von Felix Monsees & Sascha Kopp (Fotos)
Verkehrte Welt: ausgelassene Stimmung auf allen Rängen beim Mainz 05 Spiel – nur im Q-Block herrscht absolute Stille. Denn die Ultras, die sonst für gute Stimmung sorgen, schweigen – keine Fahnen, keine Banner, keine Gesänge, dafür eine aufgeladene Atmosphäre. Schuld daran ist nicht die Mannschaft, die mit einem packenden Sieg gegen den VFB Stuttgart eine sehr gute Hinrunde beendet hat. Das Schweigen der aktiven Fans gilt dem umstrittenen Strategiepapier „Sicheres Stadionerlebnis“ vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL).
In dem Papier sind unter anderem verschärfte Einlasskontrollen in den Stadien und reduzierte Kartenkontingente für Gäste-Fans bei Verstößen vorgesehen. Und diese Maßnahmen bringen viele eingefleischte Fans auf die Palme. Denn sie fühlen sich gegängelt und fürchten um eine lebendige Fankultur. Als die Ultras auch noch „Scheiß DFB“ skandieren, werden sie wiederum vom Rest des Stadion ausgepfiffen, die diese Sorgen und Befürchtungen nicht teilen oder verstehen können. Nach dem Spiel lässt sich die Mannschaft nicht wie üblich vor dem Stimmungskern im Q-Block feiern, sondern zieht weiter vor die Haupttribüne. Harald Strutz (Präsident von Mainz 05) erklärte kürzlich in einem AZInterview, die Ultras brauchen erst gar nicht ins Stadion kommen: „… zu sagen: Ich mache nichts, das geht auch nicht. Dann sollen sie halt zu Hause bleiben…“ „Hätte er so etwas vor einem halben Jahr über die Haupttribüne gesagt, hätten wir ihn gefeiert wie einen König“, sagt dafür Florian Zawalski vom Fanclub Meenzer Metzger. Er ist kein Ultra, aber ein aktiver Fan. Sein Fanclub hat einen offenen Brief an Strutz geschrieben (nachzulesen unter www.meenzer- metzger.de). Ihr Vorwurf: Der Präsident treibe mit seinen Vorwürfen einen Keil zwischen Fans und Verein. „Wir sollten lieber miteinander als übereinander sprechen.“
Sicherheitskonzept ohne Fanbeteiligung
Die 90 Minuten Stille gegen Stuttgart waren nicht der erste Protest gegen das Strategiepapier. Bereits drei Spiele vorher blieb das Stadion nicht nur in Mainz, sondern in fast ganz Deutschland für 12 Minuten und 12 Sekunden still, um für den 12. Dezember ein Zeichen zu setzen. Denn an diesem Tag wurde das Sicherheitskonzept verabschiedet. Aber warum protestieren die Fans gegen mehr Sicherheit? Zawalski: „Es geht um den Weg. Die Basis wurde nicht gehört.“ Fanvertreter und Vereine hätten keine Zeit gehabt, um auf den Schnellschuss zu reagieren, der in kurzer Zeit und auf Druck der Innenminister entstand. Fanvertreter hatten keine Gelegenheit, daran mitzuarbeiten. Und die Fans haben Angst, dass die härtere Gangart zum Standard wird und so die Möglichkeiten der Fans eingeschränkt werden. Nur wenige Vereine, wie Union Berlin und St. Pauli, haben sich gegen das Konzept ausgesprochen. Und für die aktive Szene war klar: Der Protest geht weiter.
90 Minuten Schweigen sind keine Lösung
„Es ist jedem selbst überlassen, ob er mitsingt oder nicht, aber wir wollten nicht zum Alltag übergehen“, sagt Zawalski. Anders als von Strutz und manchen Medien behauptet, habe es jedoch keinen Boykottaufruf gegeben. Die aktiven Fans machten nur klar: Bei den Umständen haben wir keine Lust zu singen. Der weitergeführte Protest sorgte in anderen Stadien ebenfalls für einen Bruch zwischen aktiven Fans und „Normalos“. Auch bei den Stuttgarter Fans im Gästeblock war sicht- und hörbar, dass Uneinigkeit herrscht. Dies Wut der anderen Fans ist für Zawalski nachvollziehbar. „Ich kann die Reaktionen teilweise verstehen, weil diese Leute noch keine negativen Erfahrungen bei Auswärtsfahrten gemacht haben, zum Beispiel mit einem übermotivierten Ordnungsdienst.“ In Mainz wird das Strategiepapier für die Fans am Europakreisel keinen Unterschied ausmachen. Denn Sicherheitskonferenz hin oder her, der Verein hat schon zugesagt, bei Mainz 05 wird sich für Heim- und Auswärtsfans nichts ändern. Wie der Protest nach der Winterpause weitergehen wird, ist noch unklar. Zawalski abschließend: „90 Minuten Schweigen für immer können keine Lösung sein.“