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tanzmainz-Festival ab 13. März im Staatstheater – Interview mit Tanzdirektor Honne Dohrmann

Tanz2x5

 

Text David Gutsche Foto Jana Kay

Zum ersten Mal haben wir in Mainz keinen Choreografen als Tanzchef, sondern einen kuratierenden Tanzdirektor. Wie kommt es dazu?

Das klassische Staatstheater-Modell, dass ein Chef-Choreograf alle Stücke macht, löst sich vielerorts langsam auf. Bei uns geht es aber noch einen Schritt weiter. Da ich bisher viele Tanz-Festivals geleitet habe, kenne ich Kollegen und kann Choreografen mit ihren Teams einladen, um hier auch mit unserem Ensemble zu arbeiten. Wenn spannende Choreografen in die Stadt kommen, dann ist es auch für Tänzer ein interessanter Ort. Und ein tolles Ensemble wiederum macht es einfacher, auch einmal Weltklasse-Choreografen für einige Monate zu bekommen. Und das ist für das Publikum spannend und abwechslungsreich.

Wie bewährt sich die neue Praxis beim Publikum?

Insgesamt habe ich das Gefühl, dass wir mit unserer zeitgenössischen Ästhetik inzwischen gut in der Stadt angekommen sind. Das Publikum ist sehr offen, teilweise überrascht. Die Besucher sehen, dass wir tolle Tänzer haben, die über sehr gute Tanztechniken verfügen. Das erleichtert ihnen, sich auch auf eher ungewohnte Sachen einzulassen. Ich bin der Meinung, dass nicht immer alles schön sein muss, was man auf der Bühne sieht. Wichtiger ist, dass es einen bewegt. Darum darf Tanz auch mal irritieren oder einen stärkeren Impuls setzen, Hauptsache man nimmt am Ende etwas mit. Das klassische Ballett kommt mit Sicherheit nicht.

Kann man das, was tanzmainz zeigt, Tanz nennen oder ist es eher Performance?

Auf jeden Fall ist es Tanz, Performance ist immer eine bestimmte Farbe. Wir arbeiten mit Choreografen, die sehr bewegungsorientiert kreieren, daher würde ich schon von Tanz sprechen, denn im Zentrum steht immer die Bewegung.

Warum gibt es so wenige Choreografinnen?

Ich vermute, es sind tatsächlich mehr Männer als Frauen, die Ensembles leiten. Ich glaube, dass das wie in vielen anderen Berufen ist: Sozialisation spielt eine Rolle, ökonomische Überlegungen, Familie. Dennoch sind viele prägende Choreografen Frauen: Pina Bausch, Sasha Waltz, Anne Teresa De Keersmaeker oder Meg Stuart. Gemessen an der Zahl der professionellen Tänzerinnen und Tänzer müssten eigentlich 80 Prozent der Choreografen Frauen sein.

Jetzt veranstalten Sie das erste Tanzfestival. Was wird uns erwarten?

Das Festival ist Teil unserer Öffnung. Wir wollen dem Publikum zeigen, was andernorts gemacht wird, was wir wichtig finden und was aktuell spannende Regionen für den Tanz sind. Wo kommen wir her, was beeinflusst uns als tanz mainz? Man kann einige Klassiker des zeitgenössischen Tanzes sehen. So haben wir mit Rosas oder Wayne McGregor Choreografen, die wegweisend waren. Gleichzeitig zeigen wir einige Produktionen von Kompagnien, mit denen wir uns verbunden fühlen, weil sie so ähnlich arbeiten wie wir. Wie z. B. Montréal Danse oder Skanes Dansteater aus Schweden. In unserer neuen Spielstätte U 17 bieten wir Formate an, die zuweilen auch herausfordernd sind und manchmal konfrontativ.

 

Mensch

Sie haben Germanistik und Theaterwissenschaften studiert, waren TV-Journalist und Kulturmanager. Wie kamen Sie zum Tanz?

