Dr. Björn Rodday ist Vorsitzender des Berufsverbands Bildender Künstler in Rheinland-Pfalz. Über Herausforderungen im Beruf und einen gesundheitlichen Einschnitt in seinem Leben spricht der 47-Jährige in diesem Interview:
BERUF
Könnten Sie uns etwas über Ihre Tätigkeit erzählen?
Ich arbeite als Geschäftsführer der „Stiftung Sayner Hütte“ mit Sitz in Bendorf-Sayn, die mittlerweile Industriedenkmal, Kulturstätte und Museum ist. Mein Ziel ist es, die Hütte bekannter zu machen, mit kulturellem Leben zu füllen und im Bereich der kulturellen Bildung als „dritten Ort“ zu entwickeln. All das funktioniert durch enge Kooperationen und Netzwerke mit anderen Institutionen und Kulturschaffenden im Land und darüber hinaus.
Aber Sie sind auch in Mainz im Berufsverband der Bildenden Künstler Rheinland-Pfalz aktiv?
Ja, seit Ende 2023 als erster Vorsitzender im Berufsverband. Seitdem haben wir uns einigen lange ausstehenden Verbandsaufgaben gewidmet, wie z.B. der Erarbeitung einer neuen Satzung sowie der Neustrukturierung von Vereins- und Geschäftsführung. Aber auch künstlerisch konnten wir neue Akzente setzen. So haben wir die Konzeption der Landeskunstschau grundlegend erneuert, oder im Bereich „Kunst am Bau“ beraten wir in Zusammenarbeit mit dem Kultur- und Finanzministerium sowohl auslobende Kommunen als auch Architekten und Künstler. Zudem setzen wir uns für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Künstlern ein. Dazu gehört auch der Kampf für Mindesthonorare. Hier haben wir einen Online-Honorarrechner entwickelt, der mittlerweile bundesweit genutzt wird.
Wie nehmen Sie die Sichtbarkeit der Kunstszene in Mainz und Rheinland-Pfalz insgesamt wahr?
Es gibt in Mainz viele herausragende Initiativen und Künstler! Die öffentliche Wahrnehmung ist dabei jedoch nicht so stark, wie sie sein könnte. Mainz ist auch Sitz der einzigen Kunsthochschule im Land und besitzt gestalterische Klassen in der Hochschule. Jedoch gehört es auch zur bitteren Wahrheit, dass viele Studienabgänger nach dem Abschluss Rheinland- Pfalz verlassen, da die Kulturförderung in anderen Ländern und Kommunen besser aufgestellt ist.
Was sind die größten Herausforderungen, mit denen Sie konfrontiert sind?
Als Berufsverband kämpfen wir für eine Stärkung der Kulturszene im gesamten Land. Hierbei darf die Kulturförderung seitens des Landes auf keinen Fall weiter sinken – gerade in Anbetracht der Herausforderungen von Tarif- und Preissteigerungen. Die größte Herausforderung wird in den kommenden Jahren aber der Kampf für den Bestand unserer demokratischen Gesellschaft sein. Wenn wir als Kulturschaffende unsere Elfenbeintürme nicht verlassen und für unser Wertesystem nach Außen einstehen, werden wir vielleicht in ein paar Jahren um die Freiheit der Kunst als Ganzes kämpfen müssen.
Wie gelingt es Ihnen, diese Aufgaben im Ehrenamt zu bewältigen?
Es ist eine Herausforderung, all dies zeitlich und kräftemäßig zu managen, vor allem mit begrenzten personellen und finanziellen Mitteln. Unser gesamter Vorstand des BBK arbeitet komplett ehrenamtlich und ohne Aufwandsentschädigung. Die Arbeit funktioniert vor allem deshalb so gut, da unser Team, also im Kern Vorstand, Geschäftsstelle und Ausschüsse, absolut kollegial und unbürokratisch zusammenarbeitet.
MENSCH
Sie haben einen interessanten Werdegang, der sowohl Medizin als auch Kunst umfasst. Wie haben Sie diese beiden Bereiche miteinander verbunden?
Ich habe Kunst und Medizin parallel studiert und war auch als Arzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie tätig. Nach einer Krebserkrankung vor etwa 10 Jahren konnte ich gesundheitlich in der Medizin nicht mehr arbeiten und habe mich komplett der Kultur zugewandt. Seitdem versuche ich, Leben und Beruf als etwas Ganzheitliches zu sehen – ich würde es als eine Art “soziale Plastik” und mich selbst als Fluxus-Künstler beschreiben.
Die Erkrankung hat Ihr Leben zwischenzeitlich stark beeinträchtigt…
Ja, 2013 erhielt ich die Diagnose Darmkrebs, was mein Leben vollkommen auf den Kopf gestellt hat. Ich wurde operiert, es gab Komplikationen, Not- OP, künstliches Koma, Chemotherapie und ein Jahr lang hatte ich zudem einen künstlichen Darmausgang. Seitdem blicke ich auf viele Aspekte des Lebens mit anderen Augen.
Wie hat sich Ihr Leben verändert, nachdem Sie mit einer schweren Krankheit konfrontiert wurden?
Die Leichtigkeit, die ich früher hatte, ist ein wenig verloren gegangen. Ich habe meine Prioritäten neu sortiert und bin in manchen Bereichen auch etwas strikter geworden. Unsere Lebenszeit ist sehr kostbar und man sollte manchen Einflüssen von außen klaren Grenzen setzen – im Beruflichen wie im Privaten. In der Verarbeitung der Krebserkrankung und der Komplikationen habe ich Gott sei Dank eine sehr gute psychologische Unterstützung erhalten und bin außerordentlich dankbar dafür.
Wie beeinflusst Ihre familiäre Situation Ihr Leben und Ihre Arbeit?
Ich habe drei wundervolle Kinder, die 4, 7 und 16 Jahre alt sind und die höchste Priorität einnehmen. Ich habe sie zwei bis drei Tage die Woche bei mir, und da im Kulturbereich viele Veranstaltungen am Wochenende stattfinden, wachsen sie mit der Kultur und den damit verbundenen Aufgaben auf. Die Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Brotjob ist mitunter eine Herausforderung, doch als einer der wenigen Vorteile der Pandemie hat sich immerhin auch die Arbeitswelt ein wenig der Lebensrealität der Menschen angepasst.
Wie haben Ihre frühen Jahre und Ihre Erziehung Ihre Karriere geprägt?
Mein Lebensumfeld war in Kindheitsjahren nicht besonders einfach und meine Mutter musste nach zwei Scheidungen für unseren Lebensunterhalt kämpfen. Auf einem steinigen Weg habe ich es als Erster in unserer Familie auf ein Gymnasium geschafft und kam ins Internat des Windsbacher Knabenchors. Die Beschäftigung mit Musik, die mir dort zuteil wurde, aber auch der de-facto Neustart haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin.
Interview: David Gutsche
Foto: Jana Kay