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Solarstadt Mainz – Drei besondere Anlagen

von Martin Frey

Fußballfans kennen ja eigentlich nur das Runde auf dem Rasen. Doch über den Köpfen thront eines der drei größten Solarkraftwerke deutscher Fußballstadien: Die Coface-Arena besitzt auf dem Dach Solarzellen mit einer Fläche von 9.000 Quadratmetern. Das ist so viel wie zwei Fußballfelder. Dieses kleine Kraftwerk leistet richtig viel und macht kaum Aufhebens darum: Jedes Jahr gewinnt es aus dem Sonnenlicht 700.000 Kilowattstunden Strom. Angenommen, man verbraucht selbst jährlich 1.500 Kilowattstunden, dann reicht das für fast 470 Personen: um den Kühlschrank und die Waschmaschine laufen zu lassen, Licht zu haben, den Fernseher in Gang zu setzen und um Fußball zu gucken. Kein Besucher kann die geräuschlose Maschine sehen, die da oben ihre Arbeit leistet. Man müsste dazu in schwindelerregende Höhen klettern. Aber das ist zu gefährlich und auch nicht vorgesehen. „Führungen auf das Dach sind nicht möglich“, sagt 05er-Pressesprecher Tobias Sparwasser. Eine Anzeigetafel, wie es sie noch für die Solaranlage am Bruchweg gegeben hatte, sucht man im Außenbereich leider vergeblich. Sparwasser erklärt uns, warum: „Die würde als Werbefläche gelten und das ist nicht erlaubt.“

Finanzierung über Bürger-Beteiligung

Für die Anlage wurden 11.000 Solarmodule hochgehievt und dort verkabelt. Pro Jahr sparen sie mit ihrem sauberen Strom 470.000 Kilogramm CO2 ein. Auch interessant ist, wie die Solaranlage auf der Arena finanziert wurde. Immerhin kostete das gute Stück rund drei Millionen Euro. Das Geld kam über das Modell einer „Bürger-Solaranlage“ zusammen: Dazu legten Stadtwerke, juwi und die Mainzer Volksbank (MVB) ein besonderes Angebot auf: Symbolisch konnte man über das „MVB-Solarsparen“ einen Teil der Anlage auf dem Stadiondach erwerben und dafür Zinsen erhalten. Das Ganze war ein voller Erfolg. Innerhalb weniger Tage war das Projekt finanziert und mehrere hundert Menschen aus Mainz und Umgebung hatten sich ihren Teil des Kraftwerks ergattert.

Auch die Stadt ist begeistert von diesem Modell: „Ich kann mir keinen besseren Ort für die Bürgersolaranlage vorstellen“, freute sich bei der Einweihung der Anlage Oberbürgermeister Jens Beutel. „Die Idee stößt offensichtlich auf breite Zustimmung und steht damit nicht nur für ein zukunftsweisendes Energiekonzept in der Landeshauptstadt, sondern ist auch Symbol einer intensiven Bürgerbeteiligung auf allen Ebenen.“ Solche Finanzierungen könnten demnach Schule machen.

