Der Kirche sollten doch so einige Immobilien in Mainz gehören. Den neuen Bischof Prof. Dr. Peter Kohlgraf (50 Jahre) steckt man trotzdem erst einmal ins „kalte Loch“. Der gebürtige Kölner nimmt das mit trockenem Humor: So kalt sei der Altbau aus der Mitte des 19. Jahrhunderts nun auch wieder nicht. Da ist der Sohn eines Maurermeisters und einer Krankenschwester schon anderes gewohnt. Und glücklicherweise hat das kalte Loch seinen Ruf wegen der Zugigkeit der kleinen Gasse und nicht der Kälte des Hauses.
Ersatzlösung
Das 380 qm-Gebäude in der Domstraße wurde kürzlich grundsaniert. Rund 700.000 Euro investierte das Bistum. Die Investition war nötig, denn das Haus stand nach einem Dachstuhlbrand vor zwei Jahren leer. Ein Viertel der Kosten trug die Versicherung. Kohlgrafs Privatwohnung liegt im dritten Stock. Auf rund 100 qm stehen hier ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, ein Esszimmer, ein Bad, eine Einbauküche sowie ein Gästezimmer samt zweitem Bad und eine kleine Kapelle unter dem Dach bereit. Die wohnliche „Lösung“ ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass Ex-Kardinal Lehman noch in seinem alten Sitz – der eigentlichen Bischofsresidenz am Bischofsplatz – wohnen bleiben darf. Dem 81-jährigen wollte man einen Umzug schlichtweg nicht zumuten.
Nüchtern und reduziert
Der große Vorteil der Wohnung: Vis a vis befindet sich der Dom. Direkt zur Tür raus ist der ehemalige Professor also schnell in seiner Wirkungsstätte. In der Wohnung wirkt der neue Bischof dagegen fast ein wenig schüchtern und aufgeregt. Kein Wunder, denn zum Pressetermin erscheinen fast fünfzig Journalisten, die jedes Detail unter die Lupe nehmen. Die Ausstattung: modern und bescheiden. Das Gebäude-Ensemble besticht durch Reduktion auf das Wesentliche. Kohlgraf sitzt auf einem Sofa aus dem 18. Jahrhundert, ein Erbstück und eines der ersten Möbelstücke in der Wohnung: „Es muss noch gemütlicher werden“, guckt er sich etwas verloren in dem sonst leeren Zimmer um.
Goldene Wasserhähne sucht man hier vergeblich. Schlicht ist auch das zweite Obergeschoss: dezente Stuckleisten an der Decke, helle Holztüren. In der Einbauküche wartet ein Schild mit Loriots Frühstücksei-Sketch auf Aufhängung. Ja, er koche auch gerne. Und: Er freue sich darauf, wieder „mitten im Getümmel“ zu leben. Als Bischof wolle er sich einmischen. Die Integration werde ein Thema sein, ethische Dinge in der Medizin: „Jedes Mitglied der Kirche ist berufen, mitzumachen, wo Hilfe gebraucht wird, wo andere schweigen; eine respektvolle Sprache zu sprechen, wo andere Hass säen, und hinzuschauen und zu hören, was der andere Mensch braucht.“ Und dann spielt er auf seinem Flügel: „Chopin ist unübertroffen“. Für die anwesenden Journalisten verrät Kohlgraf, dass er auch Saxophon und Klarinette spielt und gern Fahrrad fährt, natürlich ein schwarzes. Das steht im Keller, neben etwa 100 Bücherkisten. In wenigen Wochen sollen die in der Wohnung ausgepackt sein. Das CD- und DVD-Regal im Flur ist schon eingeräumt. Neben „Columbo“ und „Poirot“ findet sich hier die Komödie „Der Wixxer“.
Kohlgraf wird in Mainz ankommen. Das Amt und Lehmanns Erbe sind keine leichte Bürde. Er weiß warum es ihm zur Bischofsweihe entfuhr: „Ein Dank an den Heiligen Vater für die Ernennung, die mich berührt und auch ein wenig erschüttert hat“. Kohlgraf wird Lehmann nicht imitieren, sondern eigene Akzente setzen. Die ersten großen Personalentscheidungen im Bistum wurden bereits getroffen. Vor allem der Glaube sollte seiner Ansicht nach freier sein, ohne Zwang: „Menschen nehmen heute ihre Freiheit sehr ernst. Auch als Folge davon verändert sich die kirchliche Landschaft. Man geht nicht mehr in unsere Kirchen, weil man das eben so tut. Aber steckt darin nicht auch eine große Chance? Dass wir nicht einfach nur routiniert verwalten, und alles läuft wie gewohnt? Heute müssen wir Menschen überzeugen. Wir dürfen uns auch nicht täuschen lassen in der Erinnerung an nur scheinbar bessere Zeiten. Illusionen zu entlarven, kann etwas sehr Heilsames sein.“ Das klingt spannend. Und die Mainzer haben ihn bisher positiv aufgenommen. Kohlgraf ist kein Protzbischof, sondern unverstellt, offen, unkompliziert und mit einem Schuss Humor. Mainz und Köln trennt also doch nicht ganz so viel.
Text David Gutsche Fotos: Katharina Dubno