Als am 3. Februar im Super Bowl der Sieger der American-Football-Liga NFL ausgespielt wurde, guckte nicht nur ein Drittel der US-Amerikaner in die Röhre. Auch in Deutschland hat der Sport mit dem fußlangen Ei eine erstaunliche Anzahl treuer Anhänger. In Köln stieg eine Super-Bowl- Party in der größten Arena der Stadt und auch in Mainz verfolgen viele Fans bis tief in die Nacht das Spiel zwischen den Los Angeles Rams und den New England Patriots. Ein amerikanisches Spektakel mit teuer bezahlten Superstars, welches in den letzten Jahren auch hierzulande immer mehr Begeisterung entfacht.
So steigen die Einschaltquoten der sonntäglichen NFL-Spiele und immer mehr Sportvereine bauen eine American-Football-Abteilung auf. Auch die TSV Schott Mainz ist mit den Golden Eagles in diesem Sektor aktiv. Neben den Seniors und Jugend-Mannschaften verschiedener Altersstufen hat sich ein Ladies- Team der Faszination American Football verschrieben und lebt diese bis ins Letzte aus, weit entfernt von Millionenverträgen und Zuschauermassen.
Dezimierte Mannschaft
Es ist ein ungemütlicher Mittwochabend im Januar. Einer, an dem kaum jemand gerne vor die Tür geht. Der Kälte zum Trotz treffen sich um die zehn Frauen zu einer der zwei wöchentlichen Trainingseinheiten in Mombach. Ganze zweieinhalb Stunden bereiten sie sich mit mehreren Trainern auf die Saison vor. Die Damenmannschaft der Golden Eagles tritt in der zweiten deutschen Bundesliga an, nachdem sie im letzten Jahr zum Abstieg gezwungen wurde. Durch unglückliche Verletzungen hatte Headcoach Matthias zu viele Spielerinnen verloren und konnte so keine Mannschaft mehr auf den Platz stellen. Besonders ärgerlich, da die Golden Eagles zu diesem Zeitpunkt zum dritten Jahr in Folge auf dem Weg in die Playoffs waren, in denen der deutsche Meister ausgespielt wird. Nun geht es aber für mindestens eine Saison in das Unterhaus. Im Vergleich zur ersten Liga spielen die Teams in der zweiten Division 9er-Football, in dem sowohl defensiv als auch offensiv auf zwei Spielerinnen verzichtet wird. Doch auch in diesem dezimierten Format ist noch nicht gesichert, dass die Eagles zum Spielstart im Frühling eine komplette Mannschaft auf den Rasen bekommen.
Jede für jede
Wenn es um ihr Football-Team geht, lassen sowohl der Coach als auch die Spielerinnen immer wieder das Wort „Familie“ fallen. Die Gemeinschaft sei eine ganz besondere, meint Jenny und fügt hinzu: „Der Zusammenhalt ist wirklich anders.“ Die 26-Jährige kommt aus einer Handballfamilie und hat sich erst vor zwei Jahren endgültig für den Football entschieden, obwohl sie seit der Gründung des Damenteams 2009 aktiv dabei ist. Ein Beispiel für ihr Engagement: An jenem Mittwochabend kann sie nicht trainieren, ist aber trotzdem vor Ort um ihren Kameradinnen Gesellschaft zu leisten. Besonders ist beim American Football das Teamgefüge, welches so facettenhaft wie bei kaum einer anderen Sportart ist. Die kräftigeren Damen spielen in der Line und sind in erster Linie für (Ab) Block-Arbeit zuständig. Die Flinken empfangen Pässe in der Offensive oder verhindern sie in der Defensive und die Kontaktfreudigen versuchen als Linebacker die gegnerischen An- zu unterbinden. Sie alle sind aufeinander angewiesen, was die Teamgemeinschaft ungemein stärkt. Jennys Mitspielerin Vera führt diesen Zusammenhalt vor allem auf die Härte des Sports zurück: „Wenn ich meinen Job in der Offense nicht mache, dann bekommt Jenny von der gegnerischen Defense einen harten Hit“. Ihre Mitspielerin soll sich auf sie verlassen können. „Es funktioniert nicht, wenn du den Leuten nicht vertraust“. So kommt es, dass das Team auch abseits des Platzes gerne zusammenkommt, sei es zum Essen, zum Football-Gucken oder Ausgehen. Durch die unterschiedlichen Trainingseinheiten entsteht außerdem keine Grüppchenbildung.
