Es war im Juni, als am strahlend blauen Himmel über Mainz in Form von weißen Wölkchen plötzlich der Schriftzug „Hallo Mainz, bleibt gesund“ auftauchte. Viele, die das „Phänomen“ staunend beobachten konnten, haben sich gefragt, wer oder was dahinter steckt. Es sind die „Skytexter“, ein Team von acht leidenschaftlichen, im Kunstflug erfahrenen Piloten und Pilotinnen, die eine neue Art der Werbung und des Formationsflugs in Europa etablieren wollen. Treibende Kraft und Gründer der Firma ist Tim Tibo. Der 44-jährige Linien- Pilot aus der Nähe von Traben-Trarbach hat über 20 Jahre in Mainz gelebt, bevor es ihn berufsbedingt nach Bayern verschlug. „Im Herzen bin ich immer noch ein bisschen Mainzer,“ sagt er augenzwinkernd. Mit im Team sind auch die Kunstflugprofis Bernhard Diehl und Manuel Lange aus Mainz. Zwei der fünf Kleinflugzeuge, mit denen sie die Nachrichten an den Himmel zeichnen, sind am Flugplatz in Mainz-Finthen stationiert.
Von der Idee bis zum Probeflug dauerte es Jahre
Die Idee hat Tibo von einer Flugshow in den USA mitgebracht. Dort hat er das Skytexting 2017 zum ersten Mal gesehen und war beeindruckt. Sein Entschluss, es gemeinsam mit seinen langjährigen Kunstflugfreunden selbst auszuprobieren und umzusetzen, war gefasst. Seitdem hat er sich mit Herzblut in das Projekt gestürzt. Bis zum ersten erfolgreichen Probeflug mit Botschaften sollte es jedoch Jahre dauern. Allein die Technik stellte die Kunstflugprofis vor eine riesige Herausforderung. Fast zwei Jahre bastelte ihr Spezialist an einer geeigneten IT-Lösung. Denn das Schreiben am Himmel wird per Computer und WLAN gesteuert. „Es war nicht einfach, ist wahnsinnig aufwendig und wir haben uns alle über Monate voll reingekniet,“ so Tibo. Nicht nur jede Menge Zeit und Flugtraining, sondern auch Investitionen in sechsstelliger Höhe kostete es das Team bis zur ersten erfolgreichen Probe Anfang 2020.
Skytexten erfordert absolute Präzision
Nach inzwischen mehr als 20 Flügen über deutschen Städten ist die Technik und Flight- Crew zum Texten bestens eingespielt. Um die Schrift am Himmel erzeugen zu können, sind fünf der einmotorigen Kunstflugzeuge als Formation in etwa 3.000 Metern Höhe unterwegs. Angeführt wird sie in der Mitte von Tibo, dessen Flugzeug mit der Masterbox ausgestattet ist. Diese sendet über WLAN „Befehle“ an die anderen vier Flugzeuge. Die Buchstaben entstehen, ähnlich wie bei einem Nadeldrucker, durch die Abgabe von Punkten. Jedes Flugzeug setzt im vom Computer gesteuerten Takt jeweils einen Punkt ab, bis das zuvor programmierte Schriftbild steht. Die Punkte sind genau genommen kleine Wölkchen, die durch das Verdampfen von erhitztem Paraffin, das in den Abgastrakt geschleust wird, entstehen. Auf absolute Präzision kommt es nicht nur dabei an. Die Piloten müssen auch ihre Position exakt einhalten und das bei einer Geschwindigkeit von 220 km/h und im seitlichen Abstand von 30 Metern. Das können nur Profis, die aufeinander eingespielt sind. „Man muss schon ein riesiges Vertrauen zueinander haben“, sagt Bernhard Diehl, der mit anderen über langjährige Kunstflugerfahrung bei Flugshows verfügt.
Die Frage nach der Umweltverträglichkeit
Mit Bedenken zur Umweltverträglichkeit des Skytextens wird Tim Tibo in heutiger Zeit oft konfrontiert. Die weiß er zu kontern. „Wir leben heute in einer durch Werbung bestimmten Welt. Unsere Art der Werbung ist verglichen mit Print- und Handywerbung oder TV-Spots wesentlich effektiver und sogar mit weniger CO2-Ausstoß pro Kopf verbunden, weil wir so viele Menschen gleichzeitig erreichen.“ Die Buchstaben am Himmel sind bis zu 200 mal 200 Meter groß, ein Schriftzug zieht sich über mehrere Kilometer und ist noch von weitem zu sehen – bei einem stabilen Wetterhoch für bis zu 15 Minuten. Noch einen Vergleich fügt Tibo hinzu: Die Motoren aller fünf Flugzeuge verbrauchen in einer Stunde ungefähr so viel Kraftstoff wie eine Linienmaschine vom Typ Boing 737 in einer Minute. Das Paraffin, das zum Texten benutzt wird, ist umweltfreundlich und hinterlässt keine Rückstände in der Luft. Außerdem kompensieren die Skytexter ihren CO2 Ausstoß durch Projekte von „Climate Partner“. Das Interesse von Werbeagenturen und Marketingabteilungen haben sie geweckt. Zwei große Aufträge hatten sie dieses Jahr schon. Nun hoffen die leidenschaftlichen Flieger auf weitere, auch wenn es ihnen einfach nur darum geht, die Menschen mit ihren himmlischen Botschaften zu begeistern.
Text Tina Jackmuth
Fotos Jonas Otte
Ich finde das ist eine wunderbare Aktion. Werbung und frohe Botschaft zugleich.