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Hausbesetzer richten sich für längeren Aufenthalt ein – Gespräch mit Stadtwerken


Von Jens Grützner (Artikel aus der Mainzer Allgemeinen Zeitung)


Es ist nicht leicht, seit Donnerstagnacht in der Oberen Austraße 7 auszukommen. Ohne fließend Wasser und Strom. Die Hausbesetzer der Stadtwerke-Immobilie am Zollhafen haben beispielsweise noch keinen Weg gefunden, Essen und Trinken zu kühlen. „Meistens essen wir gekauftes oder gespendetes Essen sofort“, sagt Philipp an diesem schwülwarmen Montagmittag. (Foto: Harald Kaster)

Auch der Toilettengang ist nicht ohne. Er verläuft zweigeteilt. Das große Geschäft fällt in einen Eimer voll Sägespäne und bitte ohne gleichzeitiges Wasserlassen. Die Geruchsbelästigung soll sich in Grenzen halten. Drei Teelichter geben dem stillen Örtchen etwas Helligkeit. „Wir wollen jetzt eine Kompostgrube ausheben“, sagt Philipp. Dahin soll dann der Eimerinhalt wandern.

Nach dem Urinieren in eine Kloschüssel in einem separaten Toilettenraum wird mir Regenwasser gespült. Oder mit Abwaschwasser. Nun, da sich dank eines Spenders ein Wasserkanister mit Wasserhahn eingefunden hat, können die Bewohner zumindest so etwas wie duschen. Lars spendiert Wasser.
Lars arbeitet bei der Schreinerei „Zwei im Sinn“, die in der Oberen Austraße ein Lager hat. „Die Gebäude sind viel zu schade, um leer zu stehen“, sagt er mit Blick auf die Hausnummer 7. „Seit drei Jahren stehen die leer“, sagt Philipp.

Hoffest für Samstag geplant

Vor einem Jahr hat sich Schreiner Lars dort selbst einmal kurz umgeschaut. „Es wäre toll, könnte dort etwas für Jugendliche oder anderen Gruppen wachsen“, betont er. „Das Industriegebiet ist doch ein idealer Ort.“ Lars findet es „ganz cool“, dass er gerade neue Nachbarn hat. Er hat ihnen eine Palettenfigur spendiert, diese mit dem Gabelstapler am Montagmorgen rübergefahren. Eine Rampe für Skateboardfahrer könnte er auch noch anbieten. Und Wasser dürften sich die Hausbesetzer bei ihm immer mal wieder holen. Die Toilettenbenutzung ist aber tabu.

Die Hausbesetzer, die sich noch verbarrikadiert haben, planen längerfristig. „Wir bauen hier was auf, wir machen nichts kaputt“, sagt Jule. Sie ist gerade dabei, lange verwahrloste Räume zu entrümpeln. „Hier ist schon der Boden geputzt worden“, sagt sie etwas trotzig im bestaussehenden Raum. Dass die jungen Leute die Gewissheit haben, dass alle nötigen Rohrleitungen schon lange von Dieben entwendet worden sind, dass ein Verweilen oder Arbeiten hier nur mit immensen Kosten verbunden wäre, schreckt sie nach fünf Tagen nicht ab, einer Utopie nachzuhängen.

„Die vergangenen Tage hat es ja auch funktioniert“, sagt Jule. „Wir wollen Kooperation statt Konkurrenz und für alle offen sein“, sagt Philipp. Wobei die meisten anscheinend Studierende sind, die eher linke Gedanken verfolgen. „Wir hoffen, dass uns die Stadtwerke machen lassen“, sagt Jule. Für nächsten Samstag ist zumindest ein Hoffest geplant. Mit Kinderschminken, Jonglagen, einfach viel Kreativem, wie die beiden betonen. „Und viel Party“, sagt Philipp. „Party ist wichtig.“ Auf dem Wochenplan der Besetzer steht als Nächstes ein Konsensworkshop an, am Dienstagabend um 18 Uhr.

Mehrere benachbarte Hallen werden genutzt

„Kein Mensch ist illegal“, steht auf einem Aufkleber an der Mauer neben der verbarrikadierten Einfahrt. Aber die Aktion der Aktivisten ist es halt.

Die Stadtwerke versenden am Montagnachmittag eine Presseerklärung. In dieser steht: Nach einer Kontaktaufnahme mit den unbekannten Besetzern des Hauses ist ein Gesprächstermin am Dienstag vereinbart worden.

2010/2011 hatten die Stadtwerke Mainz das jetzt besetzte Haus zusammen mit benachbarten Hallen und Grundstücken erworben, um mittelfristig im Industriegebiet größere Lagermöglichkeiten für die Unternehmensgruppe zu schaffen und unter anderem das Rohrlager aus der Weisenauer Straße dorthin zu verlagern.

Ebling zeigt kein Verständnis für Besetzer

Mehrere benachbarte Hallen, die sich allerdings in einem besseren Zustand befinden als das jetzt besetzte Gebäude, werden auf Initiative der Stadtwerke hin für die Übergangszeit sinnvoll genutzt und stehen nicht leer. So ist in der Nachbarschaft unter anderem die neue Fahrradwerkstatt der MVG untergebracht, eine andere Halle nutzt beispielsweise der Dombauverein zur Sanierung der Turmspitze des Mainzer Doms. Das besetzte Gebäude soll abgerissen werden. Es ist baufällig, eine Einsturzgefahr oder Gefährdung von Personen kann nicht ausgeschlossen werden.

Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling zeigt kein Verständnis, dass man „anderen Menschen Eigentum wegnimmt“. Entsprechend missbilligt er die Hausbesetzung. Dass die jungen Leute Probleme wie bezahlbare Wohnungen oder fehlende Räume für kulturelle Initiativen umtreiben, „dafür habe ich Verständnis“, sagt Ebling. Die Stadt sei aber dabei, diese Probleme anzugehen.

Der Mainzer Polizeipräsident Karl-Heinz Weber sagt: „Wir sind informiert über die Situation vor Ort.“ Sie führt einige Ausweiskontrollen durch. Die Polizei sieht sich aber nicht in der ersten Reihe, wenn es um die Lösung des Problems geht. „Der Eigentümer und die jungen Leute müssen ins Gespräch kommen. Ich hoffe, dass es ein Ergebnis gibt, das für beide Seiten akzeptabel ist“, so Weber. Voraussetzung für einen aktiven Einsatz der Polizei, etwa eine Räumung der Immobilie, ist ein Strafantrag des Eigentümers.

1 response to “Hausbesetzer richten sich für längeren Aufenthalt ein – Gespräch mit Stadtwerken

  1. ich seh auf dem foto keine besetzer. laufen auf dem „hoffest“ die organisatoren mit tiermasken herum? was für ein quatsch. das ist sicher nur ein ausgefallener werbefeldzug der stadtwerke.

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