Direkt zum Inhalt wechseln
|

Guerilla-Gärtnern im Selbstversuch


Von Ulla Grall
Fotos Jana Kay

Im Vergleich mit vielen anderen Städten ist Mainz eine recht grüne Stadt. Rund um das Zentrum zieht sich über die alten Befestigungsanlagen ein Ring aus Parks und Anlagen. In der Neustadt gibt es von Hecken umgebene Plätze, Parkbuchten sind oft von grünen Flächen begrenzt und in der Altstadt wie auch in der Oberstadt liegen idyllische Plätzchen mit Grün. Leider ist der Stadt das Geld ausgegangen. Entsprechend traurig sieht es mancherorts aus. Wir wollten das ändern…

In unserer Guerilla-Gardening-Aktion testeten wir „Samenbomben“ oder „seedballs“ verschiedener Herkunft. Es geht um die heimliche Aussaat von Pflanzen als subtiles Protest-Mittel im öffentlichen Raum. Mittlerweile hat sich Guerilla-Gardening zum urbanen Gärtnern oder zu urbaner Landwirtschaft weiterentwickelt. Für heimliche Aussaaten an belebten Plätzen werden Samenbomben genutzt. Diese bestehen aus einem Gemisch aus Erde, Ton und Samen, welches zu Kugeln geformt und getrocknet wird. Man kann sie dann vom fahrenden Rad aus auf Verkehrsinseln werfen oder beim Spaziergang unauffällig fallen lassen. Die Firma Aries, von Haus aus Spezialist für Umweltprodukte, hat sich den Begriff „Guerilla Gardening ®“ schützen lassen. Sie stellte uns für unseren Test einen „Samenbomben-Bausatz“ zur Verfügung. Auch die „Seedball-Manufaktur“, ein Familienbetrieb aus Dörentrup, unterstützte unser Vorhaben. Aus dem Sortiment der Manufaktur erhielten wir sowohl fertige seedballs, als auch eine Packung „seedballs zum Selbermachen“. Den wie Handgranaten geformten „Samenbomben“ von der Manufactum-Tochter „Magazin“ konnten wir auch nicht widerstehen (obwohl ein Preis von 18 Euro für 3 samengefüllte Tonhüllen ganz schön happig ist).

Als Vergleichsobjekte ormten wir aus Komposterde und Tonmehl eigene Samenbälle, die wir mit einer selbst gewonnenen Saatgut-Mischung bestückten. Ende Mai kam unsere Truppe der Möchtegern-Guerillagärtner dafür zusammen: Erde, Tonpulver und Samen wurden miteinander vermengt, dann wird Wasser zugegeben und alles gut miteinander verknetet. Aus der Masse formten wir kleine Kugeln von 2 bis 2,5 cm Durchmesser. Die fertigen Kugeln trockneten anschließend bei ca. 25 Grad Celsius etwa 2 Tage lang. (Bei den fertigen Seedballs entfällt natürlich die Arbeit im Matsch sowie die Trockenzeit…)

Wo blüht es nur?

Anfang Juni zündeten wir unsere Samenbomben in der Stadt und es begann die spannende Zeit des Wartens. Wie und wo würde die Saat aufgehen? Um eine gute Vergleichsmöglichkeit zu haben, pflanzten wir auch geschützt im heimischen Garten.

Das Ergebnis:

Die Vergleichsaussaaten sind wunderbar aufgegangen. Nacheinander blühten Ringelblumen, Kornblumen, roter Lein, Bienenfreund und Malven. In der eigenen Mischung dominierte die Riesenmelde „Magentaspreen“, deren Blätter wie Spinat essbar sind. Als späte Blüher kamen noch Sonnenblumen nach.
Aber was ist auf den „Guerilla-Saatplätzen“ in der Stadt von der Blütenvielfalt zu sehen? Hier tun sich die frei ausgebrachten Samenkugeln schwer! Zu viele negative Faktoren wirken auf die zarten Keimlinge ein: Trockenheit lässt sie verdorren, zu viel Nässe bringt die überall in den ungepflegten Beeten vorhandenen „unerwünschten Beikräuter“ (früher „Unkraut“ genannt) zum Wuchern, und einen dicken Hundehaufen überlebt keine Aussaat. Enttäuschung also beim Rundgang durch die Stadt: Nur hin und wieder kann man die „Saat der Guerilleros“ erkennen. Dass es vor allem in der Neustadt trotzdem in vielen Beeten üppig grünt, ist der Vitalität der wilden oder ausgewilderten Samen zu verdanken, die sich im Boden angesammelt haben.

Fazit:

Es genügt nicht, einfach seedballs zu werfen und sie dann sich selbst zu überlassen. Ein wenig Pflegearbeit gehört auch zum Guerilla-Gärtnern dazu: Den Boden lockern, bei Trockenheit gießen, zu dominanten Wildwuchs der Beikräuter eindämmen … Trotzdem ist die Aktion nicht völlig gescheitert. Ich gehe seither in der Stadt mit offeneren Augen an Beeten und Blumenkübeln vorbei. Etliche Beispiele für private Initiativen sind mir aufgefallen, die für andere Anwohner eine Anregung sein könnten, selbst aktiv zu werden. „Samenbomben“ oder „Seedballs“ braucht man dazu aber nicht unbedingt. Es genügt den Spaziergang über den Stadtrand hinaus auszudehnen. Am Feldrand kann man mit Samen fündig werden: Kornblumen-und Klatschmohnsamen sammeln oder sich beim Kleingärtner eine Handvoll Ringelblumensaat erbetteln, so verfügt man schnell über einen Saatgut-Grundstock für die Aussaat im nächsten Jahr. Wir wünschen allen künftigen Stadt-Guerilla-Gärtnern viel Spaß beim Säen.