Normalerweise leben in WGs um die drei bis sechs Leute. Anders sieht es bei Paula Ritonnale in der Oberstadt aus. Seit Beginn ihres Studiums lebt die junge Taunussteinerin gleich mit 21 Mitbewohnern auf einem Grundstück in zwei Häusern zusammen. Dort treffen Studierende aller Altersgruppen, Fachrichtungen und aus allen Regionen Deutschlands aufeinander. „Ich brauche Menschen um mich herum und die damit verbundene Gemeinschaft“, erklärt Paula. Sie selbst bezeichnet das Wohnen auch nicht als Wohngemeinschaft: „Live-Time-Commitment“ trifft es wohl eher. Wohnen, Leben, Veranstaltungen planen, durchführen und besuchen sowie übernommene Aufgaben innerhalb der Community prägen den Wohnalltag der 19-Jährigen.
Turner-Verbindung ATV Silesia
Dem Dachverband der Akademischen Turn- und Sportverbindungen gehören politisch neutrale und nicht-schlagende Studentenverbindungen aus Deutschland an – so auch in Mainz. Alter, Geschlecht, vorherige Ausbildungen oder der Lebenslauf sind für den Einzug nicht erheblich. Als einzige Voraussetzung gilt der Nachweis eines entsprechenden Studiums. Dementsprechend treffen hier angehende Chemiker, Mediziner, Juristen, Informatiker, Lehrer oder Theologen aufeinander. Der Sport verbindet als sinnstiftendes und gemeinschaftsbildendes Element und soll ein abwechslungsreiches Leben mit unterschiedlichen Menschen ermöglichen. Turnen stellt aber nur eine sportliche Betätigung dar: Skifreizeiten, Fußballturniere, 24-Stunden-Läufe, Segeltouren oder reiner Freizeitsport gehören ebenso dazu. Paula selbst organisiert im Team einige Aktivitäten der ATV Silesia zu Mainz oder besucht die der anderen Verbindungen des Dachverbandes.
Gemeinschaftsräume mit Rückzugsorten
Neben einigen Gemeinschaftsräumen lädt der schöne Garten mit Pool im Sommer zum Verweilen ein. Veranstaltungsräume im Keller mit Fernsehzimmer und Lagerräume sowie natürlich ein Fitnessraum runden das Wohngeschehen ab. Anders die 22 Privatzimmer: Im Unterschied zu einer typischen WG sind viele der Zimmer mit einer eigenen kleinen Küchenzeile und Badezimmer ausgestattet. Dort wird gelernt und gekocht, aber auch Freizeit genossen. „Bei einer so großen Anzahl von Menschen um mich herum brauche ich immer wieder auch mein Zimmer als Rückzugsort“, so Paula. Dabei liebt sie den Ausblick ins Grüne. Und ihr Zimmer ist persönlich eingerichtet: Möbelstücke, die sie selbst mitgebracht hat. Zwei Schränke,
Schreibtisch, Bett – mehr braucht man als Studentin nicht; für mehr wäre auch kein Platz. Auf ein großes Bett möchte sie aber nicht verzichten. Trotz der zweckmäßigen Studenteneinrichtung soll es gemütlich und wohnlich sein. „Es sind Kleinigkeiten, die dieses Zimmer zu meinem werden lassen“, sagt Paula. Dazu gehören auch die Bilder und kleine Dekorationen sowie ihre teils gelebte und geliebte Unordnung. Lieblingsfotos werden regelmäßig aktualisiert und mit Bedacht aufgehängt.
Wohnen, Studieren und andere Verpflichtungen
Paula lebt mit vielen Nebenjobs in Mainz. An der Uni verbringt sie einen Teil der Woche. Nicht
nur ihre Tätigkeit in der Fachschaft ihres Studienfaches, sondern auch die Aufgaben, die ihre Ämter in der Verbindung mit sich bringen, nehmen Zeit in Anspruch. Ihre Verantwortungen innerhalb der Wohnsituation haben jedoch Priorität. Langweile kommt bei ihr selten auf und für Abwechslung ist immer gesorgt. Gestresst fühlt sie sich dadurch nicht. Vielmehr sieht sie ihr Leben als eine Simulation auf die Zukunft: „Ich lerne durch meine Wohn- und Lebenssituation so viel, was mir die Uni allein oder meine Hobbys nicht lehren könnten“, erklärt sie den strammen Wochenplan. Sich an Abgaben zu halten, Verantwortung gegenüber 21 anderen Mitbewohnern zu übernehmen, mit Gruppenbildung und Hierarchiedenken sowie unterschiedlichen Charakteren umzugehen, stellen wichtige Aspekte in ihrem Leben dar. „Ich bin seit den
vergangenen vier Semestern ein anderer Mensch geworden. Durch den Kontakt zu so vielen Menschen weiß ich genau, wo meine Schwächen und wo meine Stärken liegen. Das hätte ich in so kurzer Zeit nirgendwo sonst herausfinden können“, fasst sie die Auswirkungen ihres abwechslungsreichen Lebens zusammen.
Text Maike Schuppe Fotos Marla Dähne