Aus der Allgemeinen Zeitung von Paul Birkner
Die Mainzer und der Rhein – seit 2000 Jahren gehören sie fest zusammen. Doch bevor der große Strom die Brücken der Domstadt passiert, fließt er an einer Landschaft vorbei, die weit weniger Gemälde, Postkarten und Fotoalben ziert. Dabei hat auch das Rheinufer zwischen Weisenau und Laubenheim eine spannende Geschichte – und Zukunft: Schon seit 2016 plant die Stadtverwaltung ein neues Naherholungskonzept. Mit der Umsetzung ist allerdings erst ab 2020 zu rechnen. So bleibt das Gebiet vorerst weiterhin der Natur überlassen.
Auen mit Gehölzinseln und Röhricht-Gesellschaften
Wer sich von Mainz rheinaufwärts begibt, verliert den Fluss am Zementwerk kurz aus den Augen: Erst hinter der Weisenauer Brücke, beim Heim des Rudervereins, kehrt der Fuß- und Radweg ans Ufer zurück und führt fortan nach Süden: zur Linken den Rhein, zur Rechten die Lothary-Aue. Reste einer Einfriedung und eines Türmchens erinnern hier an einen Gutshof aus dem 18. Jahrhundert. Für die Lothary- und die südlich angrenzende Jungenfelder Aue plant die Stadtverwaltung die „Entwicklung einer auentypischen Landschaft mit extensiven Grünlandflächen, Druckwassersenken, Röhrichtgesellschaften und lockeren Gehölzinseln“.
Umgestaltung des Areals rund um „Nato-Rampen“
Eine umfassende Neugestaltung ist erst im Bereich der Nato-Rampen geplant, die man nach einem halben Kilometer erreicht. Sie entstanden im Kalten Krieg, um mit einer Behelfsbrücke die Flussüberquerung für Panzer sicherzustellen. Hier will die Stadt das Rheinufer mit Bootsanlegestellen und einer Treppe zwischen den beiden Rampen aufwerten. Vor allem aber sollen auf den beiden Seiten der Zufahrt – die dank einem neuen Parkplatz autofrei werden soll – Kinderspielflächen, Felder für Beachvolleyball, Boule und Tischtennis, Grillplätze und ein Biergarten entstehen.
Schon jetzt herrscht an den Nato-Rampen reges Treiben: Läufer und Radfahrer halten inne, zwei Handwerker machen Mittagspause, Kinder beobachten eine Entenfamilie. „Ich bin fast jeden Tag hier“, erzählt ein Rentner, „meist mit meinen Enkeln oder meinem Sohn, zum Angeln.“ Von den Plänen der Stadt weiß noch niemand. „Ein Biergarten? Klingt gut“, findet einer der Handwerker. „Ich denke, im Moment tummeln sich hier viele Leute, die man nicht unbedingt haben will“, sagt der andere und deutet auf den Streifen aus Zigarettenkippen, der das Pflaster säumt. Gerade abends kann es Spaziergängern in der Dunkelheit an den Nato-Rampen unwohl werden. Mit einem CDU-Antrag hat der Laubenheimer Ortsbeirat die Stadt aufgefordert, für eine Beleuchtung zu sorgen, doch die antwortete, das sei „aus der Sicht des Natur- und Artenschutzes nicht wünschenswert“. Ob es im Zuge der Neugestaltung eine Beleuchtung geben wird, sei noch nicht entschieden.
Gleich hinter den Nato-Rampen – an der Grenze zwischen Weisenau und Laubenheim – ist ein Kiesbetrieb ansässig, den die Stadt bei ihrer Planung ausspart. Unter dem Gebäude liegt eine Bauschuttdeponie aus den 40er Jahren, in der die Stadtverwaltung nicht nur Weltkriegsmunition, sondern auch die Reste der Mainzer Synagoge vermutet, die die Nationalsozialisten nach der Pogromnacht 1938 gesprengt haben. Der Weg führt nun einen halben Kilometer weiter bis zur Fürstenberger Aue, wo er nicht mehr asphaltiert ist und vor dem Eingang des ehemaligen Campingplatzes abknickt. Seit er 2012 geschlossen wurde, erobert die Natur das Gelände zurück. Hier sieht die Stadt künftig eine ruhigere Naherholung vor als an der Nato-Rampe: Der Campingplatz und die Uferbefestigungen sollen zurückgebaut und durch eine Liegewiese ersetzt, der Weg wieder direkt ans Ufer verlegt werden.
Einen halben Kilometer hinter dem Campingplatz ermöglicht die B9-Unterführung die Rückkehr nach Laubenheim. Dort endet der Planungsbereich des neuen Naherholungskonzepts – nicht aber das Laubenheimer Rheinufer: Noch für weitere zwei Kilometer liegt der Leinpfad, nun gesäumt von mächtigen Linden, in Mainzer Gemarkung. Erst nach dem imposanten Ein- und Auslaufbauwerk des Polders beginnt das kurze Bodenheimer Rheinufer.
Die Pläne:
Seit 2016 erarbeitet die Stadt Mainz ein Naherholungskonzept für das Rheinufer zwischen Weisenau und Laubenheim. Finanzieren will sie es unter anderem mit den Entschädigungsgeldern für Fluglärm – jährlich 45 000 Euro -, die die hessische Landesregierung der Stadt Mainz fünf Jahre lang zahlt.
Die ursprünglich ab 2019 geplante Umsetzung verzögert sich allerdings: „Derzeit werden die noch offenen Verwaltungsaufgaben wie Erwerb der notwendigen Flächen, Kostenkalkulation der einzelnen Module etc. abgearbeitet“, erklärt Stadtpressesprecher Marc André Glöckner. „Voraussichtlich ab 2020 ist mit einer schrittweisen Umsetzung der Neugestaltung zu rechnen.“
Alle Informationen stellt die Stadt im Internet zur Verfügung.