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Heiß genadelt – Tattoo Studios in Mainz


von Yana Prinsloo, Fotos: Daniel Rettig

Von Sternen, Vögeln und Arschgeweihen … sensor stellt vier Mainzer Tattoo Studios vor: Fetish Needle, Krock, Kneip und Rother, Tattoo Piercing World sowie Bojan Tattoo.

Tattoo-Kunst ist zuerst einmal eine ate traditionelle Kunst. Es gab sie schon bei den ganz alten Naturvölkern: Im Norden Chiles wurden 7.000 Jahre alte Mumien gefunden, die Tätowierungen an Händen und Füßen aufwiesen. Meistens handelte es sich dabei um soziale oder kulturelle Zwecke und Riten. Seemänner brachten die Tätowierungen dann nach Europa mit, meist als Souvenir. Hier entwickelten sich auch klassische Motive, wie Schiffe, Anker, halbnackte Nixen und die immer noch beliebten Vögel und Schwalben. In den 60ern erlebte das Tätowieren einen ersten Aufschwung und wurde zum Ausdruck von Jugendkultur. Heute, in Zeiten von wieder erstarkendem Körperkult, beobachten wir eine erneute Hochphase. sensor stellt vier Studios vor mit unterschiedlichsten Stilen, Ideen und Gedanken.

Fetish Needle (Bilhildisstraße 15)
Fetish Needle ist das Urgestein der Mainzer Tattoostudios. Ralph Herlert führt den Laden seit 17 Jahren. Ursprünglich kommt er aus dem kaufmännischen Bereich, vor zwanzig Jahren entdeckte er jedoch seine Leidenschaft zur Nadel. Nebenbei betreibt er auch noch eine Security- Firma. Über sein Studio erzählt Ralph gelassen: „Es gibt Menschen, die mögen uns nicht. Und es gibt Menschen, die mögen uns. Ich sag mal so: Wir sind das älteste Studio mit dem gleichen Besitzer und demselben Bestand, dann können wir nicht ganz so schlimm sein.“ Während er mit Vorliebe Comics und Tribals auf die Haut bringt, ist seine Kollegin Sandra für Grafiken zuständig. Motive kommen aus dem Katalog, sonst gilt: eigene Bilder mitbringen. Jedes Jahr reisen die Gasttätowierer Marc und Frankie aus den Staaten an. Marc ist ein „Portrait-Spezialist“, während Frankie eher Old School Motive sticht. Ralph ist sich dabei durchaus der jungen Konkurrenz bewusst. Er glaubt, dass das Tätowieren eine Perfektion erreicht hat, weil Tätowierer immer mehr aus dem künstlerischen Bereich drängen und auch die Kunden anspruchsvoller geworden sind. Während man früher einfach sein Gewerbe angemeldet hat, egal ob man zeichnen konnte oder nicht, könnten solche Tätowierer heute direkt ihre Koffer packen. Aktuelle Arbeiten von Ralph und Sandra gibts auf der Facebook-Seite oder: www.fetish-needle.de

Krock, Kneip und Rother (Neubrunnenstraße 8)
Etienne Steffen (Eddy), Michael Swierzy und Jochen Thielen betreiben das Tattoostudio Krock, Kneip und Rother, welches nach den Mädchennamen ihrer Mütter benannt ist. Das Studio ist das mystischste der Mainzer Studios, denn es ist weder im Internet, noch durch Print-Medien wirklich vertreten. „Wer zu uns kommt weiß, woran er ist. Für die Zukunft werden wir uns aber um mehr Medienpräsenz kümmern“, erzählt Eddy. Er tätowiert seit 2005 und hat aus Interesse am Kunsthandwerk seine Ausbildung im ehemaligen South-West Tattoo in der Altstadt angefangen, in dem sich die drei Jungs kennen lernten. Eddy zeichnet nebenbei und hatte bereits Ausstellungen im Pengland. Seine Vorliebe gilt japanischen Motiven mit Schwerpunkt auf Illustrationen. Die Tattoos werden mit den Kunden besprochen und sind oft Unikate. Unentschlossene werden auch schon mal nach Hause geschickt, denn hier hat niemand Lust, immer nur Sterne am Fließband zu stechen. In Zukunft sollen auch befreundete Tätowierer vorbeikommen. Denn Platz ist in dem Studio genug, das sich im Neubrunnenbad im ersten Stock befindet und wie eine großzügige Altbauwohnung mit Wohnzimmerfeeling daherkommt. Abschließend warnt Eddy noch davor, dass viele Leute vergessen, dass die Haut keine Leinwand ist, sondern ein Organ, das lebt und sich verändert. Man sollte schon genau darauf achten, was man sich stechen lässt, an welcher Körperstelle und wie es schattiert wird. „Von einer Sonne, die nur mit gelb und rot gestochen ist, wird man nicht lange was haben.“

