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So wohnt Mainz: Ein neues Leben im Bauwagen


Text: David Gutsche, Fotos: Jana Kay

Ein neues Leben beginnen, diesen Traum kennt fast jeder. Sei es aus Frust, Lust, Schicksal oder plötzlichen Wendungen. Oft ist es auch das Ende einer Beziehung, das einen den „Cut“ ziehen lässt. So geschehen bei Brina (30 Jahre).
Brina heißt eigentlich Sabrina Ullrich und kommt aus Nierstein. Eine aufgeschlossene, lebendige Frau mit roten Haaren, Sweatshirt und vielen Tattoos. Brina und ihr Mann haben sich letztes Jahr getrennt. Sechs Jahre waren sie verheiratet und kennen sich über zwölf Jahre. Beide kommen aus der Skater Szene, auch wenn Brina von sich selbst behauptet, eigentlich ein totaler „Schisser“ zu sei. Doch mit ihrem Mann hat sie die Freiheit und das Abenteuer kennen gelernt. Zuerst ganz sachte durch kürzere Reisen nach Spanien, dann Lanzarote und später auch mal Indonesien. Das hat sie beeinflusst und ihren Horizont erweitert. Und so wurde aus der kleinen Verkäuferin bei New Yorker erst mal Filialleiterin und plötzlich etwas ganz Neues – denn dann kam die Trennung.

Unterwegs im Bauwagen
Das Paar teilte sein „Vermögen“ und ihr Mann gab ihr den Tipp: „Jetzt mach erst mal mit dem Geld, was du schon immer machen wolltest.“ Was also ist das? Brina nahm all ihren Mut zusammen, kündigte ihren Job, ihre Wohnung und kaufte sich im September einen ehemaligen Getränkewagen. Der 4,5 Tonner gehörte vormals einem Kite-Surfer und war so bereits wohnlich ausgebaut, vor allem Küche und Bad inklusive. Dennoch musste sie einiges reinstecken, Fußböden raus, neue Einrichtung rein. Dabei half ihr neuer Weggefährte Alex und dessen Vater, ein Hausmeister mit reichlich Werkzeug und Ideen. Nun wirkt das Interieur Mädels- mäßig und erinnert an das Café „Annabatterie“ in der Neustadt: hölzerne Schubladen, viele Fotos überm Bett, alles klein auf fein untergebracht. „Eigentlich ist es eine Miniaturausgabe meiner Wohnung“, sagt Brina und irgendwie scheint der Stil erst mal nicht zu der voll tätowierten Lady zu passen. Sie dazu nur schmunzelnd: „Das täuscht. Die meisten Tätowierten, die ich kenne, sind in Wirklichkeit ziemliche Weicheier, das sieht nur so hart aus …“ Weichei-tum kann Brina sich jedoch nicht erlauben, denn sie hat es mit handfesten Problemen zu tun: Fäkalien entsorgen, Wäsche zum Waschsalon bringen, Wasserkanister besorgen und Strom ist auch ein Dauerbrenner. Vor allem die Arbeit am Laptop zieht gut Energie und so müssen Kerzen zur abendlichen Beleuchtung glimmen. Sonst ist es aber heimelig warm im Wagen, eine Gasflasche sorgt für den nötigen Heizstoff.

Tierische Ausmaße
Das beste „Accessoire“ in Brinas neuem Leben ist jedoch Bulldogge Kalle. Diesen kleinen beißfesten Lebenstraum hat sie sich gleich mit geleistet. Und für seine gerade mal fünf Monate ist die kleine Wurst ziemlich kaltschnäuzig und dominant. „Das ist viel Arbeit. Da muss ich mich durchsetzen“, so Brina. Doch das liegt ihr, denn schon in ihrer Kindheit musste sie den irischen Wolfshunden und Bordeauxdoggen ihrer Eltern die Stirn bieten. Kalle dagegen ist viel kleiner, robuster und muskulöser, ein Kämpfer wie sein Frauchen, der nicht mehr loslässt, wenn er sich einmal verbissen hat. Kalle ist übrigens nicht das einzige tierische Element in Brinas neuem Leben. Seit einiger Zeit beschäftigt sie sich noch mit so genannten „Gartenhühnern“. An den Job ist sie durch ihren Ex-Mann gekommen, der Web-Seiten programmiert. Sie optimiert die Seiten und ist gleichzeitig als online-Redakteurin tätig. Und die Viecher liegen scheinbar im Trend: „Ob als Eier- oder Fleischproduzenten, als Haustiere für die Kinder oder einfach nur wegen der Freude an den Vögeln: Hühner sind robust, leicht zu halten und passen gut in das Ökosystem eines Gartens.“ Sagt jedenfalls die entsprechende Seite. Und so kämpft sich Brina auch hier durch neues Terrain.

