Direkt zum Inhalt wechseln
| 1

Maue Marke – Das Mainzer Stadtmarketing hat Verbesserungsbedarf

„Mainz ist noch nicht richtig angekommen“, hieß es aus Kreisen der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing auf ihrer Jahrestagung „Deutscher Stadtmarketingtag“ Ende April im Frankfurter Hof. Gemeint waren das Niveau und die Effektivität von vielem, was unter Stadtmarketing in Mainz verstanden, praktiziert und verkauft wird.

Passend zum 20-jährigen Gründungsjubiläum des Mainz City Management e.V. bot die Tagung einen Fortbildungskurs in Sachen Stadtvermarktung an, d.h. Öffentlichkeitsarbeit für eine Stadt, Tourismuswerbung, Wirtschaftsförderung, Einzelhandel, Gastronomie, aber auch die Kulturverwaltung (Leitbild-Entwicklung!), städtebauliche Planung und auch die Verkehrslenkung und damit entsprechend viele Ämter, Verbände und Interessen.

Mainz eher mau

Die Präsentation der Gastgeberstadt fiel eher bescheiden aus: Oldtimerrundfahrt, Gesundheitsnetzwerk und das Model-Casting „Urban Fashion“ hatte sich der noch amtierende Citymanager Walter Strutz auf die Fahnen geschrieben und durch kleine Imagefilme illustriert – dabei zeichnet für das Modeereignis mehr die Allgemeine Zeitung verantwortlich. Im Hintergrund brummt währenddessen die Diskussion über eine grundsätzliche Aufgabenverlagerung. Denn bisher war der Citymanager ehrenamtlich (aber mit einer Aufwandsentschädigung von 36.000 Euro pro Jahr) im Auftrag eines Trägervereins tätig. Dessen über 150 Mitglieder bilden ein Konglomerat aus Einzelhandel, Hotels, Medien, Agenturen, Banken, Verbänden, Kulturinstitutionen und Vereinen. Sogar die Johanniter, der Kinderschutzbund, Mainz 05 und das Landesmuseum sind dabei. Und natürlich die Stadt Mainz und stadtnahe Gesellschaften wie die Wohnbau und die MAG.

Das 1997 geschaffene Amt des Citymanagers hatte zunächst der ehemalige SWR-Landessenderdirektor Dieter Lau inne, dann der SPD-Politiker Klaus Hammer und seit 2012 FDP-Staatssekretär im Ruhestand Walter Strutz. Schon vor dessen Wahl war der Ruf nach „Professionalisierung“ aufgekommen, vor allem von der Werbegemeinschaft des Mainzer Einzelhandels. Erst jetzt, nach über fünf Jahren, ist die Ansiedlung des Postens bei der Mainzplus Citymarketing GmbH und die Besetzung mit einem ausgewiesenen Fachmann (oder einer Fachfrau) von Verein und Stadtvorstand beschlossene Sache.

Was machen andere Städte?

Professionalisierung heißt bekanntlich zweierlei: Die Ausstattung mit einem angemessenen Gehalt und die diesem Gehalt wiederum angemessene Kompetenz. Beides fällt nicht immer zusammen und wird bisweilen von parteipolitischen Gedankenspielen überlagert. Die Stelle ist zumindest ausgeschrieben und könnte bis Ende des Jahres besetzt sein. Strukturell besteht damit die Chance, sich dem Standard anderer größerer Städte anzunähern.

Lehrbeispiele finden sich allerorten: Münster entwickelte ein „Integriertes Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingkonzept“ als verbindliche Grundlage aller Akteure. Im österreichischen Linz wird auf Jahresthemen mit darauf bezogenen Einzelaktionen gesetzt („Erzählen statt Aufzählen“) und Lübeck hat sich vom Marzipan-Image verabschiedet und wirbt mit seiner einzigartigen Altstadt.

Bestandteil solcher Konzepte ist immer auch eine Form der Bürgerbeteiligung: „Was drinnen nicht funktioniert, funktioniert auch draußen nicht“, sagt Ulrike Köppel, Tourismus-Expertin in Weimar. Heidelberg hat sogar ein Partizipationsmodell entwickelt, das weit über formale Mitbestimmung hinausgeht. In Hamburg installierte sich eine „Planbude“ als niedrigschwelliges und per Netz zugängliches Instrument. Stadt wird als Labor begriffen, in der durch Selbst- und Mitgestaltung experimentiert wird. Tobias Bartenbach, als Agenturchef auch für „200 Jahre Rheinhessen“ zuständig, spricht von „Möglichkeitssinn statt Wirklichkeitssinn“. Ein Mainzer Kulturdezernent sagte dagegen einst: „Wenn ich Visionen höre, kann ich nur lächeln“. Ein in langen Sitzungen erarbeitetes Stadtleitbild Mainz liegt seit 1999 gedruckt in den Regalen.

Mainzer Wahrzeichen Citymeile?

Citymeile und Konsumfeste

Was also ist möglich? Die Bilanz der letzten Jahre und Monate wirkt eher hilflos. Unter dem strapazierten Begriff „Vernetzung“ firmieren natürlich alle Aktionen. Aber Außenwirkung? Zweifelhaft. Dass alljährlich über die Finanzierung der Weihnachtsbeleuchtung gestritten wird, jede Rollstuhlrampe als Paradebeispiel für ein barrierefreies Mainz herhalten muss und immer noch Umsatzverluste örtlicher Geschäfte infolge des Onlinehandels diskutiert werden, sei der Vollständigkeit halber erwähnt.