Neue Leute gesucht
Wieso aber die Damen nichtsdestotrotz Schwierigkeiten haben, ihr Team zu vervollständigen, kann sich keiner der Beteiligten erklären. Coach Matthias ist dennoch selbstkritisch und meint, dass man mit mehr Manpower noch mehr Akquise machen könnte, um im Sport-Überangebot neue Personen für den Nischensport zu begeistern. Spielerinnen, die dabei bleiben, würden bei den Eagles besonders schnell integriert. Grund für einen schnellen Absprung könnte vermutlich auch der nicht zu unterschätzende Körperkontakt sein, der für Abschreckung sorgt. Vera sieht das anders und sagt klar und deutlich: „Mir macht das explizit Spaß.“ Der Kontakt mache nun mal den Charme des Footballs aus, sagt auch ihr Trainer. An alle Neulinge richtet Vera, dass in der Spielsituation der Kontakt nur halb so wild ist und viel weniger wehtut als anfangs befürchtet. Klar können da hin und wieder blaue Flecken entstehen. Im Eifer des Gefechts seien aber nur die wenigsten Tackles (Zu- Boden-Bringen) wirklich schmerzhaft. Man freue sich auf jeden Fall über jede neue Spielerin. Besonderer Bedarf herrscht dabei üblicherweise auf den Line-Positionen, die von kräftigeren Spielerinnen eingenommen werden. Die am schwie rigsten zu besetzende Position ist aber der Runningback, der durch die gegnerische Defensive läuft. „Das muss schon eine Drecksau sein, die sich von niemandem einschüchtern lässt“, stellt Matthias fest. Derzeit übt Vera diese Position aus. Ihr Herz schlägt aber eigentlich für die Verteidigungsposition „Linebacker“. Für eine Football-Spielerin erscheint die 22-Jährige vermeintlich zierlich. Hin und wieder komme es auch mal zu einem blöden Spruch, in dem Frauen-Football despektierlich abgestempelt wird, meint Vera, verweist aber auf den positiven Zuspruch, den sie aus ihrem Umfeld erhält.
Mit Emotionen umgehen
Ladies-Football sei schon etwas anderes, meint Coach Matthias, beobachtet aber, wie der Sport in den letzten Jahren für Zuschauer immer attraktiver wird. Die Unterschiede zu den Männermannschaften liegen in der Teamdynamik. Während insbesondere bei den jüngeren Herren gerne mal das Selbstbewusstsein von den eigenen Kameraden gezähmt werden muss, spielen bei den Damen vereinzelt Selbstzweifel eine Rolle. Aber Matthias weiß um diese und nimmt sich Zeit, mit den Spielerinnen zu reden und diese zu minimieren oder aus dem Weg zu räumen. Zudem ist da noch das Team mit seinem starken Zusammenhalt. Aufgrund der Personallage befürchten die Ladies dennoch eine schwierige Saison. Vera ergänzt aber gleich, es bringe nichts Trübsal zu blasen. Guter Dinge gehen die Mainzer Golden Eagles also ihren Weg und arbeiten ständig daran sich zu verbessern. Dazu gehört auch das regelmäßige Training mit Teams aus dem Umland, etwa aus Mannheim, Gießen und dem Saarland. So knüpft frau auch gleichzeitig neue Kontakte mit Gleichgesinnten. Denn trotz harter Tackles und blauer Flecken fällt man in einer starken Gemeinschaft immer weich.
Text Till Bärwaldt Fotos Domenic Driessen