mainz. Chris vergleicht die Situation mit dem Wohnungsmarkt: „Die alternative Kultur wird kaum gefördert. Dabei ist die kreative Szene in Mainz sehr groß.“ Deshalb ihr Appell: „Geht auf Konzerte, unterstützt die Musiker und Künstler!“ Bender & Schillinger sind seit April auf Tour durch ganz Deutschland. In Mainz sieht man sie auf dem Johannisfest Ende Juni.
Der alte Hase: die Kulturfabrik (Kfa)
Auf dem Gelände der „Kfa“, am alten Militärflughafen, befinden sich viele alte Gebäude, die sich über die Jahre auch Musiker nutzbar gemacht haben. Einziger Nachteil: Das Gelände liegt weit ab vom Schuss. Vermieter ist die Grundstücksverwaltungsgesellschaft der Stadt Mainz. Mittlerweile als gemeinnütziger Verein unterwegs, ist die Kfa mit rund 150 Bands und Musikgruppen in etwa 80 Räumen dort vertreten, nicht als Vermieter, sondern als Musikerinitiative. Gemeinsam organisieren die Mitglieder regelmäßig Musik-Veranstaltungen im M8 Liveclub oder das dreitägige Rockfield Open Air, dieses Jahr vom 17.-19. August. Dementsprechend sind die Preise relativ niedrig. Bands teilen sich Räume ab 230 Euro aufwärts, für Mitglieder bereits ab 170 Euro. Dazu kommt der Vereinsbeitrag von 36 Euro jährlich. Die Wartezeiten sind daher lang. Und falls doch mal etwas frei werden sollte, ist zumeist schnell ein Nachrücker gefunden. Das Airfield bleibt trotzdem DER Hotspot für regionale Bands. Egal ob Verein, private Räume oder kommerzielle Anbieter: Der Musik- und kulturellen Szene bleiben letztlich nur wenige Probeorte angesichts der Masse an Menschen, die hier aktiv werden wollen. Die Restfläche, die noch da ist, geht primär für Wohnraum, Schulen und Kitas drauf. Kultur ist da eher – bis auf wenige Ausnahmen – zweitrangig. Trotzdem befindet man sich auch hier im konstruktiven Prozess, wie zum Beispiel der Erschließung der alten Kommisbrotbäckerei an der Rheinallee. Vielleicht wird hier noch ein wenig Raum entstehen. Man muss es trotz Widrigkeiten positiv sehen: Immerhin ist die Grundversorgung gesichert. An den „Rändern“ aber gibt es noch viel zu tun.
Text Isa Kabakci, David Gutsche Fotos Stephan Dinges
Kontakt und Infos:
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