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Es stinkt zum Himmel: Kläranlagen weiterhin mit Giftstoffen belastet

Klopapier, Essensreste, Fäkalien und andere unappetitliche Dinge landen tagtäglich in unseren Kläranlagen. Aber auch Dinge, die man nicht sieht: Rückstände von Medikamenten und Nanopartikel aus Kosmetika und Reinigungsmitteln. Genau die können Kläranlagen nicht herausfiltern. Das hat gravierende Folgen für die Ökosysteme, aber auch für den Menschen, denn auch im Trinkwasser finden sich inzwischen Spuren. Laut Deutscher Krankenhausgesellschaft stammen 80 Prozent aller Arzneimittelrückstände im Abwasser aus privaten Haushalten. Jeder zweite Deutsche handelt nach der Devise: Deckel auf, alte Medikamente rein und spülen. Aber auch unabsichtlich gelangen Schadstoffe ins Abwasser. Denn der menschliche Körper kann nicht alle Wirkstoffe abbauen und scheidet sie über den Urin wieder aus, seien es Medikamentenrückstände oder Hormone aus der Anti-Baby- Pille. Dazu kommen Pestizide aus der Landwirtschaft, Mikro-Plastik aus Kosmetikprodukten, Drogenrückstände und Keime. Die Kläranlage in Mainz-Mombach kann die Mikroschadstoffe kaum bis gar nicht herausfiltern. „Es gibt Stoffe wie Ibuprofen, die eine Kläranlage fast vollständig eliminieren kann. Andere Stoffe wie das Schmerzmittel Diclofenac passieren sie ohne Verringerung der Konzentration“, erklärt Herbert Hochgürtel, Abteilungsleiter der Abwasserreinigung des Wirtschaftsbetriebs Mainz.

Wie viel Prozent der Mikroschadstoffe durch die Kläranlage entfernt werden, kann er nicht genau sagen. Die Konzentration von 200 Stoffen vor und nach Durchlaufen der Kläranlage werden zumindest untersucht. Genauere Zahlen sollen bis Ende des Jahres folgen. Bei Kläranlagen macht man sich aber nicht nur Gedanken über Mikroschadstoffe, auch größerer Abfall, der die Toilette hinunter gespült wird, bereitet Probleme: Feuchttücher, Wattestäbchen, Tampons und Binden lösen sich im Gegensatz zu Klopapier nicht im Wasser auf und verstopfen die Kanäle oder legen Pumpen lahm. Fast wöchentlich müssen diese aufwändig gewartet oder Teile ersetzt werden. Jeden Monat kostet das um die 7.000 Euro. Geld, das auf die Gebührenzahler zurückfällt.

Zu teuer, um gesund zu sein?

Um unnötige Belastungen zu vermeiden, werden Privathaushalte vermehrt aufgeklärt, welche Folgen ihr Umgang mit Hygieneartikeln, Kosmetik, Putz- und Nahrungsmitteln sowie Tabletten hat. Ein anderer Ansatz verfolgt schärfere Gesetze gegen Pestizide in der Landwirtschaft. Aber auch eine Kläranlage kann sich rüsten: Im Februar wurde eine Studie der Technischen Universität Kaiserslautern zu einer weiteren Reinigungsstufe beauftragt. Geforscht wird an einer Ozonierung mit Aktivkohle, um Giftstoffe zu zerstören und herauszufiltern. Dieser Reinigungsstufe steht jedoch noch einiges im Weg. Nicht nur, dass sie Platz und Strom verbrauchen würde. Vor allem die Kosten schlagen kräftig zu Buche – und diese werden wiederum auf die Abwassergebühren umgelegt. Der Wirtschaftsbetrieb befürchtet daher nicht zuletzt, bei der Bevölkerung auf Ablehnung zu stoßen, auch wenn die neue Technik gesundheitliche Vorteile mit sich bringen könnte. Ein Ziel der Kläranlage sei es nach wie vor, bei möglichst geringen Kosten maximal umweltfreundlich zu handeln, betont die Vorstandsvorsitzende Jeanette Wetterling. Weitere Tests könnten durchgeführt werden, wenn die Ergebnisse der Studie Erfolg versprechen. Vielleicht ist es uns die Gesundheit am Ende ja doch noch wert.

Nora Cremille

Do’s und Dont’s für Haushalte:

  • Essensreste in den Biomüll
  • Bratfette und Speiseöle können mit einem Küchentuch aufgesaugt werden und kommen ebenfalls in den Biomüll
  • Feuchttücher, Wattestäbchen, Tampons, Binden, Slipeinlagen, Kondome, Windeln, Zigarettenstummel, Katzenstreu und Medikamente in den Restmüll
  • Ein bewusster Umgang mit Tabletten ist sowohl für Umwelt als auch für die Gesundheit wichtig
  • WC- & Duftsteine besser vermeiden
  • Flüssige Gefahrenstoffe zum Recyclinghof bringen