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So wohnt Mainz – Zu Besuch in der Politik-WG

Gemeinsames Daddeln
von Anna Strobel und Jonas Otte (Fotos)

Weit draußen im Grünen ziert ein Graffiti mit dem Schriftzug „Laubencrime“ die Wand der Unterführung des Bahnhofs Laubenheim. Crime in Laubenheim? Ausgeschlossen. Das L.A. von Mainz hat nichts mit seinem großen Bruder gemein. Ganz im Gegenteil, das dörfliche Laubenheim ist eher abgeschieden und verträumt, die Straßen still und beschaulich. Hier thront auch die urige Kneipe Leon.

Ein Schild vor dem Eingang lädt ein zum gemütlichen Plausch bei einer Auswahl von 160 verschiedenen Sorten Bier aus aller Welt. Zwei Schritte weiter liegt ein geschichtsträchtiges Fachwerkhaus aus Renaissancezeiten. Daneben ein unauffälliges Mehrfamilienhaus. Eine breite Treppe führt hinauf zum Hauseingang einer Wohngemeinschaft. In der ersten Etage haben sich drei Politikstudenten ein Zuhause geschaffen. An den Wänden des Flurs finden sich bunte Urlaubsbilder und kaum hat man die Küche betreten, tritt das typische WG-Flair auf. Aber warum Laubenheim?


Arbeitslose Akademiker?

Luca (23), Johannes (23) und Lars (22) wohnen hier. Was die drei verbindet ist neben ihrem Wohnsitz vor allem ihr Studienfach: Politikwissenschaft. Schon seit der Schulzeit begeistert sich das Trio für diese Materie. Politik sei wichtig und betrifft alle, ist sich Luca sicher. Die drei jungen Männer wünschen sich, dass sich mehr Leute mit politischen Themen beschäftigen würden, dass man sich eine eigene Meinung bildet und brisante Themen wie die Flüchtlingskrise nicht nur oberflächlich diskutiert: „Viel zu oft arten Gespräche über Politik in Stammtischdiskussionen aus, daher ist es wichtig, sich zu informieren“, ergänzt Johannes.jonas_otte_wg_la-5

Doch kann man damit auch mal Geld verdienen? Ihre Wohnung in Laubenheim ist zumindest schon einmal den teuren Mieten in der Innenstadt geschuldet. Luca glaubt nicht an das Klischee des arbeitslosen Akademikers: „Größtenteils landen Sozialwissenschaftler in Berufsfeldern, die fachnah sind und nur wenige kommen nirgendwo unter.“ Auch Lars glaubt, dass man mit Politikwissenschaften bessere Chancen hat, einen Job zu bekommen, als beispielsweise mit Germanistik oder Theaterwissenschaften. „Ein wenig Sorgen wegen  der Zukunft mache ich mir aber schon“, gibt er zu. Praktika und den Master machen, so lautet ihr Geheimrezept, um erfolgreich ins Berufsleben zu starten. Konkrete Pläne gibt es für die Politiker aber noch nicht.

Die Zugezogenen

Die Einrichtung der WG wirkt sympathisch männlich und ist bunt zusammengewürfelt. Die drei Jungs sitzen am großen Küchentisch zusammen. Dreieinhalb Monate ist es her, dass sie sich in Laubenheim niedergelassen haben. „Wir sind im sechsten Semester, kennen uns aber schon seit Anfang des Studiums.“ Ursprünglich kommen sie aus dem Rheingau, dem Hochwald und dem Westerwald. Warum Mainz? „Kontakt zu meinem Freundeskreis zu halten war mir wichtig“, erzählt Luca. „Außerdem ist Mainz eine schöne Stadt“, sagt Johannes.

jonas_otte_wg_la-1Lucas Zimmer ist mit seinen 9qm das Kleinste. Das Bett hat er selbst gebaut, „da der Raum so winzig ist, musste ich Stauraum schaffen“. Insgesamt nennt er vier Gitarren sein Eigen, die alle untergebracht werden wollten, eine elektrisch, die anderen beiden akustisch und eine Ukulele. Im Regal des Musikliebhabers tummeln sich Black Metal Schallplatten und CDs mit skurrilen Namen wie „The Lemming Project“ und „Deströyer 666“. Dass Metal Bands oft humorvolle Namen haben, untermalt er mit einem weiteren Beispiel: „Die Band, die Lemming Project gemacht haben, sind bekannt für ihre Namenswahl. Witzige Nebenprojekte von denen sind „Sons of Tarantula“ und „Grober Knüppel.“ Schon seit langem begeistert ihn die Musikrichtung: „Das liegt wahrscheinlich daran, dass extreme Gefühle ausgedrückt werden, die im Alltag keinen Platz finden.“

Mit Johannes´ Amerika-Leidenschaft kommen Besucher schon beim Betreten der Wohnung in Berührung. Die Flagge der Vereinigten Staaten dient als Sichtschutz für die gläserne Zimmertür und begrüßt jeden Gast. Sie erinnert den 23-Jährigen an seine Familie, die in den Staaten lebt. Darüber hinaus dient sein Zimmer – ausgestattet mit einer bequemen Couch und Daddelecke mit Playstation – als Wohnzimmer. „Wir treffen uns hier häufig abends um zu zocken oder fernzusehen“ erklärt Lars. Zurzeit schauen sie sich die neue Staffel von Game of Thrones an.

Last not least wohnt auch der zwei Meter große, rotbärtige Lars in der WG. Seine Mitbewohner nennen ihn scherzhaft ‚Barbarossa‘. Von Überladung kann in seinem Refugium keine Rede sein. Ganz nach dem Motto weniger ist mehr zeugt das Bett aus Palletten von Schlichtheit. „Einen Schreibtisch werde ich mir aber schon noch besorgen“, schmunzelt er.