Als Fahrgast von Michael Werner wird einem schnell klar: Der Mann liebt seinen Beruf, die Geselligkeit und die kurzweiligen Gespräche mit den unterschiedlichsten Menschen. Der Erzählstoff geht dem 58-Jährigen MainzRider-Fahrer nie aus. Der Schalk sitzt ihm im Nacken. Er hat immer einen lustigen Spruch auf den Lippen und scherzt gern mit seinen Mitfahrern.
In der Nacht fährt er Studenten und Partygäste durch Mainz und bringt jeden Fahrgast sicher zum Ziel. Über seine Vergangenheit hat der junggebliebene Mann viel zu erzählen. Erst vor einigen Jahren heiratete Michael seine Frau und wurde sesshaft. Davor führte er lange Zeit ein aufregendes Vagabundenleben.
Wenn die Arbeit sich wie Urlaub anfühlt
„Ich war schon ein Hallodri”, erzählt Michael über sein früheres Ich als Busfahrer. Nach seiner Ausbildung als Berufskraftfahrer fuhr er erst Mini-und Schulbusse; ab 1994 arbeitete er als Reisebusfahrer. Er genoss die schnell wechselnden, unterschiedlichen Eindrücke und die Vielzahl unterschiedlicher Kontakte auf seinen Reisen. Doch Michael wollte weiter aufsteigen. 2004 wurde er als zweiter Fahrer für eine Reise zu den olympischen Spielen in Athen nominiert. Er chauffierte damals den jungen olympischen Nachwuchs. Und dies „ohne Navi, nur mit Karten.”
Die Sicherheitsvorkehrungen beschreibt Michael als sehr hoch. Sein Bus wurde akkreditiert, er musste seine Fingerabdrücke abgeben. „Wir haben vor Athen an der Tanke gewartet.” Dort wurden sie dann von einer Polizeieskorte mit Blaulicht abgeholt. Die erste Nacht verbrachte Michael „im Feldbett vom Bundesgrenzschutz”. Danach folgte eine aufregende Zeit mit Kontakt zu vielen Prominenten aus Sport und Fernsehen. Michael erinnert sich lebhaft an eine Situation, in welcher er live im Fernsehen am Tisch der olympischen Ruderinnen zu sehen war. Außerdem „quatschte „er mit Fußballtrainer Otto Rehagel und feierte zusammen mit Profiboxer Sven Ottke auf der Aida. Im „eleganten Dresscode bei 50 Grad” durfte er sogar an der Audienz mit dem ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler teilnehmen. Wenn sich die Arbeit wie Freizeit anfühlt, dann hat man alles richtig gemacht. Michael schwärmt heute noch von seiner Zeit in Athen: „Das war der schönste Urlaub meines Lebens.”
Kaum zu glauben, aber wahr
In Michaels Erzählungen folgt ein Highlight dem nächsten. Ihm fallen im Redefluss stetig neue Anekdoten ein, welche er mit Begeisterung erläutert. Bei seinem Aufenthalt in Athen begeisterte ihn die Fußballnationalmannschaft aus Costa Rica. „Ich hatte Bock, die zu fahren”- so bewarb er sich erfolgreich als Busfahrer der Mannschaft für die WM 2006. Zusammen mit 32 weiteren Nationalmannschafts-Bussen ging es im Dunkeln in einem „geheimen Konvoi” nach Hockenheim. Dort absolvierte Michael ein umfassendes Trainingsprogramm mit diversen Bremsproben auf nasser Fahrbahn. Nach dem Programm fuhren alle Busse 13-mal über den Hockenheimring und wurden dabei aus einem Hubschrauber vom ZDF gefilmt. „Das war fantastisch!“, erinnert sich Michael. Über die symbolische Schlüsselübergabe mit Franz Beckenbauer erzählt er ebenfalls mit unübersehbarer Begeisterung. Alle 33 Busse der Nationalmannschaften wurden zu diesem Anlass in einer Raute formatiert, die Fahrer trugen einheitliche Anzüge und Krawatten.
Mit der Nationalmannschaft aus Costa Rica hatte Michael sehr guten Kontakt. „Wir haben zusammen gegessen und geredet.” Jedoch haben die Fußballspieler mit ihren Stollenschuhen Gras und Erde mit in den Bus gebracht, den Michael täglich auf Hochglanz hielt. Nach einer kleinen Beschwerde war das Problem behoben und die „Mannschaft dressiert”. Michael amüsiert sich heute noch über die Erinnerung an die Fußballspieler, die vor Betreten des Busses alle brav ihre „Pantoffeln” anzogen.
Am Eröffnungstag ging es dann mit Martinshorn, Blaulicht und Hupe zum Stadion. „Die Fans sind total ausgerastet.” Nach einem der Spiele kam es zu einer amüsanten Situation mit Bastian Schweinsteiger. Der Fußballspieler verwechselte die Busse und wurde sogleich scherzhaft von Michael gewarnt: „ Ey Schweini, wenn du jetzt da einsteigst, gibt´s ein paar auf die Lippe”. Auch sonst ist Michael nicht auf den Mund gefallen. „In den 4-6 Wochen bin ich ein Star gewesen, nicht nur der Bus, sondern auch ich” schwärmt er von der bewegenden Zeit als „WM-Busfahrer”. Überall wo er mit „seinem” Bus hinfuhr, waren die Leute begeistert.
Wer denkt, dies sei alles gewesen, irrt sich. Michael berichtet auch gern über seine Bustouren mit Schauspieler-Fahrgästen wie Volker Brand. Er selbst sei bei den Touren tagsüber als Chauffeur tätig gewesen und habe abends bei den Veranstaltungsorten als Requisiteur und Komparse mitgewirkt.
Mit Michaels Lebenserfahrungen könnte nahezu ein ganzes Buch gefüllt werden. Wer weiß, was das Leben noch so für ihn bereithält..
von Mandy Kramer