Alleinstellungsmerkmale des City Managements sind diese Themen aber nicht, werden jedoch auch zu dessen Agenda gezählt. Ein seit Jahren immer wieder hervorgeholtes Lieblingsprojekt bei den Versuchen zur Belebung der Innenstadt – und gleichzeitig eine der teuersten Maßnahmen in diesem Zusammenhang – war und ist die einheitlich gemusterte Pflasterung der Fußgängerzone von der Großen Bleiche bis zur Ludwigsstraße, genannt Citymeile. Deren Fortführung in die neu gebaute Bahnhofstraße wünschen sich manche, wobei fraglich bleibt, ob der Besucher sie überhaupt als solche wahrnimmt.

Dass der Weg vom Bahnhof in die City für auswärtige Gäste sinnfälliger und deutlicher gekennzeichnet werden muss, steht jedoch außer Frage. Bisweilen brauchen fotografierende japanische Touristen Hilfe und Wegweisung, weil sie die Christuskirche für den Dom halten. Und auch beim Thema Neustadt kann man sich fragen: Warum wird nur die Altstadt als City begriffen? Die Synagoge, die Kunsthalle und nicht zuletzt viele junge Startups verdienen ebenfalls Aufmerksamkeit und tragen zum Image und zur Attraktivität der Stadt bei.

Die Neubebauung des Zollhafens und die sich dann notwendig ergebende Verlängerung der Rheinpromenade als Erholungsraum sind nicht nur Herausforderungen für die Planung, sondern auch für die Selbstdarstellung der Stadt. Reines Eventmarketing in Form von immer mehr verwechselbaren Volks- und Konsumfesten am Rheinufer und damit auch einer zunehmenden Privatisierung und Kommerzialisierung öffentlicher Räume dagegen gerät zur „Verbetriebswirtschaftlichung“ unserer Städte. Die Wortschöpfung stammt übrigens aus der Diskussion um die neoliberale Umstrukturierung sozialer Dienstleistungen – auch ein Thema, das mit dem Selbstverständnis einer Stadt zu tun hat.

Partizipation vs.“Mitmachfalle“

„Die Stadt für Bürgerinnen und Bürger, für ihre Besucher und für Partner aus der Wirtschaft attraktiv zu machen“, schreibt sich der Verein Citymanagement als Zielvorgabe auf die Homepage. Hier ist also auch das Selbstbild und der Wohlfühlfaktor der Mainzer angesprochen, in allen Generationen und Bevölkerungsgruppen. Die Rede ist von Atmosphäre, dem „Sense of Place“, einem Recht auf Stadt und unterschiedlichen Lebensstilen verschiedener Nachbarschaften. Auch die Frage, ob Mainz womöglich eine „arrival city“ ist oder werden könnte, gehört hierher.

Das heißt: eine Stadt, die sich als offen für die Ankunft von Zuwanderern gestaltet in Wohnungsbau, Infrastruktur, Bildungseinrichtungen und vielem anderen. Offenbach wurde so im deutschen Pavillon auf der letzten Architekturbiennale Venedig vorgestellt. Partizipation als Chance, die eigene Stadt zu einer „Marke“ zu machen, erschöpft sich also nicht nur in der Teilnahme am Gutenberg-Marathon und dem „Dreck-Weg-Tag“.

Zynische Stadtsoziologen bezeichnen diese Formen der Bürgerbeteiligung mehr als „Mitmachfalle“. Die öffentliche Meinung ist bekanntlich eine äußerst variable Größe. Das zeigt derzeit auch die Diskussion um den geplanten Bibelturm (Erweiterungsbau) des Gutenberg-Museums: Für die einen lange vermisstes Symbol historischer Weltkultur, für die anderen eine Verschandelung „unseres“ goldigen Mainz. Dass das Selbst- und Fremdbild einer Stadt und seiner Bewohner nicht durch Volksbegehren, aber auch nicht durch Marketing- Strategen definiert werden kann, wird nirgends deutlicher als hier.

Irgendwo zwischen Bürgerinitiativen, Führungsverantwortung der Politiker, Demokratiefolklore und Expertenwissen liegen die Rezepte für ein Citymanagement, das den Namen verdient. Eine noch lange nicht abgeschlossene Diskussion, in der wir aber endlich ankommen müssen. Der zukünftige Citymanager wird das nicht allein bewältigen können. Aber er oder sie sollte wissen, auf welchem Terrain die komplexe Aufgabe, eine Stadt zu „verkaufen“, heute angesiedelt ist.

von Minas
Illustration: Lisa Lorenz

1 response to “Maue Marke – Das Mainzer Stadtmarketing hat Verbesserungsbedarf

  1. Da ist wohl großer Handlungsbedarf. Mainz hat soviel mehr als Fastnacht, den Dom und Mainz05 zu bieten. Die Verantwortlichen sollten sich Anregungen in Städten und wie Münster und Lübeck holen. Bitte aber keine Kommentare das Mainz so autofeindlich ist.

Comments are closed.