Text: Anna Janina Zepter
Foto: Roman Knie
Kennen gelernt haben sich die beiden 1999 bei einer Veranstaltung des Künstlervereins Walpodenakademie. Die gebürtige Ostfriesin wohnte nach ihrer Meisterprüfung als Goldschmiedin in Hanau erst frisch in Mainz und wollte sich im besagten Verein engagieren. „Ich schau mal, ob der Brandstifter da ist“, kündigte ein Künstlerkollege Tanja ihren heutigen Partner an. „Ich dachte erst: Brandstifter, meine Güte, wer kommt denn da jetzt?!“, erinnert sich die heute 41-Jährige an ihre erste Begegnung, „aber dann sah er doch ganz normal aus.“ „Wir waren uns von Anfang an sehr sympathisch“, ergänzt Stefan Brand alias Brandstifter (43), heutiges Mainzer Künstler-Urgestein.
Näher gekommen sind sie sich ein paar Wochen später auf der Mainzer Minipressen-Messe. Beide betreuten den Stand der Walpodenakademie, als plötzlich ein eher mürrischer Besucher an Stefan herantrat und ihn unwirsch dazu aufforderte, eine Postkarte zu signieren, auf der bereits sein Künstlername stand. Der Besucher ließ partout nicht locker: „Jetzt schreiben Sie halt irgendeinen richtigen Namen drauf!“, wandte er sich schließlich an Tanja. Stefan beobachtete das Ganze belustigt von der Seite: „Ich hab’ mir gedacht, wenn sie da jetzt was Tolles draufschreibt, dann ist sie meine Frau!“ Sie nahm die Postkarte, überlegte kurz und gab sie ohne mit der Wimper zu zucken mit „Irene Schmitt“ in Schönschrift signiert zurück.
Die Erforschung der Generation Essig
Mit ihrer Liebe war so auch gleich der gemeinsame Künstlername geboren: horstundireneschmitt. Ihr Ziel: Herausfinden, warum Menschen sich so entwickeln, wie der verbissene Autogrammjäger, um selbst nicht so zu werden. Beide nennen es auch die „Erforschung der Generation Essig“. „Diese Menschen haben sich in Essig eingelegt, sind verschlossen, sauer und verbittert. Für uns war immer klar, dass wir so nie werden wollen, auch nicht als Paar.“ Nur einen Monat später – da waren sie dann schon ein Paar – veranstalteten sie ihre erste gemeinsame Performance in Wiesbaden, in der sie als Pilot und Stewardess die Regeln für den richtigen Kunstgenuss auf die Schippe nahmen. So erzählen die beidenheute noch gerne lachend von ihrer „Schlechtvor-schlechter-Kunst-Kotztüte“. Seitdem haben horstundireneschmitt oft zusammen performt. Die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend: Tanja, die Goldschmiedemeisterin, ist die Technikerin und Stefan, der Autodidakt, der über die Musik zur interdisziplinären Kunst kam, der Theoretiker. Inhaltlich stimmen ihre Ziele überein.
Ihre Performances zeigen oft alltägliche Vorgänge in übersteigerter Intensität, um dadurch den Blick auf die Mechanismen des Kunstbetriebes, aber auch des menschlichen Zusammenlebens zu zeigen. Für Stefan ist Kunst Realitätsbewältigung, es geht ihm darum, die Umstände aufzudecken, um sie zu ändern. Tanja sieht das Ganze eher pragmatisch: „Ich habe immer viel gezeichnet und ausprobiert. Auf der Bühne stehen fällt mir auch leicht… mir war lange ar nicht bewusst, dass das alles Kunst ist, was ich mache.“
Die Unordnung der Dinge
„Ich bin ein Kunst-Messie“, gibt Stefan zu und spricht damit den gemeinsamen wunden Punkt an: die Unordnung. Kein Wunder, dass das sonst sehr ausgeglichene Paar hier aneinander gerät, denn bis die Walpodenakademie ihr heutiges Zuhause in der Neubrunnenstraße fand, haben Stefan und Tanja einen Großteil der Vorstandsarbeit von ihrer 80qm-Wohnung aus erledigt. „Das Büro und Lager des Vereins, dann noch meine Instrumente, das ganze Material für die Performances und die sonstigen Projekte, und bis Tanja ihr Goldschmiedeatelier („mooi“ in der Gaustraße 15) hatte, hat sie im Arbeitszimmer gelötet…“ Beide sehen ihre Beziehung als Prozess, in dem sie sich gemeinsam, jeder für sich, weiterentwickeln können. Tanja hat von ihrem Partner gelernt, Dinge auf den Kopf zu stellen, um sie aus einer anderen Perspektive zu betrachten. „Stefan ist da echt radikal.“ Er hat von ihr ihre Offenheit und Freundlichkeit übernommen.
Und so performt das Paar weiter, sie engagieren sich im Vorstand für die Walpodenakademie, renovieren dort gerade einen Raum, musizieren, entwerfen, schmieden Pläne und Gold und lernen begeistert immer Neues dazu. Trotzdem nehmen sich beide dabei nicht allzu ernst, auch wenn sie das, was sie tun, ernsthaft betreiben. Vielleicht besteht darin ihr Geheimnis. Sie bewahren sich ihre Erdung und Offenheit, verwenden Energie für das Wesentliche und regen sich nicht über Nichtigkeiten auf. So konnten sie ihrer Maxime als Paar, als Künstlerduo, und auch als eigenständige Personen treu bleiben und sind meilenweit davon entfernt, Essig zu werden.
www.brand-stiftung.net
www.tanjaroolfs.de
www.mooi-mainz.de