Bis zum Jahr 2030 soll es in Deutschland eine Million Ladesäulen für Elektroautos geben. So lautet das optimistische Ziel der Bundesregierung. Derzeit, so die Bundesnetzagentur, sind es 63.570 „Normalladepunkte“, die im öffentlichen Raum verteilt sind. Es ist also Eile geboten, wenn der wachsenden Zahl an neu zugelassenen E-Fahrzeugen Rechnung getragen werden soll.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sieht neben der Autoindustrie vor allem die Kommunen in der Pflicht. Städte und Gemeinden, die eine schlechte Ladeinfrastruktur hätten, würden dies spüren, so der frühere rheinlandpfälzische Verkehrsminister. Nur jede zweite Kommune verfügt bisher überhaupt über eine Ladesäule. Ausschlaggebend für die E-Infrastruktur, so der FDP-Politiker, seien zwei Faktoren: Schnellladesäulen und die Schaffung geeigneter Flächen. Letzteres müsse vor allem deshalb gut durchdacht werden, weil etwa Supermarktplätze oftmals nachts keine Betriebserlaubnis hätten, wodurch es nicht möglich sei, an die Ladesäulen zu kommen.
Keine kostendeckende Infrastruktur
Mit 2,1 Prozent E-Autos liegt Rheinland- Pfalz etwas unterhalb des Bundesdurchschnitts von 2,4 Prozent. Etwa 26 Fahrzeuge teilen sich eine öffentliche Ladesäule im Bundesland. Rund 55.000 vollelektrische und Hybridfahrzeuge sind in Rheinland-Pfalz zugelassen. In Mainz haben wir 84 Ladepunkte, davon betreiben die Stadtwerke aktuell 44 Ladesäulen. Trotz der teilweisen öffentlichen Förderung sei auch hier die Ladeinfrastruktur bislang nicht kostendeckend zu betreiben, heißt es aus dem Verkehrsdezernat. Deshalb lag der Fokus der Stadtwerke in den vergangenen zwei Jahren darauf, die Auslastung bestehender Stationen zu erhöhen. „Wir sind überzeugt, dass die Elektromobilität im privaten Bereich künftig ein ähnlich wichtiges Thema wird, wie sie es heute bei Pedelecs und EBikes schon ist. Darum berücksichtigen wir bei Projekten in der Straßenneugestaltung und Stadtentwicklung auch heute schon Standorte für Ladeinfrastruktur“, sagt Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne). Mit den Stadtwerken spreche man deshalb regelmäßig über den Bau weiterer Ladesäulen in der Stadt. Der aktuelle Plan sehe mittelfristig vor, weitere Flächen mit AC und DC-Ladesäulen (Schnellladesysteme) auszustatten. Wo genau, könne noch nicht gesagt werden. Derzeit laufe die Prüfung geeigneter Orte. „Selbst wenn es aktuell noch nicht möglich ist, in einzelnen Straßenzügen Elektroladesäulen zu betreiben, so verlegen wir zumindest bereits Leerrohre in den neuen Straßen, damit das Angebot bei Bedarf möglichst schnell nachgerüstet werden kann“, so Steinkrüger.
Zukunftsweisende Technik
Die Technik in den Ladesäulen könnte dabei auch vom Unternehmen LADE kommen. Das Start-up aus Hechtsheim hat sich zum Ziel gesetzt, Benefits in alle Richtungen zu schaffen: für Nutzer, Betreiber und Klima. Dass der Zuwachs an Ladeinfrastruktur bislang nur schleppend verläuft, führt auch Gründer und CEO Dennis Schulmeyer auf die Kostendeckung zurück. Mit den LADE-Ladestationen soll sich dies ändern. Die Ladeinfrastruktur werde künftig mithilfe des Komplettpakets schneller installiert und günstiger betrieben werden, als das heute zumeist der Fall ist. Als Zielgruppe hat die 2020 gegründete Firma Parkunternehmen, den Einzelhandel, Kommunen oder die Gastronomie im Blick. Ein Lastmanagement-System soll dabei sicherstellen, dass die Leistung an Ladepunkten nahezu in Echtzeit optimiert werden kann. Die Technik dahinter hat das Start-up als Patent angemeldet. „Wenn wir 2030 unseren Strom im Wesentlichen mit erneuerbaren Quellen decken wollen, müssen wir heute die Grundlage dafür schaffen. E-Autos sind dafür das ideale und auch wirtschaftlichste Mittel. Sie bilden einen riesigen, verteilten Pufferspeicher, den es intelligent zu erschließen gilt“, so Schulmeyer. Für den Golfplatz in Budenheim sind derzeit 30 Ladesäulen des Unternehmens in Planung, vier weitere „LADEminis“ sollen auf dem Gelände der Mainzer Stadtwerke im Oktober folgen.
