Nachdem vor kurzem bekannt wurde, dass die Verwaltung nun endlich das lange gehegte Soziokulturelle Zentrum an der Rheinallee mit 350.000 Euro jährlich bezuschusst, ist die Kulturbäckerei in aller Munde. Was es damit auf sich hat und warum Kulturbäckerei nicht gleich Kommissbäckerei ist, wann es losgeht und wo er eigentlich „herkommt“, erzählt Jürgen Waldmann in diesem Interview.
BERUF
Was hat es mit der Kulturbäckerei eigentlich auf sich?
Es gibt seit mehr als dreißig Jahren die Idee, auf dem Gelände der ehemaligen Kommissbrotbäckerei in der nördlichen Neustadt Kultur zu machen, seit 2015 konkret für das denkmalgeschützte Bäckereigebäude an der Lahnstraße / Ecke Zollhafen. Die Wohnbau Mainz entwickelt das Gelände und der Verein erarbeitet seit Jahren Konzepte, das Gebäude als Soziokulturelles Zentrum zu bespielen. Zu Beginn waren das 12 Gründungsmitglieder, heute sind es fast 70, darunter auch andere Organisationen und Vereine. Es soll ein Ort für die freie Kunst- und Kulturszene entstehen, aber auch ein Ort für die Menschen aus dem Stadtteil und ganz Mainz.
Und ihr übernehmt also das komplette Gebäude?
Nein, es war mal geplant, die gesamten ca. 3.000 qm zu übernehmen. Aber mittlerweile ist es nur noch knapp die Hälfte, weil ein anderer Betreiber aus Mainz den Großteil übernimmt. Wir bespielen „nur“ das 2. und 3. Obergeschoss mit 1.400 qm und ca. 20 Räumen. Außerdem haben wir ein Tageskontingent für die Veranstaltungshalle im Erdgeschoss und die Kellerbühne. Ab 2026 soll das gesamte Projekt starten. Ich kenne den Generalpächter und denke, dass sich gute Synergieeffekte finden lassen.
Was soll in den Räumen konkret passieren?
Es gibt Büros für Kulturvereine, wie das Filmz oder den BBK, Workshopräume, Treffpunkte, Ateliers und Arbeitsräume für Künstler, außerdem unser „Atelier für alle“. Darin geht es um die Idee, dass Künstler mit Menschen aus Mainz und Umgebung für gemeinwohlorientierte Projekte zusammenarbeiten. Dann gibt es eine Studiobühne und einen multifunktionalen Veranstaltungsraum für Ausstellungen, Lesungen, Filmvorführungen, kleine Konzerte etc.
Der Stadtrat hat 350.000 Euro jährlich für das Projekt bewilligt. Das deckt die Miete ab?
Ja, das Geld ist im Wesentlichen für die Warmmiete aller Räume. Die Förderung fließt somit letztendlich wieder an die Wohnbau Mainz. Alle anderen Kosten muss der Verein selbst erwirtschaften. So zahlen Künstler, Initiativen und Vereine eine günstige Miete an die Kulturbäckerei, und auch die Stadt Mainz kann Räume anmieten. Dazu generieren wir Einnahmen aus Veranstaltungen und aus weiteren Förderungen und Sponsoring. Auch das Ministerium für Familie, Frauen, Kultur und Integration wird einen Beitrag leisten. Neben unserem eigenen Veranstaltungsprogramm bieten wir so eigentlich eine Dienstleistung für die Stadt, nämlich das Soziokulturelle Zentrum zu verwalten und zu organisieren.
Jetzt sinkt der Mainzer Haushalt wieder tief ins Minus. Stehen die Förderung und das Projekt dann auf der Kippe?
Das denke ich nicht, aber man muss schauen. Wir brauchen auch eine Ausstiegsklausel aus unserem Mietvertrag. Natürlich werden wir keinen Fünfjahresvertrag haben, wie der Generalpächter. Solange die Stadt nur Jahreshaushalte verabschiedet, können wir auch nur jahresweise denken. Ich finde es daher eigentlich unnötig, dass man im Stadtratsbeschluss noch einmal darauf hinweisen muss. Insgesamt ist es aber schön, zu sehen, dass der Stadtrat zugestimmt hat.
MENSCH
Erzähl doch mal was über dich …
Ich bin in Hockenheim aufgewachsen und habe in Heidelberg Psychologie studiert, allerdings nur bis zum Vordiplom. Danach habe ich in Gießen Angewandte Theaterwissenschaften studiert und mit Diplom abgeschlossen. Das war mein Ding: viel Praxis, viele szenische Projekte … Das ist auch der Grund, warum ich hier in Mainz bin, weil ich mit meiner Frau Sabine Felker ein Performance Ensemble gegründet hatte, mit dem wir uns damals bei Kulturämtern beworben hatten. In Mainz wurde uns eine Förderung in Aussicht gestellt und so sind wir hierhergezogen, haben einen Kunstverein mitgegründet, den Verein darK. e.V. für darstellende Künste, und neben der Kunst auch immer andere Dinge getan. So war ich für Agenturen und als Layouter tätig, habe eine Cinemathek aufgebaut und in der kulturellen Bildung gearbeitet. Seit April 2023 habe ich eine 80 Prozent-Stelle bei der Kulturbäckerei.
Ihr habt also viel Erfahrung beim Akquirieren von Fördertöpfen.
Da ich schon lange als Künstler und Kulturorganisator unterwegs bin und weiß, wie schwer es ist, Gelder zu generieren, habe ich über viele Jahre Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt. Projektbezogen gibt es auf den unterschiedlichen Ebenen – Kommune, Land, Bund – einige Fördermöglichkeiten. Aber man muss auch schauen, ob es Unterstützung durch Unternehmen im Bereich Sponsoring gibt.
Ist deine Frau in der Kulturbäckerei aktiv?
Wir arbeiten seit Anfang an künstlerisch zusammen und haben zahlreiche Projekte und Formate gemeinsam entwickelt und dies auch schon seit vielen Jahren als Künstler unter dem Label OKTOOBER. Zudem sind wir verstärkt im soziokulturellen Bereich mit partizipativen Kunstprojekten im Sozialraum tätig. So sind auch Formate für die Kulturbäckerei entstanden. Das ist verstärkt mein Projekt, seit ich im letzten Jahr die Stelle der Geschäftsleitung angenommen habe. Sabine ist aber im Verein aktives Mitglied und seit letztem Jahr im Vorstand.
Und sind eure Kinder mit dabei?
Die sind schon etwas älter und studieren bzw. arbeiten woanders und haben schon wieder eigene Kinder. Daher nein, aber Sabine und ich wohnen hier in unmittelbarer Nachbarschaft zum zukünftigen Soziokulturellen Zentrum.
Ist das Projekt denn so etwas wie dein Lebenswerk?
Es kommt schon vieles zusammen, für was ich mich in den letzten Jahren engagiert habe. So ist es schön, einen neuen Ort entwickeln zu können, ein offenes Haus für alle Genres, für Laien und Profis, für Menschen, die sich engagieren wollen, einen Ort für Kunst und Kultur, für Bildung, Soziales und Kommunikation. Da kommt mir meine Erfahrung aus den letzten Jahren zugute. Und die Menschen, die hierherkommen, vor allem auch die Kulturschaffenden, sind eigentlich immer zufrieden und freuen sich über die gute Atmosphäre und gute Bedingungen.
Interview David Gutsche Foto Jana Kay