Den eigenen Weg finden
Das Talent für den neuen Job kommt vielleicht von Papa, der ist Ingenieur und Entwickler, aber von Brinas neuem Leben nicht ganz so begeistert. „Meine Eltern haben erst mal ziemlich reserviert reagiert und sich meinen Wagen bis heute nicht angeschaut.“ Es war, als könnten sie nicht verstehen, dass weniger Luxus auch glücklich machen kann. Das passte nicht in ihr Weltbild. „Manchmal muss man eben gegen den Strom schwimmen, auch wenn’s nicht leicht ist. Ich muss mich da auch erst mal dran gewöhnen“, meint Brina. Und so steht das robuste Gefährt unbeeindruckt am Rhein und morgens klopfen die Schwäne ans Fenster. Ein Leben in der Natur, aber leider kein Dauerzustand, denn wildes Campen ist hier verboten. Also sucht Brina derzeit nach einem neuen Stellplatz. Eventuell geht sie nach Frankfurt, denn dort betreibt ein Freund eine Boulderhalle, wo sie an der Bar arbeiten könnte. Einen wirklichen langfristigen Plan hat sie aber nicht, sondern lebt spontan in den Tag hinein und entdeckt so, wer sie ist, was sie will und was ihr gut tut. Im Leben lässt sich nun mal nicht alles planen. Denn Leben erfordert Herz und Mut und beides trägt sie am rechten Fleck. Und wen interessiert schon das Ziel? Der Weg ist das Ziel. Und es ist nie zu spät, etwas daran zu ändern.

5 responses to “So wohnt Mainz: Ein neues Leben im Bauwagen

  1. (Bitte weiterleiten an Sabrina Ulrich mit dem Bauwagen)
    Hi Brina,
    habe eben die Sendung mit Dir, Kalle und Deinem Bauwagen gesehen. Ich heisse Zubi, wohne mitten in der Schweiz und beneide Dich sehr, wie Du Deinen Weg eingeschlagen hast. Ich bin kleinwüchsig, und mein Leben ist geprägt von Rückenschmerzen (Achondroplasie). Darum käme dies für mich nicht in Frage, leider.
    Ich bewundere Deinen mutigen Schritt. Aber es lohnt sich, wenn man alle schöne Seiten zusammen zählt.
    Ich würde Dir gerne eine kleine Unterstützung zukommen lassen. Jetzt denkst Du sicherlich, typisch Schweizer so überheblich. Nein bitte nicht! Denn auch bei uns in der Schweiz muss man für das Geld arbeiten. Ich selber lebe allein und komme über die Runden.
    Falls Du meine Spende annehmen möchtest, kannst Du mir Deine BankNr angeben. Ich werde es dann über E-Banking einzahlen. Das ist kein Fake, sondern wahre Bewunderung, wie Du Dein Leben meisterst. Wenn es mir soweit gut geht, soll es Andern auch gut gehen!
    Nun überlege es Dir in Ruhe. Ich wünsche Dir noch viele schöne Erlebnisse mit Deinem umgebauten Bauwagen, und lass Dich nicht übers Ohr hauen!
    Liebe Grüsse aus der Schweiz, toi toi toi !
    ZUBi

    zubiboss@datazug.ch
    Würde mich sehr freuen auf ein Rückmail.

    1. Die Bewunderung eines Menschen ist tausend mal mehr wert als Geld. Aber Vielen Dank. Nehm das Geld und tu dir was richtig gutes damit. Einen Tag im Spa, oder so. Sauna ist bei diesem Wetter Hammer.
      Vielen herzlichen Dank. Mit soviel positiv Feedback hatte ich nicht gerechnet. Das ist cool.

      1. OK. wollte nur was gutes für Dich tun. In Deinem Leben muss man ja auf Vieles verzichten. Aber ich merke, Du bist soweit. Das ist Dein Leben. Viel Glück wünsche ich Dir und mach Dein Ding weiter so. Hut ab!
        Alles Gute………..
        ZUBi

  2. Die Idee im Wohnmobil zu leben von Brina ist sehr gut.
    Statt Hartz VI autark im eigenen kostengünstigen Reich leben.
    Lebe ebenfalls im Solarmobil.
    Jemand der sich wohltuend von der deutschen Mentalität abhebt.
    Mach weiter so Brina.
    lg matthias pinn

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