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Noch kurz die Welt retten: Der Mainzer Unternehmer Matthias Willenbacher

Foto: Torsten Boor

Er ist Inhaber mehrerer Firmen, Teilhaber an 17 Start-ups, hat in 30 nachhaltige Unternehmen investiert, 2010 die Stiftung „100 Prozent erneuerbar“ ins Leben gerufen und ein Buch geschrieben. Mit „Mein unmoralisches Angebot an die Kanzlerin“ adressierte er seine Vision für die Energiewende 2013 an die Politik. Wie schafft das Matthias Willenbacher?

„Ich schaffe das, weil ich jeden Morgen aufstehe und mit Leidenschaft genau das mache, was ich gut finde.“ Und das tut er seit langem. Seine erste persönliche „Wende“ war der Umzug vom elterlichen Bauernhof im pfälzischen 80-Seelen-Ort Schneebergerhof zum Studium der Fächer Mathematik, Physik und Sport in die „große Welt“ nach Mainz. Ursprünglich wollte er Lehrer werden. Dann machte ihm ein Kreuzbandriss einen Strich durch die Rechnung. Seine Promotion im Fach Physik lief dennoch. „Das war mir dann aber irgendwann zu weit weg vom Alltagsgeschehen“, so der 52-Jährige. Medienberichte zum Klimawandel bewegten ihn da schon mehr.

Foto: WIWIN

Mit Windrad zum Pionier
Auslöser für sein Engagement war 1995 ein Presseartikel über Windkraft in der Eifel. Die Vorstellung, Strom allein mit der Kraft des Windes zu erzeugen, ohne Ressourcen anzuzapfen oder Menschen der Gefahr von Atomstrom auszusetzen, faszinierte ihn. „Ich habe mich da intensiv hineingearbeitet. Mitzuhelfen, dass auch künftige Generationen auf der Erde leben können und selbst Teil davon zu sein, die Erde zu erhalten, hat mich angetrieben“, so Willenbacher. Ein Jahr später installierte er auf dem elterlichen Bauernhof sein erstes eigenes Windrad und gründete die Jung & Willenbacher Windenergie GmbH, die später zur Juwi GmbH, einer auf Wind- und Solarkraft spezialisierten Firma, wurde und ihn zum Pionier der Energiewende katapultierte. Innerhalb weniger Jahre wuchs Juwi zu einem der größten Projektentwickler für mit erneuerbaren Energien betriebene Anlagen. Allein über 1.000 Windräder weltweit wurden von Juwi installiert. Dennoch stand das Unternehmen irgendwann vor großen finanziellen Problemen. Der Mannheimer Stadtwerkskonzern MVV Energie stieg deshalb 2014 als Großinvestor bei Juwi ein. 2015 schied Willenbacher aus dem Vorstand und 2018 endgültig auch als Gesellschafter bei Juwi aus. Mit seiner heutigen Firma „wiwi consult“ entwickelt und finanziert er jedoch weiterhin Windparks- und Solaranlagen.

Foto: Frischepost

Einsatz für Nachhaltigkeit und Bürger-Beteiligung
Ein weiteres Anliegen von Matthias Willenbacher ist es, Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich selbst aktiv an der Energiewende zu beteiligen. Mit der Crowdfunding Plattform „wiwin“ sammelt er Kapital von zumeist Privatpersonen für die Umsetzung grüner bzw. nachhaltiger Projekte. Ab 100 Euro im Monat können sich Interessierte beteiligen. Inzwischen wurden über die Plattform mehr als 115 Millionen Euro in nachhaltige Projekte vermittelt. Mit dem Unternehmen „wi venture“ unterstützt er nachhaltige Unternehmen, etwa aus der Lebensmittel-, Energie- und Technologiebranche. Dabei favorisiert er Start-ups: „Sie faszinieren mich, weil es mir ermöglicht, mit jungen Menschen zu arbeiten, die für ihre Idee brennen.“ Zwei Hauptkriterien liegen der Projektauswahl zugrunde: Sie müssen sowohl ökologisch als auch ökonomisch nachhaltig, aber auch von Relevanz sein. Auch in Mainz und Umgebung investiert Willenbacher: zum Beispiel in das Franchise des Hamburger Start-ups „Frischepost“, das in Kooperation mit lokalen Herstellern regional produzierte Lebensmittel liefert. Seit Januar 2021 gehört ihm auch das Onlinenachrichtenportal „Merkurist“. In Zukunft sollen dort mehr nachhaltige Themen platziert werden. Stolz ist Willenbacher auch auf den jüngst erfolgten Börsengang von „Sono Motors“, eines seiner Start-up-„Babys“. Deren Alleinstellungsmerkmal, ein Elektroauto, das über eine aus Solarzellen bestehende Außenhaut Energie „tankt“, hat ihn sofort begeistert. Das solarbetriebene Auto soll in eineinhalb Jahren in Serie vom Band rollen.

Engagement auch im Privatleben
Das Engagement des in Bretzenheim ansässigen Visionärs bestimmt auch sein Privatleben. „Mein Freizeit- und Arbeitsleben sind kaum zu trennen, denn meine Leidenschaft verbindet sich in allen Bereiche“. So hat Matthias, als großer Fußball- und Mainz 05-Fan, mit dem Bundesligaverein die „Gründerloge“ ins Leben gerufen, in der sich Start-ups vorstellen können. Wenn seine Knieprobleme es zulassen, kickt er selbst beim „FC Ente Bagdad“. Der Verein von Hobbyfußballern spielt in Bretzenheim und setzt sich für Integration und Vielfalt ein. Ob die Ex-Kanzlerin sein Buch jemals gelesen hat, weiß er nicht. An seiner Überzeugung, Vision und Forderung, Energie zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, ändert das nichts: „Es ist möglich, wir müssen es nur wollen“, lautet sein Appell – auch an die neue Regierung.

Text Tina Jackmuth