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Portrait: Dragqueen Chardonnay „Alex“ von Tain

Foto: Chardonnay von Tain

Im Alltag ist Alexander Böpple Lehrer an einem Gymnasium und unterrichtet dort Englisch, Ethik und Darstellendes Spiel. In seiner Freizeit wird er auf der Bühne seit 2017 zur alkoholabhängigen, koketten Drag Queen Chardonnay von Tain. Eine „Verwandlung“, die man sich beim Anblick des adretten 40-Jährigen im „zivilen“ Outfit erst einmal nicht vorstellen kann. Einen Hang zum Schauspiel, Verkleiden und Schminken hatte der Gymnasiallehrer, der mit seinem Mann in Weisenau lebt, schon immer.

Beruflich ist er ihm mit einer Weiterbildung und dem Staatsexamen im Fach „Darstellendes Spiel“ nachgegangen. Privat hat er das Faible jahrelang bei „Live- Rollenspielen“, kurz „LARP“ (Live-Action-Role- Playing) ausgelebt. Dahinter verbirgt sich auch eine Form des Improvisationstheaters, die es ermöglicht, live in die unterschiedlichsten Rollen zu schlüpfen und in aufwendig gestalteten Kostümen und Kulissen Abenteuer zu erleben. Ein Drag-Auftritt bei einer solchen LARP-Tagung inspirierte Alex vor fünf Jahren dazu, die Kunstfigur „Chardonnay von Tain“ zu erschaffen. Am Profil „seiner“ Drag Queen hat er über ein Jahr gefeilt, bevor er erstmals in der Rolle auftrat.

Bis das Outfit perfekt ist, dauert es Stunden
„Mich von meinem Bart zu trennen, viel mir anfangs echt schwer“, gibt Alex zu. Und die ersten Schminkversuche scheiterten kläglich. Doch nach jahrelanger Übung als eigener Stylist und Maskenbildner hat er die Kunst, sich in eine Drag Queen zu verwandeln, inzwischen perfektioniert. Auch seine Perücken frisiert er selbst. Allerdings dauert es immer noch drei bis vier Stunden, bis jedes Detail für den Auftritt perfekt sitzt. Schon als Jugendlicher fand er es „doof“, dass es für Frauen so viel mehr Auswahl an Kleidung und Schmuck gibt als für Männer. Heute verfügt er für seine Rolle über mehr als fünfzig verschiedene Damenoutfits mit passenden Accessoires. Alex als Chardonnay liebt Hollywood-Glamour und präsentiert sich in klassischer Eleganz, orientiert an den Schönheitsidealen der 40er- bis 60er-Jahre – „als die Models noch Formen hatten“, betont er. Für die Kurven muss der schlanke Mann etwas nachhelfen, ansonsten ist er stolz, dass er in Damengröße 38 passt.

Geschlechterrollen und Stereotype
Es ist das Künstlerisch-Handwerkliche und Kreative, das ihn daran reizt. „Ich mache das nicht, weil ich als Mann so gerne diese Fummel trage oder weibliche Anteile in mir verwirklichen will. Ich möchte auch keine Frau sein. Ich mach das, weil ich mit dieser Figur unterhalten, hinterfragen und so viel mehr erreichen kann als mit dem erhobenen Zeigefinger“, sagt Alex und stellt damit klar, dass es sich bei Chardonnay nicht um eine zweite Identität handelt, auch wenn es gewisse Überschneidungen gibt. Es geht ihm nicht darum, Frauen zu karikieren oder parodieren, sondern um das Spiel mit Geschlechterrollen und den Bruch mit klassischen Vorstellungen von Männlich- und Weiblichkeit. „Die Welt ist so viel bunter als schwarz und weiß oder Mann und Frau.“ Das zu demonstrieren, ist sein Anliegen, um mehr Toleranz und Akzeptanz für das Geschlecht als ein weites Spektrum zu erreichen. Darüber könnte Alex stundenlang referieren. Selbst als schwuler Mann würde er noch häufig mit Intoleranz konfrontiert.

Lehrer Alexander Böpple im smarten „Alltagslook“ (Foto: Stephan Dinges)

Sein Hobby ist kein Geheimnis
An der Schule ist weder seine sexuelle Orientierung noch sein Hobby ein Geheimnis, geschweige denn ein Problem. „Warum auch?“ Viele seiner Schüler folgen seinem Profil als „Chardonnay von Tain“ auf Instagram. Ein wenig hofft er, dass er durch sein Beispiel auch eine Hilfe im Hinblick auf Selbstfindung und Akzeptanz sein kann. Abgesehen von der Corona-Situation ist Lehrer auch sein Traumberuf. Den würde Alex niemals aufgeben. Immerhin stehe er da auch oft auf einer Art Bühne oder sei fast ein Entertainer.

Drags, Drinks und Drama
Mit seiner Drag-Freundin Felicia Banzai entwarf Alex Ende 2017 ein eigenes Programm. Ihre Show „Drags, Drinks & Drama“, eine Mischung aus Varieté, Kabarett und Comedy, bietet wechselnden Künstlern eine Bühne. Bis zur Corona-Krise fand sie mit Erfolg zweimal jährlich in der queeren Mainzer „Bar jeder Sicht“ statt. Dort trifft man Alex gelegentlich auch als ehrenamtlichen Cocktailmixer. Als Benefizveranstaltung zugunsten der Bar haben die beiden Drag Queens die Show im vergangenen September im KUZ-Kulturgarten neu aufgelegt. Eine Wiederholung für und in der „Bar jeder Sicht“ ist abhängig von der Corona-Lage auf jeden Fall geplant.

Text Tina Jackmuth