Nach der Überlieferung hämmerte am 31. Oktober 1517 ein Mönch namens Martin Luther 95 Thesen an die Pforte seiner Kirche in Wittenberg. Dieser Tag gilt als Ursprung der Reformation und Ausgangspunkt für das Entstehen der evangelischen Kirche, der Sammlungsbewegung der „Protestanten“. 500 Jahre später ist ein großes Lutherjahr ausgerufen, das im Oktober auf seinen Höhepunkt zustrebt. Dienstag, der 31. Oktober 2017, ist sogar für alle frei. Der Jubiläums-Reformationstag ist ausnahmsweise bundesweit einheitlicher Feiertag. Mit Allerheiligen am Mittwoch also zwei hervorragende Brückentage!
Viele Angebote, kein Hype
Viele wissen bis heute nicht genau, was mit „dem“ Luther wirklich gefeiert wird. Jedenfalls sind die Besucherzahlen bei zentralen Veranstaltungen zum Lutherjahr hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Das gilt besonders für den Osten Deutschlands, rund um Wittenberg. In Mainz bieten die evangelischen Gemeinden im Oktober zahlreiche Begegnungen mit Bezug zu Luther an. Man trifft sich nach den Gottesdiensten in der Stadt, z.B. in der Lutherkirche am römischen Theater um 11 Uhr, oder vor allem am 31. Oktober zur großen Luthertafel auf dem Gutenbergplatz.
Hier sind alle eingeladen, von 11:30 bis 14:30 Uhr an Luthers großer Tafel in der Innenstadt Platz zu nehmen. Denn Luther war kein Kostverächter, nicht beim Essen und auch nicht beim Trinken. Daher werden auf dem Theaterplatz Kürbissuppe, Fleischwurst, Luther-Bier und Katharina von Bora-Wein (und auch antialkoholische Getränke) kostenlos verteilt. Schauspieler mischen sich zwischen die Gäste und zitieren Luthers mitunter kontroverse Tischreden. Posaunen spielen auf, eine Thesentür lädt zum Nachdenken ein und auf Motivwagen können Selfies mit Luther geschossen werden. Für die Unterhaltung der kleinen Gäste ist durch einen Stationenparcours mit Tintenfasswurf sowie Kreativ- Angeboten gesorgt.
Was macht Luther aus?
Wer den Ereignissen von damals nachspürt, stößt schnell auf eine direkte Verbindung nach Mainz. Albrecht von Brandenburg, gleichzeitig Bischof von Magdeburg, war in jugendlichem Alter von 24 Jahren mit einer Ausnahmegenehmigung des Papstes ins Amt gekommen. Dafür musste er sich finanziell erkenntlich zeigen und die Fertigstellung des Petersdoms in Rom mitfinanzieren. Also lässt sich der junge Bischof den „Petersablass“ einfallen – ein Angebot an die Gläubigen, besonders in Mainz, mit Geld ihre Sünden zu büßen. Das soll die Strafe nach dem Tod im Fegefeuer, der Vorstufe der Hölle, anteilig verkürzen. Luther wertet diese Heilsangebote als Verrat an der Bibel: „Allein durch den Glauben werden Menschen erlöst, auf keinen Fall kann man seine Erlösung kaufen oder sie sich durch gute Werke oder Gebete selbst verdienen“.
Wie man merkt, war Luther Bibel-Fan. Er las sie mindestens zweimal pro Jahr komplett durch und fand in den Texten viele Hinweise für sein Leben. Ausgehend vom Streit um die Ablasspraxis gerät er ab 1517 zunehmend unter Druck. 1521 wird er von Kaiser Karl V. unter dem Vorwurf der Ketzerei zum Reichtstag nach Worms bestellt. Dort bleibt er standhaft und weigert sich, seine Thesen zu widerrufen. So erlangt er große Bekanntheit, wird jedoch durch das Wormser Edikt für vogelfrei erklärt. Jeder darf ihn nun ohne Strafe töten.
Erste Bibel in deutscher Sprache
Zu seinem Schutz zieht er sich für neun Monate auf die Wartburg zurück. Er nutzt die Zeit, um das Neue Testament erstmals vom Lateinischen ins Deutsche zu übersetzen. Dabei kommt ihm die Medienrevolution aus Mainz zugute. Dank Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks verbreitet sich die Luther-Bibel rasant. Ab 1522 werden rund eine halbe Million Exemplare verkauft. Die Literatur spricht heute von Luther als dem „Medienstar“ des Mittelalters. Er beeinflusst die Entwicklung der deutschen Sprache und stößt Reformen im Kirchen-, Schul- und Sozialwesen an. Sein Drang nach Freiheit und einem Leben ohne Zwang sind die Zündschnur für gesellschaftliche Veränderungen.
1525 heiratet Luther die Nonne Katharina von Bora und zeugt sechs Kinder mit ihr. Er stirbt am 18. Februar 1546 im Alter von 62 Jahren in Eisleben und wird in der Schlosskirche von Wittenberg beigesetzt. Bis heute ist er umstritten. Für seine Lehre kämpfte er mit allen Mitteln, ähnlich wie die Kirchenoberen gegen ihn. Er liefert letztlich den historischen Beweis dafür, dass Reformen unvermeidbar sind. Das darf auch als Mahnung an die getrennten christlichen Kirchen verstanden werden. Trotz zahlreicher ökumenischer Bemühungen ist der Durchbruch zu einer Einheit der Kirche auch nach 500 Jahren Trennung nicht in Sicht.
Text Hendrik Driessen Illustration: Lisa Lorenz
Dienstag, 31. Oktober, 11.30 Uhr auf dem Gutenbergplatz:
Große Luthertafel zum Reformationstag