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So wohnt Mainz: Kreative „Familien“- Idylle im Hinterhof

Durch die Einfahrt des späthistorischen Zeilenwohnhauses gelangt man in einen hellen Hinterhof. Rechts flankiert von einem doppelstöckigen Gebäude, auf der Stirnseite von einem 3-Etagen- Flachbau. Das Ensemble erinnert an ein Fabrikgelände. Der Anblick der Stahltüren im Treppenhaus verstärkt den Eindruck noch. Eine ganz andere Welt eröffnet sich jedoch, wenn man oben ankommt: Im Zuhause von Stefanie (Steffi) Ohler, Jürgen (Ju) Baumhauer, Sarah Lilienthal und Camila Alarcon regieren Zimmerpflanzen, Holzböden und Kunstwerke.

Es sind stilvoll eingerichtete Räume und dank der hohen Fenster offenbart sich eine wohltuende Helligkeit. Auf 140 qm verteilen sich vier etwa gleich große Schlafzimmer, ein lichtdurchflutetes Wohnzimmer, Küche und Bad. Der Vormieter hat in die loftartige Wohnung Wände eingezogen und kuschelige Nischen gemauert, die nun als Hochbett und „Privatlounge“ dienen.

Kreative Kombination

Ein Blick genügt, um festzustellen, dass hier jede Menge Kreativität zuhause ist. Die Fotos von Ju zieren die Wände. In Steffis Zimmer dominieren Drucke und Zeichnungen aus ihrer Feder. Die Lampen in Küche und Wohnzimmer sind Eigenkreationen der WG. Ebenso wie die getöpferten Pötte und handgefertigten Blumenampeln, ein Faible von Sarah. Auch sonst arbeiten alle Bewohner im kreativen Bereich. Steffi ist Kunstlehrerin und Comiczeichnerin, Jürgen Schreiner, Bauingenieur und Fotograf, Sarah arbeitet als Produktdesignerin und Camila im Bereich Industriedesign. Das sei eher Zufall, sagt Ju. Dennoch ist es eine Inspiration für alle. „Ich glaube, wir bringen uns gegenseitig dazu, noch ein bisschen kreativer zu sein“ sagt Steffi. „ Es ist schon sehr inspirierend hier“, findet auch Camila.

Küche als Mittelpunkt

Die freundliche Einrichtung wird nur noch übertroffen vom herzlichen Empfang der Gemeinschaft in der urigen Küche. Sie ist Magnet der Wohnung und Lieblingsplatz aller Bewohner (und Gäste), besonders im Winter. Dann ist sie nämlich auch der wärmste Ort in der Wohnung. Auch sonst ist sie „Familientreffpunkt“. „Wir kochen fast jeden Abend zusammen und essen gemeinsam wie eine Familie“, freuen sich alle. Häufig sind zum Dinner auch Freunde und Partner eingeladen. Ju ist der Küchenchef und „Hahn im Korb“. Von seinen regelmäßigen Auslandsreisen bringt er nicht nur Fotos, sondern auch neue Rezepte und kulinarische Inspirationen mit. Die Küchenregale sind prall gefüllt mit exotischen und anderen Zutaten. Arbeitsteilung ist dennoch angesagt: Steffi zeichnet sich fürs Schnippeln zuständig, Sarah und Camila sorgen für Spaß und Ordnung, stellt Ju klar, und alle lachen. Wenn Camila, die aus Ecuador stammt, mal eines ihrer Nationalgerichte kocht, wird das zum besonderen Event mit noch mehr Gästen.

WG als Zuhause und Familie

Die vier Bewohner fühlen sich wie eine Familie. „Wir machen auch wirklich viel gemeinsam, gehen zum Beispiel dreimal die Woche bouldern. Und auch die Partner sind integriert“, sagt Steffi. Für alle ist es nicht die erste WG-Erfahrung, doch – und das bestätigen sie im Quartett – die bisher beste. Steffi und Jürgen sind seit 2015 Hauptmieter und noch länger ein Paar. „Wir alle profitieren von der Mehrdimensionalität. Und die verschiedenen Lebensfacetten bereichern auch unsere Beziehung. Außerdem bin ich dann nicht ganz allein, wenn Jürgen wieder auf Reisen ist.“ (Ju nimmt sich jedes Jahr ein paar Monate Auszeit, um ferne Länder, die touristisch noch wenig erschlossen sind, mit der Kamera zu erkunden. Dann sorgt ein Zwischenmieter für noch mehr Abwechslung …) Eine andere Lebensform ist für alle jedenfalls kaum noch vorstellbar. „Meine Familie lebt in Ecuador, mein Bruder ist zwar in Deutschland, aber auch weit entfernt. Für mich fühlt es sich hier an wie Zuhause“, so Camila. „Es ist nicht ein Ersatz für Familie, es ist Familie“ meinen sogar Sarah und Jürgen. „Jetzt müssen wir nur noch Kinder produzieren“, weiß Ju lächelnd.

Toilette mit Discoglamour

So locker wie die Stimmung gestaltet sich das Zusammenleben der Wahlfamilie. Fixe Regeln gibt es keine. Es wird „geschwisterlich“ geteilt. Zur Zeitersparnis aller hat die WG vor kurzem eine Putzfrau engagiert. Selbst um das einzige Bad in der Wohnung gibt es selten Gerangel. Es ist praktischerweise dreigeteilt, in einen Bereich mit Dusche und Wanne, den Zwischenraum mit Waschbecken und die Toilette. Die muss man sich dann doch ab und zu mal erkämpfen. Eine riesige Discokugel, die von der Decke herab glitzert, lädt zum Verweilen ein.

Text Christina Jackmuth Fotos Frauke Bönsch