Tattoo Piercing World (Rheinstraße 43)
Stefan tätowiert seit sieben Jahren, absolvierte ein Grafikstudium mit Schwerpunkt Illustration und ist durch einen glücklichen Zufall an das Studio geraten. „Ich habe immer Vorlagen für meine Freunde gezeichnet. Maia fand meine Arbeiten dann gut und hat mir eine Ausbildung angeboten.“ Während Chefin Maja eher „Black and Grey“ und Tribals macht, interessiert sich Stefan für abstrakte und bunte Motive, die er für seine Kunden individuell zeichnet. Allerdings werden auch hier unentschlossene Kunden schon mal wieder nach Hause geschickt, ebenso wie junge Leute mit Motiv-Wünschen an extrem auffälligen Stellen, zum Beispiel eine Riesenkrake, die einen am Hals würgt … Gasttätowierer Sven und Thomas sind die Meister der beiden und regelmäßig im Studio anzutreffen. Sven interessiert sich für Biomechanik. Dahinter verbirgt sich die Idee von einer Verschmelzung zwischen Mensch und Maschine, fast so wie beim Film Alien. Der Künstler HR Giger gilt daher als einer der Pioniere. Thomas macht auch viel „Black and Grey“ und Tribals. „Momentan wollen alle Federn, kleine Vögel und Schwalben“, wissen die beiden… Tattoo and Piercing World verfolgen die Philosophie eines offenen Arbeitsbereichs. So werden Kunden direkt hinter der Theke tätowiert, damit Menschen mit Hemmschwelle sich ermutigt fühlen, in den Laden zu kommen und zuzuschauen. Beratungstermine gibt es jederzeit – aktuelle Arbeiten auf der Facebook-Seite „Tattoo Piercing World“. www.tattooundpiercing.com

Bojan (Zanggasse 12)
Bojan aus Kroatien betreibt sein gleichnamiges Studio mitten im Bleichenviertel. Momentan sucht er noch nach einem/r Auszubildenden. Seit seiner Kindheit zeichnet er gerne und tätowierte mit bereits 15 Jahren seine Freunde. Die Motive entwirft er am liebsten selbst und bevorzugt dabei einen realistischen Stil ohne Konturlinien. Bojan tätowiert nichts Politisches und versucht Kunden, die sich den Namen ihrer Freundin tätowieren lassen wollen und ähnliches, eher umzustimmen. Wenn die aber trotzdem vollkommen überzeugt sind, dann holt er das Bestmögliche raus: „Wenn ich es nicht mache, macht das der nächste.“ Auch Bojan sieht eine größere Offenheit für das Thema Tattoo, schließlich sind vom Banker bis zum Anwalt alle tätowiert. Aber er glaubt zu wissen, dass sich vom Stil nicht mehr viel verändern wird, das Tätowieren hätte schon eine gewisse Perfektion erreicht. Womöglich werden nur die Farben facettenreicher und intensiver. Doch dies sei mal dahin gestellt. Terminvergabe ist täglich, tätowiert wird im hinteren Teil des Studios. www.tattoo-bojan.de