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Neues vom Nordhafen – aber auch vom Gebaeude27, PlankeNord, PENG, Fanprojekt & einer (fast) neuen Brauerei

2016 haben die Stadtwerke das Gelände am nördlichen Ende des Zollhafens gekauft. Das Areal heißt nun „die Werft“. Viele der dort ansässigen jungen Agenturen und Unternehmen befürchten Mietsteigerungen und Kündigungen. Auch beim „geschrumpften“ PENG am anderen Ende der Stadt fühlt sich mancher von den Stadtwerken übergangen.

Früher war er der aufstrebende Stern am Firmament der glitzernden Startup-Welt: der Mainzer Nordhafen. Ein Medienzentrum von jungen Kreativen, die erst unterschätzt, dann hochgelobt und von Stadt und Land umringt als die neue Kreativwirtschaft bejubelt wurden. Möglich machte das nicht nur der damalige Hype um Startups, Silicon Valley und mehr, sondern vor allem auch die Trierer Triwo AG, die im nördlichen Zollhafen zu günstigen Preisen jungen Kreativen Raum zur Verfügung stellte. Es herrschte Aufbruchsstimmung. Die Welt wollte Ideen und jeder sich mit Apps, CoWorking & Co. schmücken. Viele Nachahmer und Spätzünder kamen ebenfalls an den Start, gründeten ihre eigenen Agenturen, es gab Konkurrenz wie das Startup Netzwerk Mainz mit seinem Slam „Funke“ und vieles mehr entwickelte sich. Geld floss nicht nur in Mainz über private Investoren bis hin zu Ministerien und einiges davon versickerte in dubiosen Kanälen.

Hype vorbei
Der erste große Hype ist nun vorbei. Alles hat sich ein wenig beruhigt. Nach knapp zehn Jahren merken die Meisten, dass nicht jede Netz-Idee zündet oder sich für eine halbe Milliarde Euro an Facebook und Google verkaufen lässt. Selbst die vermeintlichen Stars der Szene, wie Rocket Internet haben mit Problemen zu kämpfen. Die Invest-Kohle, auch Venture Capital genannt, sitzt nicht mehr ganz so locker wie früher und hat sich mittlerweile im Gesamttrend auf die Hälfte ihres Volumens gesund geschrumpft. Das bedeutet nicht, dass die Kreativen weniger kreativ sind. Doch auch die Nordhafler haben mit Alterserscheinungen zu kämpfen. Der Verbund der Kreativen wurde sich nie ganz einig in der gemeinsamen Aufstellung, jeder kämpfte am Ende doch wieder für sich selbst. Agenturen, die im Nordhafen groß geworden sind, zogen woanders hin, man wurde älter, die Prioritäten veränderten sich usw. Heute gibt es immer noch um die 15 Büros verteilt über mehrere Gebäude auf dem Gelände.

Muss wohl bald schließen – Die Planke Nord

Auch das Gebäude 27 befindet sich hier. Im Zwischenteil ist ein Club für elektronische Musik untergebracht, der vor kurzem leider schließen musste: am Ende finanziell doch nicht komplett tragbar, die Miete leider zu hoch, um weiter bestehen zu bleiben. Die Betreiber rocken auch den Kultur-Biergarten „Planke Nord“, der ein Stück weiter unten am Rhein angesiedelt ist. Er hat jetzt wieder geöffnet – im vierten und voraussichtlich letzten Jahr seines Bestehens. Bald werden auch hier schicke neue Immobilien stehen. Das war allerdings schon vor der Eröffnung beschlossene Sache. Auch ein neues Fitness Studio hat auf dem Gelände eröffnet: CrossFit Zollhafen. Und weitere Unternehmen befinden sich auf dem Areal der ehemaligen Triwo AG. Richtig, ehemalig: Denn letzten Oktober ertönte der Paukenschlag. Die Zollhafen Mainz GmbH & Co. KG, die zur Hälfte den Mainzer Stadtwerken gehört, hat das ehemalige Triwo-Gelände gekauft. 30.000 qm Fläche und etwa 80 Mieter haben somit nun die Stadt(werke) Mainz als neuen Vermieter.

Die Werft eröffnet
Was aber hat die Stadt mit dem Gelände vor? Als Abschluss vom Zollhafen ist das Areal natürlich besonders wertvoll. Ist auch hier wieder mit hochpreisigen Luxusimmobilien zu rechnen? Die wichtigste Nachricht für alle Mieter hieß offiziell: „Das Gelände soll weiter für Gründer und junge Unternehmen zur Verfügung stehen“. So Detlev Höhne, Chef der Stadtwerke Mainz AG und Geschäftsführer der Zollhafen Mainz GmbH & Co. KG. Und nicht nur das: Nach und nach sollen weitere, bislang leer stehende Flächen bebaut und bestehende Gebäude erneuert oder renoviert werden – ebenfalls mit dem Ziel, dort Gründern Raum zu bieten.

