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Kathrin Röggla erhält Auszeichnung „Mainzer Stadtschreiber 2012“


Nachfolgerin des noch amtierenden Stadtschreibers Ingo Schulze wird 2012 die Literatin, Hörfunkautorin und Journalistin Kathrin Röggla. Damit avanciert die 1971 in Salzburg geborene, aber seit 1988 in Berlin lebende Schriftstellerin zur 28. Trägerin des Literaturpreises. Oberbürgermeister Jens Beutel: „Wir gewinnen eine junge, kantige, sowohl gegen den Strich und gewisse literarische Konventionen denkende als auch stilistisch recht einzigartig komponierende Schriftstellerin, deren zahlreiche Texte das Interesse für eine Vielzahl von Themen atmen.“ Röggla wird, wie ihre Vorgänger Ingo Schulze und Josef Haslinger, gemeinsam mit dem ZDF eine Dokumentation nach freier Themenwahl produzieren und die Stadtschreiberwohnung im Mainzer Gutenberg-Museum beziehen. Die Verleihung des mit 12.500 Euro dotierten Preises findet im März 2012 in Mainz statt.

„Ich bin sicher, dass wir eine sehr gute Wahl getroffen haben – und freue mich besonders, unseren Preis endlich wieder an eine Frau vergeben zu können“, sieht Kulturdezernentin Marianne Grosse, die die Landeshauptstadt Mainz in der Vergabejury vertritt, im Votum des Gremiums eine vortreffliche Entscheidung: „Kathrin Röggla mag Vielen noch recht unbekannt sein, sie hat jedoch schon ein beachtliches Gesamtwerk vorgelegt und ist eine würdige Preisträgerin.“ Besonders bemerkenswert sei die stilistische Vielfalt der Autorin: „Prosa, Kurz- und Langform, Arbeiten fürs Theater, Sach- und journalistische Texte – in allen Bereichen hat Röggla bereits bemerkenswerte Zeugnisse ihrer Arbeit abgeliefert.“ Ein besonderes Argument für die Auszeichnung seien die crossmedialen Arbeiten der Preisträgerin gewesen: „Kathrin Röggla nutzt alle Medien für ihre Texte, veröffentlicht Hörbücher, arbeitet fürs Radio und im Internet. Das ist ideal für einen Literaturpreis, der sich mit dem Verhältnis von Sprache und Medien, besonders dem Fernsehen auseinandersetzt“, so Grosse. Auch die Vorliebe der Autorin für ungewöhnliche Schreibweisen und Satztechniken ihrer Bücher passe hervorragend in die Gutenbergstadt. „Kathrin Röggla gibt unserem Stadtschreiber-Preis damit eine junge, zeitgemäße Note. Wir werden ein spannendes Jahr mit ihr hier in Mainz erleben.“

Die Jury betont, dass Röggla ein „ungewöhnlich vielseitiges und reiches Werk vorzuweisen habe, das häufig auch medienübergreifend entstehe“. Röggla ist Theaterautorin, zeitkritische Essayistin, Hörspielautorin und Erzählerin. „Temperamentvoll und wütend, lustvoll und sich kunstvoll auf die gegenwärtige Sprache einlassend“, beschreibe Röggla den „Seelenzustand einer Welt im Alarmzustand.“ In ihren Stücken, Romanen und Erzählungen beschäftige sie sich etwa mit der Wirtschaftskrise und ihren Verursachern, mit der Berliner Szene, dem Medienhype um das Entführungsdrama der Natascha Kampusch oder den Ereignissen von 9/11 in New York.

Die Jury weiter: Bereits mit ihrem Debüt, dem Erzählungsband „Niemand lacht rückwärts“ (1995) erregte Röggla das Interesse der Literaturkritik. Die Romane „Abrauschen“ (1997) und „Irres Wetter“ (2000) spielen meist in Berlin und beobachten, sarkastisch und in konsequenter Kleinschreibung, eine junge Generation unterwegs zwischen Love-Parade, Berlin-Mitte-Szene, Kulturpessimismus und Verzweiflung.
In einer Mischung von Dokumentation und Literatur beschreibt sie in „really ground zero“ (2001) die Anschläge von 9/11 in New York, die sie selber miterlebte. Im Roman „wir schlafen nicht“ (2004) geht es um eine entfesselte Arbeitswelt im Zeitalter der New Economy. Das jüngste Buch „die alarmbereiten“ (2010) umfasst Kurzgeschichten über Katastrophenjunkies der Twitter-Generation.
Erfolge feiert Röggla auch mit ihren zeitkritischen Theaterstücken. In „junk space“ geht es um Flugangst, in „draußen tobt die dunkelziffer“ um Schuldner und Schuldnerberater. „worst case“ über eine eingebildete Katastrophe wurde als bestes Stück 2010 am Wiener Burgtheater mit dem renommierten Nestroy-Theaterpreis ausgezeichnet und im selben Jahr machte Röggla Furore mit „die beteiligten“, ein Drama um den Entführungsfall der Natascha Kampusch.