Ich spielte immer Theater, schon in der Schule. In Göttingen und Berlin habe ich dann studiert, mich viel mit Dramaturgie beschäftigt und 1989 meinen Magister gemacht. Damals, zur Wendezeit, war es sehr schwer, einen Job am Theater zu bekommen, da vor allem die ostdeutschen Kollegen gefragt waren. Stattdessen bekam ich die Chance, für Rias TV in Berlin als Sportjournalist zu arbeiten, später dann für den NDR. Bis es plötzlich diesen Tag X gab, an dem ich mich entscheiden musste: Will ich in die freie Theaterszene gehen und in einem alternativen Kulturzentrum das Programm machen oder zu einem privaten Fernsehsender und mich als Sportjournalist versuchen? Ich entschied mich für das Theater. Ökonomisch gesehen war das damals hirnrissig, aber aus heutiger Sicht eine super Entscheidung.

Das heißt, Sie haben damals für etwas Vergleichbares wie hier das KUZ das Programm gemacht?

Ja, in der Kulturetage Oldenburg habe ich die Programmkoordination für das Theater gemacht. Später habe ich dann verschiedene Tanzfestivals verantwortet. Die große Veränderung kam, als der Intendant Markus Müller mich fragte, ob ich die Leitung der Tanzcompagnie Oldenburg am Staatstheater übernehmen will. Als Quereinsteiger musste ich dabei viele produktionsspezifische Dinge lernen, z. B. wie viele Proben eine neue Kreation braucht und wann auch nach der Premiere geprobt werden muss. Oder welche Tanzböden für welches Stück okay sind und was für Böden es überhaupt gibt. Dinge, die für den Festivalveranstalter kaum eine Rolle spielen, aber für den Produzenten wichtig sind.

Was nimmt neben Ihrem Job noch Raum in Ihrem Leben ein?

Meine Familie. Meine Frau ist mitgekommen nach Mainz, unsere Tochter studiert in Oldenburg. Es ist schön, dass wir gemeinsam die Stadt und die Region erobern können. Es hat Spaß gemacht, das erste Mal Fassnacht zu feiern. Auch bin ich dem Sport nach wie vor verbunden. Ich spiele Tischtennis in Budenheim, Bezirksliga Nord. Und ich gehe gerne zum Fußball. Seit ich hier wohne, habe ich die meisten Spiele im Stadion gesehen. Ansonsten mag ich vieles, was mit Kunst zusammenhängt. Ich lese gern und gehe auf Konzerte. Und das Kabarett mag ich sehr gerne. Dass es das unterhaus gibt, finde ich sehr cool.

Was bedeutet Glück für Sie?

Gesund sein, in Frieden leben, genug zu essen zu haben, Freude, seinen Interessen folgen zu dürfen und damit etwas gesellschaftlich Sinnvolles zu schaffen.

Welche Träume möchten Sie noch verfolgen?

Ein beruflicher Traum, aber auch ein privater wäre, mit tanzmainz nicht nur in Europa, sondern auch noch darüber hinaus unterwegs zu sein. Das würde ich sehr gerne bald erleben. Reisen möchte ich auch privat. Ich hoffe, dass ich es im Sommer mal nach Albanien schaffe. Ich glaube, das ist kulturell ein sehr spannendes Land, das so nah ist und über das wir dennoch wenig wissen. Das reizt mich viel mehr als Bali oder ähnliches. Wir begegnen so oft Osteuropa und Osteuropäern in unserem Alltag. Unsere Kulturen haben etliches gemeinsam und dann ist da doch so vieles, das uns trennt. Mich interessieren diese Gegensätze. Ich habe sehr viele tolle Menschen in Osteuropa kennen gelernt. Sie waren warm, temperamentvoll und ein wenig verrückt. Sie haben vieles, was ich als Norddeutscher nicht habe.