
Mit 19 in der Bundesliga, heute Toptorjägerin in Mainz – die Fußballerin Nadine Anstatt blickt auf eine vielseitige Karriere zurück und hat noch große Pläne. Im Interview spricht sie über ihre Liebe zum Spiel, offene Worte zu queerer Sichtbarkeit im Sport und den Reiz des selbstgekochten veganen Essens. Zwischen Bruchwegstadion und Masterarbeit zeigt sie, wie Profifußball auch jenseits von Klischees gelebt werden kann.
Beruf
Wie und wo ging deine Fußballkarriere los?
Ich habe bei Alemannia Laubenheim angefangen. Die Idee hatte eine Freundin, die dann aber nach unserem ersten gemeinsamen Training keine Lust mehr hatte weiterzumachen. Bei der Alemannia waren schon mein Vater, mein Halbbruder und mein Bruder aktiv. Ich habe dort in gemischten Mannschaften mit Jungs gespielt, parallel ab 14 für die TSG Drais mit Mädels, leistungsorientierter dann bei den Frauen in Wörrstadt und bei Schott Mainz. Mit 19 bin ich zum 1. FFC Frankfurt in die Bundesliga gewechselt.
Wie war es danach, aus der 1. Liga runter zu Wetzlar, Cloppenburg, Saarbrücken und Mainz in Liga 2 und 3 zu wechseln?
Das Niveau in der Bundesliga ist sehr hoch, und ich hatte eine Verletzung zu überstehen, entsprechend konnte ich das stets gut einordnen. Die Zeit auf dem hohen Niveau hat mir Spaß gemacht. Es kam sogar zwischendurch nochmal ein Angebot aus der 1. Liga, das ich ablehnte, weil ich näher zurück an der Heimat sein wollte. Jetzt sind wir aufgestiegen und ich freue mich wieder auf die 2. Liga und den DFB-Pokal.
Du hast als Mittelfeldspielerin in der abgelaufenen Saison 33 Tore in 21 Ligapartien geschossen. Wie kommt es zu deiner beeindruckenden Torquote?
Meine Lieblingsposition ist das zentrale Mittelfeld – finale Pässe spielen, vorwärts verteidigen und manchmal im Angriff überraschen. Ich habe früher oft im Sturm oder auf dem Flügel gespielt und übernehme nach wie vor verschiedene Positionen auf dem Platz. Meine Kopfballstärke und Erfahrung haben mir sicher geholfen, aber in der letzten Saison war es echt besonders. Da haben wir extrem viele Tore geschossen, und ich konnte oft im Strafraum zum Abschluss kommen.
Welche Tore der Saison bleiben dir in einprägsamer Erinnerung?
Da fallen mir drei Treffer ein: 1. Als ich in der Hinrunde gegen Elversberg das 2:0 geschossen habe. Elversberg ist ein Lokalrivale des 1. FC Saarbrücken, für die ich mal gespielt habe und noch immer Verbundenheit empfinde. 2. Das Tor von Kara im DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Wolfsburg. Wir sind in Führung gegangen, und die Stimmung hier im Bruchwegstadion ist explodiert. Das war überragend. 3. Mein 2:1 im März gegen Bad Neuenahr. Da war es noch eng in der Liga, und in dem Moment ist uns allen ein Stein vom Herzen gefallen, da wir wussten: Das Spiel gewinnen wir jetzt.
Hast du noch Ziele in deiner Karriere oder deinen Traum schon erfüllt?
Ich träume manchmal davon, es wieder in die 1. Liga zu schaffen oder noch ins Ausland zu gehen, falls mein Körper das mitmacht. Ich glaube aber, im Fußball schon viel erreicht zu haben. Ich durfte in Frankfurt Bundesliga spielen, habe dort ein Tor geschossen und durfte zum Champions League-Achtelfinale nach Malmö mitfliegen. Als Semi-Profi arbeite ich halbtags im Golfverband, bin nebenher Jugendtrainerin und schreibe bald meine Master-Arbeit im Fach „High Performance Sports“. Ich will beruflich dem Fußball langfristig erhalten bleiben, gerne später auch neben dem Platz.
Mensch
War dein Kinderzimmer rosa, und welche Poster hingen an der Wand?
Mein Zimmer war eher neutral gestaltet, Poster und T-Shirt hatte ich von Lukas Podolski. Ich habe als Kind gerne Baumhäuser gebaut, im Garten gespielt und hatte viel Spaß an Sportakrobatik. Später waren Iniesta und David Villa Fußballer, die mich begeistert haben. Meine erste CD war „Perfekte Welle“ von der Band „Juli“. Fußballerinnen, die ich als Mädchen super fand, waren Kerstin Garefrekes, Birgit Prinz und Dzseni Marozsán, mit der ich später sogar in Frankfurt zusammen auf dem Platz stehen durfte.
Wie siehst du heute die Rolle von Instagram für den Frauenfußball und dich persönlich?
Diese Bühne wird von einigen Fußballerinnen sinnvoll genutzt. Dort zeigen junge Menschen interessante Einblicke in den Frauenfußball. Ich finde das spannend, bin persönlich in den sozialen Netzwerken aber zurückhaltender. Die Leute, die mir da folgen, kenne ich größtenteils. Schön ist, dass einige Frauen eine große Reichweite für unseren Trainingsalltag und Spielbetrieb erreichen. Potenzial sehe ich aber für einige Vereine und Ligen, um unseren Sport noch besser zu präsentieren.
Wie stehst du zu Bi- und Homosexualität im Fußball? Lebst du selbst in einer Partnerschaft und magst davon erzählen?
Ja, ich bin mit einer Frau zusammen und das schon dreieinhalb Jahre. Wir gehen damit offen um. Mich ärgert jedoch, dass viele Menschen Frauenfußball immer noch so viel mit Klischees verbinden. Die sind natürlich totaler Unsinn. Im Herrenfußball ist das Thema trotz steigender Diversität der Fans und Fankultur nach wie vor weitgehend ein Tabu. Dies hat meines Erachtens viel mit überhöhten, veralteten Männlichkeitsidealen im Fußball zu tun und natürlich mit der viel größeren öffentlichen Aufmerksamkeit. Wer sich outet, dem wird nicht nur Zuspruch, sondern auch Verachtung und Häme entgegenschlagen und das auf großer öffentlicher Bühne. Es ist entsprechend nachvollziehbar, dass vielen dieser Schritt zu riskant scheint. Ich hoffe, dass sich die Gesellschaft weiter öffnet, damit die Bedingungen auch für queere Fußballer einfacher werden und sie offen und ohne Vorurteile leben können.
Wollt ihr euch die Schweizer EURO 2025 der Frauen vor Ort anschauen, oder braucht ihr im Sommer auch mal Abstand vom Fußball?
Das Turnier werde ich definitiv verfolgen. Wir haben Karten für das Spiel Deutschland gegen Dänemark. Darauf freue ich mich schon sehr. Die restlichen Spiele werden wir vermutlich gemeinsam mit Freunden hier anschauen. Abstand vom Fußball brauche ich nie.
Was sind deine Hobbys und wo lebst du diese aus?
Mein Leben wird tatsächlich vom Sport bestimmt. Ansonsten koche ich gerne oder gehe gut essen. Seit fünf Jahren ernähre ich mich vegan, vegetarisch schon seit ich 18 bin. Da kommt mir meine Affinität zum Kochen auch zugute. Ich trinke gerne guten Kaffee – zuhause per Siebträgermaschine und auswärts in verschiedenen schönen Cafés wie dem „Nest“ oder dem „Café George“.
Interview: Thomas Schneider
Foto: Jana Kay