„Antike Möbel“ steht in zierlicher Schreibschrift auf dem Schaufenster Nähe Fischtor. Hier finden sich stets schöne Stücke, gut instand gesetzte Antiquitäten und das ein oder andere stilvolle Teil. Die Auswahl ist so reich, da wird es im Laden fast ein wenig eng. „Unser Schwerpunkt liegt beim Biedermeier“, sagt Eberhard Metzner. „Heute richtet man sich nicht mehr komplett mit Stilmöbeln ein. Der Trend geht zu einem alten, schönen Stück im modernen
Interieur“. Zu fast allen Möbeln, die er anbietet, kann Metzner eine Geschichte erzählen. „Hier steht ein Biedermeier-Sofa, Wiener Modell von 1820“, zeigt er auf ein wunderschönes Sitzmöbel. „Es stammt von der Firma Bembé, einer renommierten Firma, 1780 in Mainz gegründet, die unter anderem das Stadtschloss Wiesbaden und Schloss Charlottenburg ausstattete.“ Auffällig sind die beiden Holz-
Delfine, die rechts und links die Armlehnen zieren. „Das ist bereits verkauft und wird Teil einer Einrichtung mit historischen Akzenten.“
Handwerk und Wertschätzung
Mit den Epochen, aus denen seine Schätze stammen, kennt Metzner sich bestens aus. Dabei ist er
kein Historiker, sondern Schreiner. Die Preziosen, die bei ihm zu finden sind, wurden meist in der eigenen Werkstatt restauriert. Sein Renommee als Möbelrestaurator sorgt für Aufträge. „Wir machen auch Schätzungen, zum Beispiel von Nachlässen. Auch bei Porzellan und Bildern.“ Seine Erfahrung ist es, auf die er und seine Kunden sich stützen können. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch bei den alten Möbeln; Kommoden, Stühlen, Sesseln und Sofas: „Die haben eine Geschichte. Als Restaurator kann man sie in die Gegenwart tragen.“
Mit Sachverstand machen er und sein Team aus einem heruntergekommenen Möbelstück eine Kostbarkeit, die dennoch erschwinglich bleibt. „Alte Möbel sind wertbeständig. Es muss nicht immer alles neu gekauft werden.“ Gerne erzählt er von der 200 Jahre alten Kommode aus Leipzig, über deren Restaurierung der SWR in seiner Sendereihe „Handwerkskunst“ sogar einen Film gedreht hat. „Wer einmal gesehen hat, wie das vonstatten geht, weiß die Arbeit der Restauratoren zu schätzen. Das Paar, das die Kommode erworben hat, bekam praktisch als Dreingabe eine Dokumentation über ihre Restaurierung.“
Zum Handwerk kam Metzner auf Umwegen. „Eigentlich wollte ich Lehrer werden. Doch im Referendariat merkte ich, das ist nichts für mich.“ In Wiesbaden ging er in die Lehre, um den Beruf des Schreiners zu erlernen und so in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Der war in Mainz ansässig und firmierte unter „Antiquitäten und Kunstschreinerei“. Das große, alte Schild hängt noch heute im Hof. Metzner zeigt nicht ohne Stolz ein Werkstück, das sein Vater zwischen 1945 und 1950 baute: „Ein Aufsatz- oder Kabinettschrank“. Erbstücke sind etwas, das auch in der heutigen, schnelllebigen Zeit wertgeschätzt wird. „Manchmal kommt ein Stück, das wir vor Jahren schon einmal restauriert haben, wieder zu uns zurück.“ Das Aufarbeiten lohnt bei diesen Möbeln allemal.
Azubis und Gesellen
Als Geselle gründete Eberhard Metzner mit zwei Partnern 1982 seine Werkstatt. Die Meisterprüfung folgte 1987. Den Laden in der Rheinstraße 40 konnte er 1992 erwerben. „Und nun geht die Firma in die dritte Generation.“ Geselle Jan, bereits seit 17 Jahren in der Firma, ist der künftige Nachfolger. Metzner kann sich sicher sein, dass Werkstatt und Laden in seinem Sinne weitergeführt werden. Jan arbeitet mit Herzblut in seinem Beruf und stellt fest: „Ein Schreiner ist gegenüber einem Möbelhaus durchaus konkurrenzfähig. Das weiß nur keiner!“ Ihm zur Seite stehen die Lehrlinge Cara und Cedrik. Der dritte Auszubildende hat vor kurzem seine Gesellenprüfung bestanden und mit seinem Gesellenstück, einem „Tête-à-Tête-Sofa“, den zweiten Platz im Wettbewerb „die gute Form“ errungen. „Hundert Arbeitsstunden stecken darin“, sagt Metzner. „Wir haben keine Nachwuchssorgen.“ In der Berufsschule lernen die Azubis, was das moderne Schreinerhandwerk ausmacht, bei Metzner auch die traditionellen Techniken. Wir wollen, dass das alte Handwerk erhalten bleibt. Darum bilden wir aus.“ Derweil begutachtet Jan eine Kommode: „Wir nehmen zuerst die alte Oberfläche ´runter“, erklärt er. Mit Spiritus und Stahlwolle geht es dem Erbstück an den Korpus. „Das ist für die Oberfläche schonender als alles zu schleifen.“ Er kennt und teilt gerne seine Tricks. Wenn ein altes Stück sich, geölt oder mit Schelllack poliert, zu einem Renommier- Objekt verwandelt, stellt es für seinen Besitzer immer etwas Besonderes dar. Und das Handwerk des Möbelrestaurators hat wieder mehr Wertschätzung gewonnen.
Der Himmel hängt voller Stühle
Beim Gang durch Werkstatt und Lager entdeckt man nicht nur die zu restaurierenden Möbel, Werkzeuge und Drechselmaschine, sondern eine Fülle an Material. Zubehör wird regelrecht gehortet, denn es könnte ja mal gebraucht werden: alte Schlösser und Schlüssel, Beschläge, Nägel und Schräubchen. Und im ersten Stock hängt der Himmel voller Stühle. Die warten nur darauf, für einen neuen Besitzer zu neuem Leben zu erwachen.
Eine schöne Berliner Kommode von 1815, aus der Zeit von Königin Luise, soll aufgearbeitet werden. Helles Holz mit Löwenkopfbeschlägen. Aber sie hat schon bessere Zeiten gesehen. „Eine Woche Arbeit“, schätzt Metzner.“ Zwar ist die Nostalgiewelle vorbei, „wir haben heute andere Kunden“, doch gibt es immer noch genügend Liebhaber, die Metzners Faible für historische Möbel teilen – und sich das eine oder andere Stück leisten.
Wer gerne selbst Hand anlegen möchte, ob bei einem ererbten Stück, einem Schätzchen vom Flohmarkt, oder einem noch unrestaurierten Möbel aus dem Fundus, kann einen Workshop buchen. Unter Anleitung und Mithilfe gilt es einen Tag lang die Feinheiten der Möbelrestaurierung zu schnuppern.
von Ulla Grall
Fotos: Stephan Dinges