Systemrelevant – ein Wort in aller Munde. Es rückte in den letzten Monaten diejenigen Berufe in den Fokus, die helfen, wenn es dem Land an den Kragen geht: Pfleger, Ärzte, Apotheker; aber auch Mitarbeiter im Einzelhandel oder der Müllabfuhr – teils aufs äußerste belastet mit Extraschichten. Für diese Berufsgruppen wollten Rebecca Reinhard und Verena Schmitt mehr machen, als sich zum Klatschen auf dem Balkon zu treffen. Also gründeten sie Ende März das Projekt „Kochen für Helden Mainz“. Damit schlossen sie sich der Mission von Ilona Scholl und Max Strohe aus Berlin an. Die Idee: „Wir kochen Essen für die, die den Laden in Zeiten der Krise zusammenhalten.“ Mittlerweile ist das Projekt zu einer deutschlandweiten Graswurzelbewegung herangewachsen, in der viele Gastronomen ehrenamtlich mitwirken.
Aktiv werden
Rückschau in den März: Mainz steht still. Arbeitnehmer sind in Kurzarbeit, Restaurants geschlossen, der Hashtag #wirbleibenzuhause trendet in den „sozialen“ Medien. Auch Verena und Rebecca sind in ihren Berufen von der Pandemie betroffen. Verenas „für Freunde“- Kochatelier und Eventlocation liegt seit Mitte März bis heute fast still. Und Rebecca betreut die LUUPS-Veranstaltungsreihe „Science- Slam“, bei der sich im Schnitt 500 bis 1.000 Leute in Veranstaltungsräumen dieses Landes treffen – aktuell noch undenkbar. Wo viele erst einmal nicht wussten wohin mit sich, war für die beiden schnell klar: Sie wollen anpacken und etwas machen, das hilft, statt jeden Tag die neuesten Ansteckungszahlen zu verfolgen. „Heute glaube ich, dass unser Aktionismus uns selbst davor bewahrt hat, erst gar nicht den Kopf in den Sand zu stecken“, sagt Verena. Die beiden Frauen kennen sich auch vom Neustadt-Carnevalverein „Die Hipster“. Gemeinsame Freunde arbeiten im Gesundheitssystem. Außerdem kennt Rebecca als examinierte Krankenschwester die Belastung des Pflegealltags. Bevor sie studierte, hat sie in dem Beruf 15 Jahre gearbeitet: „Ich habe sehr früh von den Vorplanungen auf die Pandemie in den Krankenhäusern mitbekommen – da war so viel Anspannung, Unsicherheit und vor allem eine immense Zusatzbelastung.“
Neu-Start
Nur wenige Tage lag zwischen der Entscheidung und der ersten Aktion: „Wir haben zwei Wochen durchgearbeitet, Social Media-Kanäle aufgemacht und mit Unterstützung die Website gebaut. Auch Lebensmittellieferanten, Gastronomen und freiwillige Helfer wurden zusammengebracht. Danach waren wir richtig platt“, lacht Verena. „Der Zuspruch für die Idee und Solidarität waren so überwältigend – das motiviert.“ Es kamen Firmen, die Lebensmittel spendeten, Gastronomen und Helfer, die unterstützen wollten: „Alle haben an einem Strang gezogen. Das war toll.“ Für die beiden Mainzerinnen hieß es seither: vernetzen, Anfragen beantworten und Essen ausfahren. „Wir konnten in der Zeit viele Pflegeheime, Supermärkte, Apotheken und Krankenhäuser mit Essen beliefern“, sagt Rebecca stolz. Exakte Zahlen haben sie nicht, schätzen aber 4.500 Portionen. Jetzt wollen sie das Konzept wieder neu aufleben lassen. Denn was allen Beteiligten wichtig ist: auch über die Corona-Zeit hinaus mit einem Projekt daran zu erinnern, wie wichtig die Pflege, der Einzelhandel und viele andere Berufe sind, die dafür zu wenig Prestige bekommen. www.mainzfuerhelden.de
Nina Stemmler
Fotos: Stephan Dinges