Denkbar sei es, weitere drei Hektar Gebäudefläche zu errichten. Unter anderem sei die leer stehende Fläche neben Möbelum ein Areal, wo ein Neubau entstehen könne. „Eine Universitätsstadt wie Mainz braucht Räume, in denen sich Gründer ausprobieren können ohne sich finanziell zu übernehmen“, sagt Höhne weiter. Daher sollen die Bedingungen für die Unternehmer gleich bleiben. „Derzeit“, so Olaf Heinrich, Leiter strategisches Immobilienmanagement bei den Stadtwerken, „zahlen die Mieter Quadratmeterpreise zwischen drei und sechs Euro“. Mit Steigerungen ist also früher oder später zu rechnen. In einem Anschreiben heißt es: „Für Sie als Mieter und Nutzer (…) ändert sich auf absehbare Zeit nichts. (…) Falls Ihre Mietfläche von baulichen Maßnahmen betroffen ist, werden Sie frühzeitig darüber informiert“.

Ein Glühwein-Gutschein findet sich auch dabei. Das Gelände bekommt zudem einen neuen Namen verpasst: Die Werft – wie für das große Schiff, wo junge Leute experimentieren können, heißt es. Im Idealfall würden später aus den Gründern etablierte Unternehmen, die dann mit ihren Mitarbeitern auf das „große Schiff“ Zollhafen übersiedelten. Eine der ersten Amtshandlungen soll der Bau eines Übergangs über die Gleise zum neuen Stadtquartier sein, aber auch Breitband-Internet ist geplant. „Die Fläche ist für die Stadtentwicklung von großer Bedeutung“, sagt auch OB Ebling. Mit dem Erwerb sei sichergestellt, dass sie auch künftig für Jungunternehmer zur Verfügung stehe. „Genauso wichtig ist es aber auch, dass dort nichts passiert, was Schott oder Römheld & Moelle gefährden könnte.“

Zweifel im Hafen
Die Nordhafler verfolgen die Ankündigungen skeptisch. Die Agentur Worthafen weiß: „Wir sind hier nur Untermieter, aber ich weiß, hat es von den Stadtwerken noch niemand für nötig befunden, mit den Mietern zu sprechen. Wir sind da sehr skeptisch, dass das Areal zu den Mieten auf lange Sicht erhalten bleibt.“ Illustratorin „Frau Annika“ ist auch kritisch: „Es sind bisher nur Kleinigkeiten, wie Prüfung der Internet-Geschwindigkeit (mit Aussicht auf Verbesserung) oder Maßnahmen gegen Brände (Feuerlöscher müssen angeschafft werden). Inzwischen sind wir nicht mehr ganz so zuversichtlich, dass uns noch länger als ein paar Jahre hier bleiben. Warum sollte man unser Gebäude stehen lassen, geschweige denn Geld reinstecken, wenn drum herum alles neu gemacht werden soll?“

„Dass die Stadt sich mit ihrem Kreativstandort brüstet, uns aber andererseits nicht besonders viel Rückhalt gibt, finde ich nicht besonders“ (Raimund Frey, Illustrator)

Im Gebäude 16 und 27 weiß man scheinbar schon etwas mehr: „Wir stehen in Verhandlungen mit dem neuen Vermieter. Momentan suchen wir nach einer Lösung, damit wir hier bleiben können. Doch dass die Stadt sich mit ihrem Kreativstandort brüstet, uns aber andererseits nicht besonders viel Rückhalt gibt, finde ich nicht besonders“, meint Illustrator Raimund Frey. Ob die Stadtwerke ihre Versprechungen also einhalten, kann bisher nicht gesagt und darf angezweifelt werden.

Derzeit werden Bestandsaufnahmen von Infrastruktur, Gebäudesubstanz, Brandschutz, Parkplätzen usw. durchgeführt. Danach wird entschieden, welche Maßnahmen an welchen Gebäuden notwendig sind. Peter Zantopp-Goldmann von den Stadtwerken fügt an: „Leider musste einzelnen Mietern aus genehmigungsrechtlichen Gründen und aufgrund von Mietschulden gekündigt werden. Über evtl. mögliche Mietauswirkungen von baulichen Verbesserungsmaßnahmen können derzeit keine Aussagen getroffen werden.“ Das Logo der „Werft“ ist nun offiziell eingeführt und auch die Nordhafen-Kreativen haben ihre Website überarbeitet. Im Laufe des Sommers soll das Gelände öffentlichkeitswirksamer präsentiert werden.

