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Frauen machens anders – Feministischer Porno

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von Linda Rustemeier, Fotos: Jonas Otte, Antia Pagant

Schauen Sie Pornos? Häufig gibt es auf diese einfache Frage keine oder nur eine zögerliche, verlegene Antwort. Ob „PorNo“ oder „PorYes“, heutzutage werden so viele Pornos wie noch nie konsumiert.
Das Marktforschungsunternehmen „SimilarWeb“ hat in einer aktuellen Studie den weltweiten Traffic auf Porno-Websites analysiert. Hintergrund ist die geplante Einführung eines Porno-Filters für Internet-Nutzer aus Großbritannien. Die Studie kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Bei 12,5 Prozent aller von Deutschland aufgerufenen Websites handelt es sich um Porno-Angebote. Damit ist die Bundesrepublik Porno-Spitzenreiter im weltweiten Vergleich und die schlüpfrigen Angebote toppen in fast allen Ländern sogar die Nutzung sozialer Netzwerke. Auf dem zweiten Rang landet Spanien mit 9,6 Prozent, auf dem dritten Platz liegt Großbritannien mit 8,5 Prozent, gefolgt von den USA mit 8,3 Prozent. Der Aufruf von Internetporn nimmt also weltweit einen hohen Stellenwert ein.

Frauenpornos als Gegenbewegung
Doch Pornos sind nicht bei allen so beliebt. Vor allem Feministinnen ärgern sich über männliche Regisseure, die nur die Lust des Mannes und explizite Szenen in den Fokus stellen. Ihr Anliegen: Die Lust der Frau wird beim Akt kaum erwähnt. Die darstellenden Damen galten zu lange lediglich als Beiwerk oder Sexspielzeug des Mannes im „herkömmlichen Porno“. So entwickelte sich über die Jahre eine weibliche Porno-Szene, in der die Lust beider Geschlechter dargestellt wird. So zum Beispiel bei der deutschen „PorYes“-Initiative, eine modernere Bewegung zu Alice Schwarzers „PorNo“-Initiative gegen frauenverachtende Pornos. Schwarzer ist der Meinung, Pornos seien generell Frauen verachtend, förderten Vergewaltigungsfantasien und seien ein typisch patriarchalisches Unterdrückungsmedium. PorYes hingegen lehnen zwar die herkömmlichen Pornos, Sexismus und Rassismus ab, wollen aber nicht nur einfach dagegen sein, sondern für „gute Pornos“ eintreten: „sex-positive“ Porn! Mit Erfolg: Ihre Filme erfreuen sich wachsender Beliebtheit, nicht nur unter feministisch interessierten Frauen. „The answer to bad porn ist not no porn, but to make better porn“, sagt auch die Mutter aller weiblichen Pornomacherinnen, Annie Sprinkle aus den Staaten. Sprinkle bezeichnet ihren sexuellen Status als ökosexuell. Ihr Image lautet: „Prostitute and porn star turned sex educator and artist.“ In ihrer Arbeit vereinen sich politische, spirituelle und künstlerische Ambitionen. Seit 2005 zelebriert sie mit ihrer Frau das Love Art Laboratory, nach einer hinduistischen Sitte heiratet das Paar jährlich unter einem zumeist spirituell geprägten Thema. Nach eigener Aussage hat Sprinkle über 7.000 unterschiedliche Arten von Sex erlebt. Anfang der 80er brachte sie mit „Deep Inside Annie Sprinkle“ den ersten weiblichen Pornofilm heraus, in dem sie die mehr frauenbezogenen neuen Sichtweisen vermittelte. Angeschlossen daran hat sich Candida Royale, die 1984 den Film „Femme“ und bis heute mehr als 30 weitere Filme herausgebracht hat. Für ihr Lebenswerk erhielt sie gemeinsam mit Sprinkle den Preis „Die Auster“ im Namen von „PorYes“. Das Magazin „Der Stern“ brachte die neue Haltung in einem Interview mit der feministischen Autorin Laura Meritt auf den Punkt: „Mit den Pornos ist es wie mit der Massentierhaltung: Im Prinzip ist es okay, wenn man nur das Fleisch richtig behandelt.“ Für die Verleihung der „PorYes“-Preise gibt es daher feste Kriterien, die für den qualitativen feministischen Porno gelten: sexpositive Darstellung weiblicher Lust, eine Vielzahl sexueller Praktiken in lustvollen Stellungen ohne herabwertende oder entwürdigende Darstellung von Menschen und Variation bei Körpertypen, Alter, sexueller Orientierung und Ethnien. Außerdem sind Frauen an der Produktion des Films als Regisseurin, Drehbuchautorin oder Kamerafrau beteiligt. In Europa werden die besten Filme zweijährlich beim Feministischen Pornofilmpreis Europa prämiert. In Kanada wird seit 2006 jährlich der Feminist Porn Award verliehen.

Porn made in Mainz
Eine PorYes-Aktivistin aus Mainz ist Katha. Die Designerin kennt alle wichtigen Filme und beschäftigt sich mit der Geschichte des Pornos aus Mainstream sowie feministischer Sicht. Sie bewegt sich auch in der queeren deutschen Szene sowie deren Festivals und Events. Queer bedeutet hier, das gewohnte Geschlechterbild zu hinterfragen und abstrakt ausgedrückt Andersartigkeit zu akzeptieren. Daher kennt sie sich aus und hat in ihrer Abschlussdokumentation Regisseurinnen und Feministinnen Europas befragt, was einen qualitativen Frauenporno ausmacht und wie dieser aussieht; was der Zuschauer sehen will und was ihn bewegt. Heraus kamen Themenkomplexe um die Schlagworte Emotionen, Realismus, Ästhetik, Weiblichkeit, aber auch Storytelling. Die Dokumentation lautet auf den Titel „Frauen machens anders“. In den „Hauptrollen“: Filmprofessorin Anna Brownfield aus Melbourne, Schriftstellerin Erika Lust aus Barcelona und die Künstlerin Julia Ostertag aus Berlin, alles aktive und feministische Pornoregisseurinnen. Aber auch Festivalteilnehmer, Fachleute und Mainstream-Akteure erzählen, was sie über Pornographie denken. Katha sagt: „Neben der Doku habe ich auch einen ersten Film gedreht, mit einem befreundeten Paar. Und es war gar nicht so einfach, an Darsteller zu kommen, die mitmachen wollen und danach auch bereit sind, den Film öffentlich zu zeigen.“ Daher lief der Film erst wenige Male privat oder bei Vorträgen über feministische Filme.

Wer Interesse an der Thematik hat, kann in Mainz das Ladyfest am 7. September im Pengland (Binger Straße) besuchen. Es wird vom autonomen AStA AlleFrauenreferat organisiert für Menschen aller Geschlechter, die Lust haben, sich mit Dekonstruktion und Feminismus auseinanderzusetzen. Das Festival ist unkommerziell und schafft einen Raum für linke, feministische Visionen und Ideen jenseits des Mainstreams. Spaß haben, Diskutieren, Netzwerken und Feiern – so nähert man sich dort den Themen Frauen, Lesben und Transsexuelle über Vorträge, DIY-Kurse, Filme und Workshops / Konzerte. Ein Besuch lädt zur Horizonterweiterung ein. Und wer mehr über feministische und queere Pornos erfahren möchte, kann zu Kathas Veranstaltungen kommen, bei denen gemeinsam neue alternative Pornofilme geschaut werden mit Diskussion im Anschluss. Anmeldungen und Infos unter info@cumdifferent.com.