Seit Jahrhunderten gab es kein ziviles Leben mehr im Osteiner Hof. Kaiser Wilhelm I. residierte hier. Später war der Prachtbau Hauptquartier des Prinzen Friedrich Karl Nikolaus von Preußen. Im Zweiten Weltkrieg brannte er völlig aus, wurde aber auf Betreiben der Besatzungsmacht Frankreich 1947/48 wiederhergestellt. (Foto: Harald Kaster)
Zuletzt war die Bundeswehr hier beheimatet. Vor drei Jahren kam das Gebäude schließlich unter den Hammer. Das Konzept der Investoren sieht eine Mischung aus hochpreisigem Wohnen und Gewerbe vor. Während im Haupthaus aktuell noch Handwerker zugange sind, ist der Seitenflügel bereits bewohnt. Es wird genächtigt, gekocht und gelebt in den alten Mauern. Allerdings nicht von Mainzern, sondern von Menschen, die hier zu Besuch sind. Den kompletten Seitenflügel hat ein einziger Mieter übernommen und die Räumlichkeiten zu vollmöblierten Appartements ausgebaut.
Appartements auf Zeit
Neun Appartements zwischen 27 und 98 qm befinden sich hier, preislich je nach Saison und Anfrage zwischen 80 und 240 Euro pro Nacht, darunter auch zwei barrierefreie Wohnungen im Erdgeschoss. In der größten Wohnung können bis zu zwölf Menschen übernachten. Drei weitere Appartements sind in Planung. Es handelt sich um „Appartements auf Zeit“, also für die Dauer eines Wochenendtrips, aber auch für mehrere Monate. Verantwortlich ist Benjamin Saffran, Geschäftsführer der „Value Factory GmbH“, der die Räumlichkeiten angemietet hat. „Der Besitzer wollte den Osteiner Hof so einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen“, erklärt er.
Das äußere historische Bild spiegelt sich im Inneren wider: Türen und Stuck wurden aufgearbeitet, die messingfarbenen filigranen Verschlüsse der Fenster sind geblieben. Ein Highlight ist das geräumige Treppenhaus aus dunklem Holz, das die Gäste im Eingangsbereich erwartet. Eine riesige goldene Troddel hängt an einer Treppensprosse. Auch eine Sitzgruppe aus antiquarischen Polstermöbeln findet hier Platz. Ölgemälde in goldenen, verschnörkelten Rahmen bebildern die Flure und vereinzelt auch Appartements. Die Zimmer sind mit Kronleuchtern ausgestattet und mit dicken Tagesdecken aus Stoffen in Brokat-Optik versehen. Hier und da wird in der Einrichtung aber auch auf den schlicht-modernen Stil von IKEA zurückgegriffen. Eine Mischung aus Moderne und Klassik also, Charakter und Historie des Gebäudes Rechenschaft zollend.
Klientel bunt gemischt
Neben Touristen, die an den Appartements die Möglichkeit der Selbstversorgung schätzen, quartieren sich viele Berufstätige ein. So nutzt das Staatstheater die Räumlichkeiten für Schauspieler, Tänzer und Gast-Regisseure. An Fastnacht waren der DJ vom Hurenball sowie die komplette Schützengarde (zwölf Mann) einquartiert. Durch das jährliche Einläuten der 5. Jahreszeit am 11.11. vom Balkon des Osteiner Hofs aus fühlten sie sich der Unterkunft besonders verbunden.
Aber auch Mediziner, die an der Unimedizin zu tun haben, seien Kunden, berichtet Saffran, sowie Gäste verschiedener Wirtschaftsinstitutionen. „Die Nachfrage gerade auch von wohlhabenden Kunden aus dem arabischen Raum ist groß.“ Die Eigentümer des Gebäudes, die „Osteiner Hof Entwicklungsgesellschaft mbH“, sieht die Entwicklung positiv. Das alte Adelspalais wird wieder belebt. Und auch das Haupthaus soll ab Mai bezugsfertig sein. Die gesamte Front wurde in den letzten Monaten saniert, der Sandstein bearbeitet, die Putten gesichert und instandgesetzt. Die noch verbliebenen Teile des Gerüsts sollen in den nächsten Wochen abgebaut werden.
Nur die wertvolle Eingangstür, die ebenfalls aufgearbeitet wurde, soll erst nach Abschluss aller Arbeiten wieder eingesetzt werden. Im Haupthaus sind aktuell rund 50 Prozent vermietet. Erste prominente Mieter sind die Altstadtpraxis Mainz und das Steuerbüro Autenheimer aus Bingen, das hier eine Zweigstelle eröffnet. Die Mietpreise liegen zwischen 700 und 1.700 Euro kalt für Flächen von etwa 39 bis 75 qm. Die Beletage, mit ihrem markanten Balkon Richtung Schillerplatz hat gleich mehrere Interessenten: vom Finanzdienstleister über Beratungsfirmen bis hin zu Event-und Marketing-Agenturen reizt es so manchen, im Herzen von Mainz ein wenig kurfürstlich zu leben.
von Cordula Schieferstein und Johannes Döppler (Fotos)