Niedrigere Fördersummen
Das Zusammenspiel zwischen Klima- Bewusstsein und lukrativen Prämien hat ein Umdenken in der EMobilität ausgelöst. Zwar werden EAutos auch noch über das Jahr 2022 staatlich gefördert, jedoch soll die Subventionierung verringert und auf ein bestimmtes Budget gedrosselt werden. Für rein elektrische Fahrzeuge bis zu einem Kaufpreis von 40.000 Euro wird die Förderung von 6.000 auf 4.500 Euro abgesenkt. Bei E-Autos zwischen 40.000 bis 65.000 Euro soll es 3.000 statt wie bisher 5.000 Euro geben. Für Plug-in-Hybride wird die Förderung zum Jahresende ganz auslaufen. Bezuschusst wird dabei nicht nur die Anschaffung der E-Autos, sondern auch die von Ladestationen. So können etwa 400 Euro von den Stadtwerken für eine „Wallbox“ und 600 Euro für eine Ladesäule beantragt werden. Immerhin, so die KfW, spielen sich 60 bis 85 Prozent aller Ladevorgänge noch immer zu Hause oder am Arbeitsplatz ab. Die Mainzer Stadtwerke fördern darüber hinaus E-Fahrräder (100 Euro), E-Lastenräder (600 Euro) und ERoller (200 Euro).
Kostenloses Parken für E-Autos
Auch in den Innenstädten werden Anreize geschaffen, damit die EMobilität populärer wird. In Mainz können E-Autos noch mindestens bis August 2024 gebührenfrei auf den dafür ausgewiesenen Flächen parken. Kritik äußerte die Linke, die ein generelles Problem mit der Zunahme von Individualverkehr hat. Anstatt Anreize für das Parken in der Stadt zu setzen, solle der Schwerpunkt lieber auf den öffentlichen Personennahverkehr gelegt werden, so auch Piraten & Volt.
Mehr Flexibilität durch Carsharing
Dennoch, das Angebot zum Thema wächst: Auch Carsharing-Anbieter wie book-n-drive haben ihre Flotte schon länger um E-Autos erweitert. Auch die E-Carsharing- Station dieses Anbieters finden sich inzwischen in der Rhabanusstraße, in Goethestraße, Wallaustraße, Josefstraße sowie am Fischtorplatz. „ÖPNV und Carsharing ergänzen sich optimal. Über die Hälfte der Carsharing- Nutzer haben eine Jahreskarte für den Nahverkehr. Sie suchen sich je nach Fahrtzweck das passende Mobilitätsangebot. Damit ist jeder Ausbau von Carsharing auch ein Gewinn für den ÖPNV und nur durch das Zusammenspiel aller Verkehrsarten im Umweltverbund können wir einen attraktiven Mobilitätsmix bieten und so einen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, so Berit Schmitz, Geschäftsführerin der Mainzer Mobilität.
Bürgerschaftliches Engagement
Die Sache in mehrere Hände nimmt die Mainzer Energiegenossenschaft „UrStrom“, eine Initiative von Bürgern aus Mainz und Umgebung. Derzeit betreibt die Genossenschaft 17 Photovoltaikanlagen in der Region und produziert damit Sonnenstrom für rund 258 Vier-Personen-Haushalte. UrStrom versteht sich dabei als Plattform für Bürger, die Energieproduktion und -verwertung in eigene Hände zu nehmen. Derzeit sind über 600 Menschen Mitglied in der Genossenschaft – ein ganz anderer Ansatz also, als der der Stadtwerke oder von book-n-drive.
Ob E-Auto oder E-Lastenrad, bei UrStrom wird das Verkehrsmittel gewählt bzw. gemietet, das gerade benötigt wird, ohne sich an Fixkosten, die ein eigenes Auto mit sich bringt, binden zu müssen. Betrieben werden die Fahrzeuge mit dem Ökostrom der Genossenschaft. UrStrom verleiht und vermietet die Lastenräder und E-Autos zu unterschiedlichen Tarife, die sich auf ihrer Homepage finden lassen. Das Konzept sieht vor, möglichst viele Personen und Institutionen einzubinden, um Klimaneutralität zu erreichen. Auch das Bistum Mainz hat die Nutzung von E-Fahrzeugen für seine Dienstwagenflotte ausgeweitet und nutzt das genossenschaftliche Carsharing von UrStrom.
Langsam wächst das Thema also auch in Mainz, mal ganz abgesehen von den E-Rollern und E-Bussen der Mainzer Mobilität sowie einigen weiteren Experimenten. Bis 2030 wird sich zeigen, wer die Nase vorne hat im Mobilitätsmix und hier auch nochmal durch die neuen (digitalen) Möglichkeiten durch 5G & Co.
Text Alexander Weiß