Stadtwerke bauen weiter
Auch am anderen Ende der Stadt sind die Stadtwerke am basteln. Das Alte Rohrlager in der Weisenauer Straße unterhalb des Volksparks ist zum vorübergehenden Domizil für die freie Kulturinitiative PENG geworden. Seit April ist der Verein hier beheimatet und startet am 12. Mai mit einem neuen Programm. Mehrere Künstler stellen aus und auch musikalisch ist einiges geplant. Um das Gelände und die Infrastruktur zu (re)finanzieren haben die Stadtwerke das Areal auch an die in Gonsenheim ansässige Brauerei „Kuehn Kunz Rosen“ vergeben sowie an das Fanprojekt „Ein Fanhaus für alle Anhänger des FSV Mainz 05“.

OB Ebling (Mitte rechts) und Stadtwerke-Boss Detlev Höhne (rechts daneben) eröffnen das Mainzer Fanhaus auf dem ehemaligen Rohrlager-Areal

Der Mietvertrag läuft zunächst über zehn Jahre. In den nächsten zwölf Monaten will das Fanprojekt mit Hilfe von handwerklich begabten Fans die Räume herrichten und dort unter anderem Büroräume, einen Jugendtreff und ein (Fan) Kultur-Café schaffen. Gemeinsam mit dem PENG kann das Fanprojekt auch eine Veranstaltungshalle nutzen.

Auch die Brauer Wendelin Quadt (rechts) und Hans Wägner von „Kuehn Kunz Rosen“ sind mit dabei auf dem „neuen“ Grundstück

Kuehn Kunz Rosen dagegen, ein Zwei-Mann-Betrieb aus Gonsenheim, braut hier demnächst sein „Craft Bier“, also handwerklich kreatives Bier. „Wir haben nach einem geeigneten Standort in Mainz gesucht und sind fündig geworden“, sagt Chef Wendelin Quadt. „Das war Liebe auf den ersten Blick. Vom ersten Moment an waren wir begeistert über die Möglichkeit, im Alten Rohrlager endlich eine Heimat für unsere Craft Bier Brauerei in Mainz zu finden.“ Zwei historische Betriebsgebäude werden dafür umgebaut. Außerdem werde ein kleiner Schankraum eingerichtet, in dem die Biere gekostet werden können und kleinere Veranstaltung stattfinden sollen. „Ab Ende Mai geht das Brauen los und bald wird auch der Schankraum eröffnet“, so Quadt.

PENG kleiner als geplant

Nicht ganz so sehr begeistert zeigt sich dagegen das PENG. Nach erzwungener einjähriger Auszeit wegen baubehördlicher und finanzieller Schwierigkeiten und anschließender achtmonatiger Zwischennutzung der Dragonerkaserne, eröffnen die Kultur-Nomaden nun ihr mittlerweile neuntes Domizil. War ursprünglich geplant, dass der Verein große Teile des Areals zusammen mit dem KUZ erhält, hat sich sein „Anteil“ nun immer weiter verringert. Von dem einstigen großen Kulturzentrum sind nur noch ein 6×30 Meter großer Arkadengang und ein 100qm großes Wohnhaus geblieben.

Außerdem kann der Verein im 14-tägigen Wechsel mit dem Fanprojekt das ehemalige Schalthaus als Veranstaltungshalle nutzen. Die geplante und bereits renovierte Ausstellungshalle darf aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich genutzt werden. Der Raum für die PENG-Dienstagsrunden gleicht einem Verschlag. Für die PENGler schwieriges Terrain. Immerhin gibt es hier großzügige Freiflächen für den Sommer, geeignet für mobile Ausstellungen und Projekte mit Lichtinstallationen. Ab Herbst, spätestens im Winter jedoch, muss man sich etwas anderes überlegen.

Es heißt, die Stadtwerke hätten den Vertrag mehrfach abgeändert. Auch PENG-Assoziierte wie das Bike Kitchen dürfen nicht, wie einst besprochen, ihre Werkstatt auf dem Gelände betreiben. Andererseits investierten die Stadtwerke über 200.000 Euro in den Ausbau des Geländes. Deswegen sei es notwendig gewesen, solvente Mit-Mieter, wie die Brauerei und das Fanprojekt, ins Boot zu holen. Denn auch andere Projekte wie das KUZ werden derzeit teuer für die Stadt(werke) bzw. die Stadtholding. Und weitere Investitionen stehen in Zukunft an. Die Luft für Mehrkosten wird also dünn. PENG, Fanprojekt und Brauerei sind also gespannt auf die Möglichkeiten des neuen Areals und Miteinanders. Die Veränderungen an beiden Seiten der Stadt bergen für alle Beteiligten einiges an Potenzial.

von David Gutsche (Fotos: Matthias Wilm, Daniel Rettig, und Allgemeine Zeitung)