Naturhistorisches Museum mit Solarfassade

Einige Nummern kleiner, dafür aber gut zu besichtigen und mitten in der Innenstadt gelegen ist die neue Solarfassade des Naturhistorischen Museums: Nach zwei Jahren Bauzeit ist in der Reichklarastraße ein neuer Anbau an das 100-jährige Museum entstanden. Und es wurde ein echter Hingucker. Eigentlich ging es nur darum, einen Fluchtweg für die Anne-Frank-Schule und das Museum zu schaffen. Doch zusätzlich ergab sich die Möglichkeit, neue Ausstellungsfläche zu schaffen und die Fassade für eine ganz besondere Solaranlage zu nutzen.
Rund 200 Quadratmeter der Verglasung bestehen aus Solarmodulen von SCHOTT solar, die halb transparent gefertigt sind. Das heißt, man kann heraus schauen, aber nicht das ganze Sonnenlicht gelangt hinein – rund 90 Prozent bleiben draußen. Und doch gibt es innen ausreichend Tageslicht. Dadurch wird es im Sommer im Inneren nicht brütend heiß und die Planer konnten komplett auf eine Klimaanlage verzichten. Die Module filtern zudem UV-Licht, sodass die Ausstellungsstücke des Museums geschützt sind.
Die Anlage erzeugt so viel Strom, wie knapp zehn Personen verbrauchen. Eine gestalterische Besonderheit ist der zweigeschossige Erker aus rotem Sandstein, welcher der Solarfassade vorgelagert wurde. Der befand sich zuvor nur wenige Meter entfernt – und fand kaum Beachtung. Nun erstrahlt er inmitten der Solaranlage im Sonnenlicht – ein echtes Schmuckstück.
Für Museumsleiter Dr. Michael Schmitz ist die neue Fassade ein „Schaufenster der Wissenschaft“. Das Museum soll zum Umweltmuseum und Zentrum für ökologische Bildung ausgebaut werden und die Solaranlage ins Konzept einbeziehen: „Eine Infotafel und eine Digitalanzeige für die Stromproduktion sind geplant.“ Der Neubau bietet noch einen besonderen Vorteil für die Besucher: Er öffnet das Museum nach außen. Der bislang schummrige Saal im Erdgeschoss ist jetzt lichtdurchflutet. Bald können die Besucher von der Reichklarastraße aus durch die Solarfassade eintreten. In das Erdgeschoss zieht dann das „Café Forster“. Benannt ist es nach dem Naturforscher und Mitbegründer der Mainzer Republik, Georg Forster (1754-1794). Sogar im Freien soll man vor dem Gebäude sitzen und seinen Kaffee genießen können, verrät uns Museumsdirektor Schmitz.

Solardach im Schiffahrtsmuseum

Ein Museum mit Ausblick in den Himmel befindet sich in der ehemaligen Markthalle am Rande der Altstadt (Neutorstraße 2). Das „Römerschiffmuseum“ heißt offiziell „Museum für Antike Schiffahrt“. Dort herrscht derzeit noch eine Baustelle, denn das Museum musste dringend überholt werden. Eine „energetische Sanierung“ stand an. In diesem Rahmen hat das Gebäude ein völlig neues Dach bekommen – mit einer neuartigen Solarstromanlage, wieder von SCHOTT solar. Dazu wurde die komplette Dachverglasung durch halbtransparente Solarmodule ersetzt. Scheint die Sonne auf das Dach, fällt leicht abgeschattetes Tageslicht in die Ausstellungsräume. „Mit dem Solarstrom wird der jährliche Verbrauch des Museums vollkommen abgedeckt“, erklärt Juliane Kiefer, die das Projekt leitet.
Das Haus gilt deutschlandweit als einzigartige Ausstellung über die Seefahrt und Technik der Antike. Zu sehen gibt es Römerschiffe, die Anfang der 80er Jahre bei Ausgrabungen in Mainz zutage kamen. Nun sollen die Dauerausstellung des Museums zentrale Neuerungen erhalten: Und zwar eine didaktische Neugestaltung sowie die Umgestaltung des Eingangsbereiches zum „Treffpunkt Archäologie“ mit Museumsshop und kleiner Café-Bar. „Das Projekt ist ein erster Baustein einer Offensive, unser Haus zum ‚Grünen Museum’ zu machen“, erzählt Juliane Kiefer. Auch bei weiteren Bau- und Sanierungsprojekten sollen Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielen. Die Wiedereröffnung ist voraussichtlich Ende des Jahres – noch im Rahmen von „Mainz – Stadt der Wissenschaft 2011“ – geplant. Man darf also gespannt sein, welche weiteren Solarprojekte und anderen Umweltmaßnahmen demnächst in unserer Stadt realisiert werden. Nachahmer sind herzlich eingeladen!