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Stadtschreiberin Dörte Hansen am 13. Juli auf der Zitadelle

Schriftstellerin Dörte Hansen

Weil die traditionelle Antrittslesung Corona-bedingt nicht zeitnah zur Amtseinführung möglich war, kommt Dörte Hansen am Mittwoch, 13. Juli zu ihrer offiziellen Antrittslesung erneut nach Mainz und liest im Open-Air-Ambiente der Kultur-verbindet-Bühne aus ihren Romanen „Altes Land und Mittagsstunde“. Sie erzählt von Herkunft und Heimat, von der romantischen Sehnsucht der Stadtmenschen nach dem Land und der Wirklichkeit in den Dörfern im Angesicht voranschreitender Veränderungen. Die Lesung beginnt um 18 Uhr. Bei freiem Eintritt sind Tickets erhältlich unter  www.frankfurter-hof-mainz.de

Der für Donnerstag, 21. Juli, geplante Film von und mit Eugen Ruge („Metropol“) fällt leider aus. Der Autor und Filmemacher kann krankheitsbedingt nicht nach Mainz reisen. Neben der Vorführung des Films, der als Teil des Stadtschreiber-Preises in Zusammenarbeit mit dem ZDF entstanden ist, war die Diskussion und der Austausch mit Eugen Ruge als zentraler Bestandteil der Veranstaltung geplant. Die Absage der Veranstaltung ist daher umso bedauerlicher, aber unumgänglich.

Erzähl mir Deine Stadt
Bis zum Tag ihrer Amtseinführung im März war die Autorin noch nie in Mainz, fing also „bei Null an“, wie sie sagt, hatte keine Vorstellung im Kopf und kannte höchstens das Image des Mainzer Lebensgefühls. Das Amt der Stadtschreiberin sieht sie als Einladung zum Dialog. Mit offenen Augen und Ohren wandert sie seitdem durch die Stadt und bemerkt vom ersten Augenblick an „die heitere Atmosphäre und Freundlichkeit der Menschen“. Selbstkritisch fragt sie sich, ob sie selektiv wahrnimmt, einem Mythos aufsitzt oder daran noch weiterstrickt. Als Norddeutsche das Mainzer „Meer“ vor der Tür und darüber die Möwen erwecken bei Dörte Hansen heimatliche Gefühle. Nach einem Studium in Kiel und Hamburg, lebt sie heute wieder in Husum. In norddeutschen Dörfern spielen ihre Romane. Da fühlt sie sich wohl, kann mit den Nachbarn Platt sprechen und braucht nichts zu erklären. Alle zehn Jahre keimt jedoch auch die Frage auf, ob man nicht woanders wohnen könnte: „Wir leben in einer Art Heimweh-Zeitalter. Wir können uns aussuchen, wo wir leben wollen. Und diese Freiheit bezahlen wir mit einem latenten Heimweh.“ Ehemann Sven Jaax treibt dagegen das Fernweh. Der Dokumentarfilmer hat in der ganzen Welt gedreht. Er wird auch Kameramann in Dörte Hansens Film sein, der zu den Stadtschreiberaufgaben gehört. Das Thema: Die Färöer, Mythos und Meer.

Landschaft, Sprache, Menschen
Inwieweit eine Landschaft die Menschen prägt, diese Frage beschäftigt die Autorin immer wieder – spürbar in „Altes Land“, dem Erstlingsbestseller, und noch deutlicher in „Mittagsstunde“, wo sie kritisch den wirtschaftlichen und sozialen Wandel im dörflichen Leben der letzten 50 Jahre reflektiert: stillgelegte Höfe, rationell verplante Felder und Ställe, durch die nur noch die Schwalben fliegen. In beiden Büchern dienen Hansens Erlebnisse und Erfahrungen als „autobiographisches Geländer“. Sie will authentisch schreiben, nicht zuletzt in den kargen Dialogen der Protagonisten, denen sie das lokale Plattdeutsch in den Mund legt. Dabei ist für sie ein Buch nur ein Auszug aus einem größeren Textkontinuum, das aus einer Flut von Gedanken, Erinnerungen und Bildern besteht. Dieser „gasförmige Zustand“ wird zu einem „flüssigen“ mit der Abgabe des Manuskripts und schließlich zu einem „festen Zustand“, wenn nach langen und fruchtbaren Diskussionen mit der Lektorin das Buch gedruckt daliegt. Im September wird der dritte Roman „Zur See“ diesen Zustand erreicht haben und kurz nach Erscheinen in Mainz vorgestellt. Etwa gleichzeitig startet die Verfilmung von „Mittagsstunde“ in den Kinos – sozusagen der vierte, vielleicht virtuelle Zustand eines Romans. Dörte Hansen will Mainz zum Ausgangspunkt ihrer Lesereisen machen. Vielleicht hat der temporäre Umtopfungsversuch von Husum nach Mainz dann Wurzeln geschlagen.

Text Minas Foto Stefan Zahm